Teilnehmerin der Bauernproteste: Es geht längst nicht nur um Agrardiesel
Unternehmer, Beschäftigte – und rechte Trittbrettfahrer: Gewerkschaftliche Stimmen sind hier selten. Aber es gibt sie. Ein Gespräch mit Sofie Legutke.
Viel wurde in den letzten Tagen über Versuche rechter Gruppen gesprochen, sich an den Protesten der Bäuerinnen und Bauern zu beteiligen. Der auf die rechte Szene spezialisierte Journalist Andreas Speit hat in der taz einige Beispiele für solche Vereinnahmungsversuche dokumentiert.
Auch Sofie Legutke hat an verschiedenen Stellen die Beteiligung rechter Gruppen beobachten können, warnt aber im Gespräch mit Telepolis davor, die gesamten Proteste der Landwirte in pauschal in die rechte Ecke zu stellen.
Sie engagiert sich in der Initiative Grüne Gewerke – keine Unterorganisation der Grünen, sondern eine Gruppe vor allem jüngerer Landarbeiterinnen und Landarbeiter in der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU), die sich dagegen wendet, dass versucht wird, Bäuerinnen und Bauern in eine Frontstellung gegen ökologische Forderungen zu bringen.
Ein weiterer Punkt, den die Initiative in die Proteste hineinträgt, sind die Arbeitsbedingungen der oft befristet Beschäftigten, zum Beispiel der Erntehelferinnen und -helfer, die teils aus Osteuropa kommen. Peter Nowak sprach mit Sofie Legutke über eine erste Bilanz der Proteste.
"Politik schadet seit Jahrzehnten bäuerlichen Betrieben"
Warum unterstützen Sie die Proteste?
Weil wir selbst Landarbeiterinnen und Landarbeiter sind und die Not der kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe kennen. Es geht schon längst nicht mehr nur um Agrardiesel. Es geht um eine Politik, die seit Jahrzehnten den bäuerlichen Betrieben schadet, Saisonarbeitskräfte ausbeutet und die Agrarindustrie sowie Investoren aus ganz anderen Bereichen fördert.
Wie sah diese Unterstützung in den letzten Tagen konkret aus?
Wir sind deutschlandweit auf verschiedene Proteste gegangen, um uns mit Kolleginnen und Kollegen zu solidarisieren und Menschen aus der Stadt unsere Belange näherzubringen. Aber auch, um klare Kante gegen Versuche rechter Vereinnahmung zu zeigen und unser Missfallen zum Ausdruck zu bringen, wenn konservative Kräfte die Betroffenen zum "nach unten treten" animieren wollen.
Rechte reden bei Protesten kaum über Landwirtschaft
In vielen Medien wird hervorgehoben, dass auch rechte Gruppen sich an den Protesten beteiligen. Haben Sie davon etwas mitbekommen?
Ja, das konnten wir an einigen Orten beobachten. In Sachsen sind es zum Beispiel die "Freien Sachsen", die versuchen, die Proteste zu vereinnahmen, aber deren Proteste hatten kaum mit Landwirtschaft zu tun. Es ist lokal sehr unterschiedlich, ob rechte Vereinnahmung gelingt, viele distanzieren sich zum Glück deutlich.
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Oft wird argumentiert, dass die Kürzungen, die zu den Protesten geführt haben, ökologisch sinnvoll sind. Warum sollte man die Proteste trotzdem unterstützen?
Die Motivation hinter den Kürzungen war nicht die Förderung von ökologischen Anbauweisen, sondern die Stopfung des Haushaltslochs. Klimafreundlich wären zum Beispiel Einsparungen bei der Rüstung oder eine Kerosinsteuer gewesen.
"Es sind gerade kleine Betriebe, die Vielfalt bringen"
Außerdem gibt es bisher kaum Alternativen, auf die bäuerliche Betriebe ausweichen können. Dabei sind es gerade kleine Betriebe, die Vielfalt bringen. Wenn es ökologische Gründe gewesen wären, dann wären die Vorschläge von Borchert Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft nicht ignoriert worden. Wir beobachten stattdessen eine stetige Entwicklung der Landwirtschaft hin zur Agrarindustrie.
In der Landwirtschaft sind viele Menschen, auch aus anderen Ländern, oft unter prekären Bedingungen beschäftigt. Welche Rolle spielen diese Menschen und ihre Forderungen bei den Protesten?
Wir sehen, dass vor allem Großbetriebe Saisonarbeitskräfte einstellen, die unter furchtbaren Bedingungen arbeiten. Leider spielen deren Interessen bisher kaum eine Rolle.
Allgemeiner Trend zu Großbetrieben und Saisonarbeit
Mancherorts wird sogar noch gegen ihre Rechte Stimmung gemacht. Der allgemeine Trend geht zu Großbetrieben, mehr Saisonarbeitskräften, zunehmender Prekarisierung und immer schlechteren Arbeitsbedingungen. Wir solidarisieren uns mit allen Lohnabhängigen und wünschen uns ein deutlicheres Einsetzen für die Belange aller Saisonarbeitskräfte!
Sind es vor allem die Landwirtschaftsunternehmer und nicht die Landarbeiterinnen und Landarbeiter, die auf die Straße gehen?
Beide Seiten gehen gerade auf die Straße, angestellte Traktorist:innen fahren ja die vielen Traktoren in die Städte. Es geht aber viel um die unternehmerische Sicht und zu wenig um die Interessen von Beschäftigten.
Deshalb versuchen wir, unsere Stimme als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in die Proteste hineinzutragen und uns besser zu organisieren.
Unsere Situation wird sich aber nicht verbessern, wenn sich nicht auch die Situation von kleinen und mittleren Betrieben verbessert, die massiv in die Selbst- und Fremdausbeutung gedrängt werden; die aufgrund des Effizienzdrucks und ständig neuer Auflagen von Seiten der Politik Investitionen tätigen müssen, sich verschulden.
"Lokal große Unterschiede" bei Abgrenzung nach rechts
Wie würden Sie Ihre bisherigen Erfahrungen bei den Protesten zusammenfassen?
Es ist ein dynamisches Geschehen mit lokal großen Unterschieden, was Abgrenzung gegen rechts, aber auch was die Zusammensetzung der Protestierenden angeht. Die politischen Ausrichtungen würden wir als ziemlich gemischt einschätzen, es gibt antikapitalistische Positionen, andere grenzen sich sowohl von rechts als auch von links ab, die Präsenz aus dem rechten Milieu ist aber auf jeden Fall spürbar.
Welche weitere Unterstützung planen Sie?
Wir werden uns einmischen, wo wir es für richtig halten, dabei für die Belange unserer Klasse streiten und klare Kante gegen rechts zeigen! Wir werden uns sicher an vielen weiteren Protesten beteiligen. Auch am 20. Januar an der jährlichen "Wir-haben-es-satt"-Demonstration in Berlin!
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