Tausende JFK-Akten veröffentlicht: Neue Erkenntnisse oder alte Theorien?

Zeitungen in einem Kiosk

Was fördern die neuen Dokumente über Kennedys Ermordung zu Tage?

(Bild: rblfmr/Shutterstock.com)

Die Ermordung von John F. Kennedy beschäftigt die USA seit Jahrzehnten. Nun hat die Trump-Regierung bisher geheime Dokumente freigegeben. Was verraten sie über den Fall?

Mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Attentat auf US-Präsident John F. Kennedy weckt die Veröffentlichung bisher geheimer Ermittlungsakten neue Hoffnungen auf Antworten. Tausende Seiten an Dokumenten wurden jetzt auf Anordnung von Präsident Donald Trump freigegeben und sind nun für die interessierte Öffentlichkeit einsehbar.

Experten haben begonnen, die neuen Unterlagen zu sichten. Wie viele erwartet hatten, liefern sie keine abschließenden Antworten auf die ungeklärten Fragen zu einem der bedeutendsten Wendepunkte der US-Geschichte – der Ermordung Kennedys 1963 in Dallas.

Doch die jetzt größtenteils unzensierten Dokumente geben weitere Einblicke, wie intensiv der mutmaßliche Attentäter Lee Harvey Oswald vor der Tat vom US-Geheimdienst CIA überwacht wurde. Und wie diese in den 1960er Jahren operiert hat.

Oswald im Visier der CIA

Eine Untersuchung der US-Regierung in den 1960er Jahren kam zu dem Schluss, dass Oswald, ein Herumtreiber und ehemaliger US-Marinesoldat, der zwischenzeitlich in die Sowjetunion übergelaufen war, allein handelte, als er von einem nahe gelegenen Gebäude aus auf Kennedys Wagenkolonne schoss.

Die neuen Dokumente zeigen jedoch, wie genau die CIA Oswald schon lange vor dem Attentat im Blick hatte. "Er war für den Geheimdienst von großem Interesse", sagte Jefferson Morley, ehemaliger Reporter der Washington Post und Herausgeber des Blogs JFK Facts, gegenüber der BBC. Das ganze Ausmaß sei erst in den letzten Jahren deutlich geworden.

Viele der Dokumente wurden zwar schon zuvor veröffentlicht, liegen nun aber in vollständigerer Form vor. Obwohl Experten noch dabei sind, alles zu sichten, sind bisher offenbar keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse aufgetaucht.

Dennoch bezeichnete Morley den Vorgang als "die spannendsten Neuigkeiten zu den JFK-Akten seit den 1990er Jahren". Mehrere sehr wichtige Dokumente seien nun öffentlich zugänglich.

In der Vergangenheit waren Hunderttausende Seiten zwar freigegeben worden, enthielten aber noch Schwärzungen. Andere Unterlagen blieben mit Verweis auf die nationale Sicherheit ganz unter Verschluss. Die jetzige Veröffentlichung gilt daher als Schritt zu mehr Transparenz.

Laut Philip Shenon, Autor eines Buches über das Attentat, beschreiben zuvor freigegebene Dokumente eine Reise Oswalds nach Mexiko-Stadt im September 1963, wenige Monate vor dem Attentat.

Die CIA habe ihn zu dieser Zeit überwacht, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Es gebe Grund zu der Annahme, dass Oswald dort offen über die Ermordung Kennedys sprach und Leute ihn sagen hörten.

Geheimdienstmethoden enthüllt

Einige der Dokumente geben auch Aufschluss über Kennedys Verhältnis zur CIA vor seinem Tod und über die Methoden der Informationsbeschaffung – und ermöglichen so einen Einblick in die Operationen des Kalten Krieges.

Ein nun vollständig freigegebenes Memo enthält eine kritische Notiz von Kennedys Berater Arthur Schlesinger. Sie zeigt die enorme Präsenz der CIA selbst in US-Botschaften in verbündeten Ländern wie Frankreich.

So sollen laut den Akten "47 Prozent der Politoffiziere, die in US-Botschaften tätig waren" im Jahr 1961 angehörige der Geheimdienste gewesen sein. Die USA haben während dieser Zeit offenbar die Kommunikation der Regierungen von Ägypten, Brasilien und Indonesien abgefangen und Zugang zu militärischen Geheimnissen in Kuba während der Raketenkrise.

Schlesinger warnte Kennedy vor dem Einfluss des Geheimdienstes auf die amerikanische Außenpolitik.

Zwar steht die Notiz nicht direkt mit dem Attentat in Verbindung, verdeutlicht aber das schwierige Verhältnis zwischen dem Präsidenten und den Geheimdiensten. Die CIA lehne es traditionell ab, Informationen über ihre Operationen oder ihr Budget preiszugeben, sagt David Barrett, Professor an der Villanova University und Experte für die CIA.

Ein anderes Dokument beschreibt die Nutzung von Röntgenstrahlen, um versteckte Mikrophone aufzuspüren, mit denen möglicherweise CIA-Büros abgehört wurden. Außerdem ist die Rede von einem System, um angezapfte öffentliche Telefonzellen heimlich zu markieren – mit einer Farbe, die nur unter ultraviolettem Licht sichtbar ist.

Vollständige Freigabe noch offen

Ein Gesetz von 1992 schreibt vor, dass alle Dokumente im Zusammenhang mit dem Attentat innerhalb von 25 Jahren freigegeben werden müssen – ließ aber Ausnahmen aus Gründen der nationalen Sicherheit zu.

Sowohl Trump in seiner ersten Amtszeit als auch Präsident Biden haben in den vergangenen Jahren wiederholt Akten veröffentlicht. Vor der jüngsten Freigabe sagte Trump, er habe seine Mitarbeiter angewiesen, "nichts zu schwärzen". Das scheint nicht vollständig der Fall zu sein – die neuen Dokumente enthalten noch immer einige Schwärzungen.

Dennoch sehen Experten die Veröffentlichung weitgehend als Schritt zu mehr Transparenz. Morley zufolge gibt es in den Nationalarchiven weitere noch unveröffentlichte Dokumente sowie andere, die von CIA und FBI noch nicht vollständig erfasst sind.

Auch wenn es weitere Veröffentlichungen geben könnte – ebenso wie angekündigte Freigaben zu den Morden an Robert F. Kennedy und Martin Luther King – werden die Fragen rund um das Kennedy-Attentat wohl weiter bestehen bleiben.

"Bei einem Attentat wird es immer Debatten und bis zu einem gewissen Grad Verschwörungstheorien geben", sagt der Historiker Barrett. "Daran werden auch diese oder andere Dokumente nichts ändern."