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Temperaturrekord 2016 und Trump ernennt Klimawandelleugner zum Chef der EPA

Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Klimaschutzplan ohne Kohleausstieg, weltweit veränderten Ökosystemen und zunehmenden Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel

Die Bundesregierung hat sich nun in letzter Minute doch noch auf einen Klimaschutzplan [1] verständigt, den Umweltministerin Barbara Hendricks zur Klimakonferenz nach Marrakesch mitnehmen kann. Seinen Namen verdiente der Plan schon in den vorangegangenen Versionen nicht mehr. Nach wie vor fehlt es an konkreten Maßnahmen, um die anvisierten Klimaziele der Bundesregierung auch zu erreichen.

Bei den Emissionsminderungen wurde etwas zwischen den einzelnen Sektoren geschoben, im nun vorliegenden Dokument sind die Einsparziele bis 2030 genau nach Sektoren aufgelistet. Die Energiewirtschaft muss 61 - 62% einsparen, der Gebäudesektor 66 - 67%, Verkehr 40 - 42%, Industrie 49 - 51 % und Landwirtschaft 31 - 34%.

Damit hat es endlich ein Ende, dass jeder Sektor auf den anderen zeigt – alle müssen liefern. Die Ziele für den Verkehr beispielsweise begrüßen wir, 40 Prozent sind ein gutes Einsparziel. Dass die Wirtschaft hingegen auf dem letzten Meter noch Rabatte erhalten hat, verlagert das Problem nur – und zwar ausgerechnet auf den Gebäudesektor. Hier fehlen bislang geeignete Konzepte, wie die Sanierungsquote tatsächlich steigen soll.

NABU-Präsident Olaf Tschimpke

40 Prozent weniger CO2-Ausstoß im Verkehrssektor mögen ein begrüßenswertes Ziel sein, doch die letzten Jahre lassen Zweifel daran aufkommen, dass es auch erreichbar ist. Es sei daran erinnert, dass die Emissionen in diesem Bereich seit Jahrzehnten nahezu stagnieren - 1990 waren es 163 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, 2014 160 Millionen Tonnen.

Das Wort "Kohleausstieg" meidet die Bundesregierung, genauso wie eine Kommission, die eigentlich dieses Thema verhandeln sollte, nun den schwammigen Namen "Kommission Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung" trägt und erst nach der Bundestagswahl 2018 ihre Arbeit aufnehmen wird. Im Klimaschutzplan heißt es lediglich: "Die Klimaschutzziele können nur erreicht werden, wenn die Kohleverstromung schrittweise verringert wird. (...) Es muss vor allem gelingen, in den betroffenen Regionen konkrete Zukunftsperspektiven zu eröffnen, bevor konkrete Entscheidungen für den schrittweisen Rückzug aus der Braunkohlenwirtschaft erfolgen können."

Wie viel Zeit bleibt?

Beim Kohleausstieg lässt die Bundesregierung also unnötig viel Zeit ins Land gehen, und es ist nicht anzunehmen, dass dieser Prozess auf der globalen Ebene anders verläuft. Zwar haben erfreulicherweise inzwischen 109 Staaten das Klimaschutzabkommen von Paris ratifiziert, unter den Unterzeichnern der letzten Woche gehörte auch das nicht gerade für seine fortschrittliche Klimapolitik bekannte Australien.

Obwohl das Abkommen rasant in Kraft getreten ist, hat sich bei den Klimazielen der Staaten und den Schritten zu ihrer Umsetzung in den vergangenen elf Monaten so gut wie nichts getan. Laut Climate Action Tracker [2] befindet sich die Erde mit den vorgelegten Klimazielen auf einem Pfad von 2,8 Grad Celsius bis zum Jahr 2100, bei einer Fortsetzung der derzeitigen Politik drohe aber eine Erwärmung von 3,6 Grad.

CO2-Uhr. Bild: MCC

Geht man nun davon aus, dass die USA ihr Reduktionsziel bis 2030 aufgrund des Politikwechsels eher nicht einhalten werden, müssten sich die restlichen Staaten daher umso mehr anstrengen. Das Mercator Research Institute führt [3] die verbleibende Zeit, bis zu der das 2-Grad-Ziel bzw. das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden kann, mit einer rückwärts laufenden Uhr drastisch vor Augen: Für das 2-Grad-Ziel sind es in einem mittleren Szenario noch 16,5 Jahre. Beim 1,5-Grad-Ziel bleiben jedoch weniger als zwei Jahre, und damit weniger Zeit als bis zum ersten Zusammentreten der Kohleausstiegskommission in Deutschland, die nicht einmal so heißen darf.

Trump ernennt Klimawandelleugner zum Chef der EPA, der Umweltschutzbehörde

Darüber, was der Wahlsieg des Republikaners Donald Trump für die Klimapolitik der USA bedeuten könnte, ist im Laufe der Woche viel spekuliert worden. Die Ernennung von Klimawandelleugner Myron Ebell zum zukünftigen Vorsitzenden der US-Klimaschutzbehörde EPA verheißt jedoch wenig Gutes.

Ebell ist Leiter des Bereichs Umwelt- und Energiepolitik des Competitive Enterprise Institute, einem Think-Tank, der u.a. von der Kohle- und Ölindustrie finanziert wird. Den von Präsident Obama auf den Weg gebrachten "Clean Power Plan" bezeichnete Ebell als illegal. Der Clean Power Plan ist wiederum das zentrale Instrument, um die CO2-Emissionen in den USA zu reduzieren.

