Talkum: Der stille Killer in Kosmetik und Lebensmitteln?
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Talkum ist in Kosmetik und Lebensmitteln. Es steht seit langem im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Was Verbraucher besonders beunruhigt: Er könnte Krebs auslösen.
Jenseits des Sportunterrichts, wo er unter dem Namen Talkumpuder geläufig ist und beim Turnen den Schweiß bindet, taucht der Stoff auch unter den folgenden Namen auf: Steatit, Speckstein, Magnesiumsilikathydrat, Talkum, C.I. Pigment White 26, in Kosmetika unter dem Namen Talc sowie als Lebensmittelzusatzstoff mit der Nummer E 553b.
Talkum ist ein Stoff, der viele Anwendungen kennt. In der Lebensmittel- und der Kosmetikindustrie wird Talkum als Trennmittel, Rieselhilfe, Füllstoff oder Pudergrundlage eingesetzt. Aufgrund seiner Eigenschaften findet es sich auch in der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln, wo es als pharmazeutischer Hilfsstoff für Puder und Schüttelmixturen und bei der Herstellung von Filmtabletten und Dragees verwendet wird. Auch zur Herstellung von Papier, Zellstoff und Kunststoff wird Talkum eingesetzt.
Das Mineral Talk, die Gesteinsbasis des Talkumpuders, ist ein Schichtsilikat. Mehr als die Hälfte des gehandelten Talkgesteins stammt aus Indien und China, aber auch in Nord- und Südamerika wird das Gestein in großen Mengen abgebaut. Für 2022 werden im World Mining Data-Report 2024 in der Rubrik ″6.2.4 Industrial Minerals″ weltweit 7,8 Mio. Tonnen Talk als Jahresproduktion genannt.
Jetzt könnte dem kostengünstigen Stoff möglicherweise das gleiche Schicksal bevorstehen wie kürzlich dem Titandioxid, das als E 171 in Süßwaren, Überzügen und Dragees verwendet wurde, mit der Verordnung (EU) 2022/63 zum 7. Februar 2022 seine Zulassung als Lebensmittelzusatzstoff verloren hat, nachdem die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ihre Sicherheitsbewertung aktualisiert hatte.
Nach diesem Zeitpunkt durften Lebensmittel, die Titandioxid enthalten, jedoch bis zu ihrem Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum noch auf dem Markt bleiben. Die zuständigen Behörden setzen dabei auf den mündigen Bürger, der weiß, welches Risiko er beim Verzehr von Titandioxid-haltigen Lebensmitteln eingeht.
Risikoeinschätzung hat sich geändert
Anders als in den USA, wo jemand, der durch einen im Markt befindlichen Stoff einen Schaden erleidet, dem Inverkehrbringer nachweisen muss, dass allein sein Produkt für die Schädigung verantwortlich ist, gilt in der EU das Vorsorgeprinzip. Besteht ein plausibler Grund, dass von einem bestimmten Stoff eine Gefährdung ausgeht, darf dieser Stoff innerhalb der EU nicht mehr vermarktet werden.
Dem Anbieter eines solchen innerhalb der EU nicht mehr marktfähigen Stoffes bleibt dann immer noch die Möglichkeit, sich Märkte außerhalb der EU zu suchen. Dass die verbotenen Stoffe als Begleitstoffe wieder in die EU reimportiert werden, lässt sich faktisch nicht vermeiden.
Dass asbesthaltiges Talkum der Gesundheit nicht förderlich ist, ist schon länger bekannt. Dennoch enthielten, wie die US-amerikanische FDA feststellte, viele Kosmetika Asbestfasern, welche von den bisherigen, unzureichenden Screening-Methoden der Kosmetikindustrie zuweilen nicht erkannt wurden. Bereits 2009 stufte die IARC asbesthaltigen Talk als krebserregend für den Menschen (Kategorie 1) ein. Rohstoffhändler und -verarbeiter mussten daraufhin ihre Prozesse anpassen, um Verunreinigungen mit Asbest auszuschließen.
Mit Asbest verunreinigtes Talkum soll für Krebserkrankungen verantwortlich sein. Dem US-Konzern Johnson & Johnson (J&J), in Deutschland auch unter dem Namen Penaten bekannt, war die Tatsache, dass Talkum Asbest enthalten kann, wohl schon seit 1957 bekannt. Er behielt diese Informationen jedoch für sich.
Erst 2018 urteilte ein US-Gericht zugunsten von 22 Frauen, die Johnson & Johnson für ihre Krebserkrankungen verantwortlich machten. Der Konzern musste damals eine Strafe von knapp 4,7 Milliarden US-Dollar zahlen.
2024 hat die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch asbestfreies Talkum als "wahrscheinlich krebserregend für Menschen" (Gruppe 2A) eingestuft. Zudem hat der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) aktuell vorgeschlagen, Talkum als CMR-Stoff der Kategorie 1B einzustufen.
Talkum sorgt schon länger für Schlagzeilen
Im Babypuder soll es für Lungenschäden bei Kindern sorgen. Bereits 2011 warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor Atembeeinträchtigungen bis zu schweren Lungenschäden, wenn ein Baby oder Kleinkind versehentlich das Puder einatmet. Erst im Jahr 2023 stellte J&J seine Babypuder-Produktion von Talkum auf Maisstärke um.
Im Juni 2024 wurde J&J von einem Geschworenengericht in Portland zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 60 Millionen Dollar und einer Strafzahlung von 200 Millionen US-Dollar verurteilt. Bei der Klägerin war im Alter von 48 Jahren ein Mesotheliom diagnostiziert worden, eine fast immer tödlich verlaufende Krebserkrankung des Gewebes, in diesem Fall um das Herz der betroffenen Frau, die fast 30 Jahre lang Babypuder und Deodorant von J&J verwendet hatte.
Zukunft von Talkum in der EU noch ungewiss
Sollte Talkum tatsächlich als krebserregend der Kategorie 1B eingestuft werden, hätte dies weitreichende Folgen für Kosmetikprodukte. Für Lebensmittel greift jedoch kein automatisches Verbot wie bei Kosmetika. Die europäischen Behörden werden voraussichtlich Ende 2025 über die Neueinordnung von Talkum als krebserregenden Gefahrstoff abstimmen.
Vielleicht verzichtet man aber auf Wunsch der Industrie, die nicht auf die billigen Füllstoffe verzichten will, auf ein entsprechendes Verbot und beschränkt sich auf einen Warnhinweis wie auf den Tabakwarenverpackungen oder auf alkoholischen Getränken, wie sie in der Republik Irland kommen, und überlässt die Entscheidung dann dem mündigen Bürger und seinem Risikobewusstsein.