Einfach vom Tisch fegen wird die künftige Trump-Administration das Gesetz allerdings nicht können. Und auch ein Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, wie ihn Trump in seinem Wahlkampf versprochen hat, ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Ein regulärer Austritt aus dem Vertrag könnte nämlich frühestens in vier Jahren wirksam werden. Trump könnte daher versuchen, die Unterschrift unter dem Abkommen per Dekret zu löschen, meint [4] der Standard. Es wäre allerdings auch möglich, gar nichts zu tun - schließlich drohen im Falle der Nichteinhaltung der Klimaziele keine Sanktionen.

Erwärmung um ein Grad beeinflusst fast alle Ökosysteme

Während sich Prognosen zu der zukünftigen Klimapolitik der Regierung Trump noch wie Kaffeesatzlesen anfühlen, ist die Klimawissenschaft mit ihren Aussagen sehr viel exakter. Zumal der Klimawandel kein Ereignis in der Zukunft mehr ist, sondern längst stattfindet.

Eine im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichte Studie [5] legt die umfassenden Auswirkungen des Klimawandels auf die genetische Entwicklung, Arten und Ökosysteme dar. Mitgewirkt haben Forscherteams aus zehn Ländern. Bei einer heute registrierten durchschnittlichen Erderwärmung von einem Grad Celsius seit dem Beginn der Industrialisierung zeigen sich bereits Veränderungen in einem Großteil der ökologischen Prozesse, so die Wissenschaftler.

"Wir haben jetzt Beweise, dass mit nur rund einem Grad Celsius globaler Erwärmung bereits starke Einflüsse in natürlichen Systemen wahrgenommen werden", sagt [6] Leitautor Brett Scheffers von der University of Florida. Von 94 analysierten Prozessen in Land- und Wasserökosystemen wiesen 82 Prozent Veränderungen auf. Die Körpergröße der meisten Arten schrumpfe als Anpassung an die höhere Temperatur. Weitere Veränderungen zeigen sich in Vegetationsperiode und Blütezeitpunkt von Pflanzen, im Verbreitungsgebiet einzelner Arten sowie dem Migrationsverhalten von Tieren.

Die vielfachen Veränderungen der Ökosysteme bedeuten auch ein zunehmendes Risiko für die Menschheit, von Ernteverlusten und abnehmenden Fischbeständen bis hin zur Ausbreitung von Krankheiten. Es sei wichtig, die Veränderung der Ökosysteme zu verstehen, um sich an sie anzupassen und ihre Auswirkungen auf Biodiversität und Ökosystemleistungen abzumildern.

Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit

Am Montag wurde in Marrakesch auch die Forschungsinitiative The Lancet Countdown [7] vorgestellt, die die Auswirkung des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit verfolgen und analysieren will. Ergebnisse sollen jährlich in der Zeitschrift The Lancet veröffentlicht werden. Schon heute sterben täglich schätzungsweise 18.000 Menschen täglich an den Folgen von Luftverschmutzung.

2014 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Bericht [8] über den Einfluss des Klimawandels auf verschiedene Todesursachen in den 2030er wie 2050er Jahren vorgelegt. Zukünftig erhöhen könnten sich demnach hitzebedingte Todesfälle unter älteren Menschen, Todesfälle durch Überflutungen in Küstengebieten, tödliche Durchfallerkrankungen bei Kindern, Malaria und Dengue sowie Unterernährung. Neben der Klimaentwicklung spielt in allen Fällen allerdings auch die weitere sozioökonomische Entwicklung eine wichtige Rolle.

Auch beim Thema Gesundheit bleibt die Botschaft: Abschwächung und Anpassung sind die Gebote der Stunde. Nur genau bei der Anpassung an den Klimawandel hinkt die Staatengemeinschaft weit hinterher. Am stärksten vom Klimawandel betroffenen sind vor allem die ärmsten Staaten, die sich die Anpassung nicht leisten können. Außer der Frage, ob die 100 Milliarden Dollar jährlich im Klimaanpassungsfonds zusammenkommen und wie sie verteilt werden, stellt sich mittlerweile das Problem, dass die Summe kaum reichen wird. Bereits im Mai war im UNEP Adaption Gap Report [9] zu lesen, dass die Kosten der Klimaanpassung sich bis 2030 auf 140 bis 300 Milliarden Dollar pro Jahr belaufen könnten, bis 2050 auf 280 bis 500 Milliarden Dollar.

Das Jahr 2016 wird wahrscheinlich wieder alle Temperaturrekorde brechen, meldet [10] die World Meteorological Organisation. Die Jahrestemperatur wird aller Voraussicht nach 1,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen. In einigen Regionen der Welt lagen die Temperaturen sogar weit über dem langjährigen Durchschnitt, vor allem in den nördlichen Regionen Russlands, Alaskas und Kanadas. Im arktischen Teil Russlands waren die Temperaturen 6 bis 7 Grad höher als im langjährigen Mittel.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3466501

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.db.zs-intern.de/uploads/1479108808-Klimaschutzplan2050Endfassung20161111.pdf
[2] http://climateactiontracker.org/news/265/Major-challenges-ahead-for-Paris-Agreement-to-meet-its-1.5deg-warming-limit-.html
[3] http://www.mcc-berlin.net/forschung/co2-budget.html
[4] http://derstandard.at/2000047474948-2000025514285/Trump-will-Pariser-Klimavertrag-aushebeln
[5] http://science.sciencemag.org/content/354/6313/aaf7671
[6] http://news.ufl.edu/articles/2016/11/nature-already-dramatically-impacted-by-climate-change-study-reveals.php
[7] https://www.eurekalert.org/pub_releases/2016-11/tl-tlg111116.php
[8] http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/134014/1/9789241507691_eng.pdf
[9] http://web.unep.org/adaptationgapreport/sites/unep.org.adaptationgapreport/files/documents/Press-Release_AdaptationGap2016.pdf
[10] http://public.wmo.int/en/media/press-release/provisional-wmo-statement-status-of-global-climate-2016