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Temu und Shein: Wie chinesische HĂ€ndler Europas Zoll austricksen

Christoph Jehle
Temu- und Shein-Pakete kommen als Welle durch die 12 EU-Sterne

Chinesische HĂ€ndler wie Temu und Shein nutzen EU-Schlupflöcher. Sie fluten den Markt mit Billigwaren ĂŒber belgische FlughĂ€fen. Doch wie umgehen sie den deutschen Zoll?

Chinesische Anbieter wie Temu und Shein haben die SchwĂ€chen der europĂ€ischen Handels-Strukturen ausgiebig studiert und beuten sie inzwischen mit großem Erfolg aus. Viele Billigwaren werden ausschließlich fĂŒr den Export nach Europa produziert und sind im Reich der Mitte gar nicht verkehrsfĂ€hig.

Was viele KĂ€ufer auf den chinesischen Online-Plattformen dabei gerne ĂŒbersehen, ist die Besonderheit im europĂ€ischen Recht, dass beim Direktkauf aus China der KĂ€ufer automatisch zum Importeur mit allen Pflichten wird. Er haftet vollumfĂ€nglich [1] dafĂŒr, wenn durch fehlerhafte Produkte Dritte zu Schaden kommen.

Temu ist beim Export extrem erfolgreich

Wie erfolgreich die Entwicklung von Temu in den USA und Europa in kĂŒrzester Zeit geworden ist, sieht man an der Bewertung von Colin Huang, der mit gerade 44 Jahren als einer der erfolgreichsten Startup-MilliardĂ€re in China gilt und inzwischen mit fast 52 Milliarden US-Dollar [2] als der vermögendste Mann im Reich der Mitte gilt. Solange er keine politischen Ambitionen entfaltet, wird seinem weiteren Aufstieg auch wenig entgegenstehen, allen Anfeindungen europĂ€ischer und amerikanische Wettbewerber zum Trotz.

Wie extrem lernfĂ€hig die aus China stammende Plattform Temu sich im europĂ€ischen Markt bewegt, manche vergleichen sie inzwischen mit einem kaum zu greifenden nassen StĂŒck Seife, sieht man an der Tatsache, dass bislang keine UnterlassungserklĂ€rung [3] bekannt wurde, welche Temu nicht unterschrieben hat.

Da man keine eigenen Fabriken unterhÀlt, ist Temu von den UnterlassungserklÀrungen selbst wirtschaftlich kaum betroffen und zudem gelten sie nur im jeweiligen Land, sodass diesen leicht ausgewichen werden kann.

Auch Shein ist kaum zu bremsen. Der chinesische Konzern Shein ist fĂŒr gĂŒnstige und schnell wechselnde Kollektionen, auch als Fast Fashion bezeichnet, bekannt. Binnen weniger Jahre stieg er zu einer der weltweit grĂ¶ĂŸten Online-Modefirmen auf und bedrĂ€ngt europĂ€ische und amerikanische Marken, die weniger effizient arbeiten. Der chinesische Unternehmer Chris Xu hatte Shein vor Jahren gegrĂŒndet. Der HĂ€ndler bringt inzwischen tĂ€glich mehrere Tausend neue KleidungsstĂŒcke seiner zehn Modemarken auf den Markt, die er ausschließlich online verkauft.

Shein lĂ€sst seine Kleidung in China von Subunternehmen produzieren und verkauft sie außerhalb der Volksrepublik. Dabei kommt ein ausgefuchstes Warenwirtschaftssystem zum Einsatz, das den Anteil der unverkauften Ware dramatisch reduziert.

Wie Temu zeigt sich auch Shein als lernfĂ€hig. Als man das Portal mit dem Vorwurf der Kinderarbeit konfrontierte, erklĂ€rte man, dass man eine Null-Toleranz-Politik gegenĂŒber Kinderarbeit verfolge und die Zusammenarbeit mit Lieferanten beende, wenn ihnen Kinderarbeit nachgewiesen werde.

EuropÀischen HÀndlern machen Temu und Shein das Leben schwer

Hatte bislang in erster Linie der stationĂ€re Handel sich von der Online-Konkurrenz wie Amazon bedroht gefĂŒhlt, zittern diese jetzt vor den aus China erwachsenden Wettbewerbern, die ĂŒber den Umweg einer Firma in den USA jetzt den europĂ€ischen Markt aufrollen.

Und dabei nutzen diese Anbieter den europĂ€ischen Binnenmarkt als erleichterten Marktzugang. So kommen aktuell jeden Tag alleine in LĂŒttich in Belgien zwischen 400.000 und 500.000 Pakete [4] von Temu und Shein an.

Wenn man bedenkt, dass diese Flut von sechs Zollbeamten bewĂ€ltigt werden muss, kann man sich vorstellen, wie aufwendig die Kontrollen sind. Zwar bleiben die ZollgebĂŒhren in Belgien, jedoch nicht beim belgischen Staat, der die Kosten tragen muss, sondern wandern zur BrĂŒsseler EU-Verwaltung, welcher die Zolleinnahmen im Binnenmarkt grundsĂ€tzlich zustehen.

Der Handel im Binnenmarkt unterliegt keiner Zollkontrolle

Wenn die Waren aus Fernost im EU-Binnenmarkt angekommen sind, sind sie fĂŒr den deutschen Zoll tabu. Diese Umgehung des deutschen Zolls ĂŒber Belgien ist eine aktuelle AusprĂ€gung der Importtechnik aus außergemeinschaftlichen LĂ€ndern. Vor dem Brexit waren die Britischen Inseln bei der Umgehung fĂŒhrend, spĂ€ter Polen und Tschechien, die sich mit dem Verzicht der Zollkontrollen viel unbezahlte Arbeit ersparen konnten.

Wenn jetzt der KiK-Chef Patrick Zahn ein zu lasches Durchgreifen der Politik [5] gegen asiatische Shoppingportale wie Shein und Temu beklagt, muss er damit rechnen, dass eine verstĂ€rkte Zollkontrolle die Lieferzeiten aufgrund der dann notwendigen Zollbearbeitung deutlich verlĂ€ngern wĂŒrde und davon alle Importeure aus Asien betroffen wĂ€ren, weil Temu und Shein bei den Absenderangaben flexibel sein können und am Zoll nicht leicht entdeckt werden können.

Über einschlĂ€gige Dienstleister lassen sich die Sendungen zudem auf ungezĂ€hlte Absender weltweit verteilen. Das Beispiel von Hase und Igel passt hier ausgezeichnet.

Wenn jetzt der NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk [6] (CDU) von einem Antrag spricht, in dem NRW schĂ€rfere Zollkontrollen fĂŒr Importe ĂŒber Internetplattformen aus dem asiatischen Raum fordert, kann dies nur als politisches Schattenboxen bezeichnet werden.

Die Anmietung von Lagerhallen in FlughafennĂ€he und die Heranziehung von Studenten in den Semesterferien zur Bewertung von Lieferungen aus Fernost, klingen weit besser, als dies in der Praxis umsetzbar sein dĂŒrfte, ohne den europĂ€ischen Binnenmarkt zu beenden und den Import aus DrittlĂ€ndern massiv zu behindern.

Im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Vorgehen gegen Temu und Shein lÀsst sich das Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen auf Anfrage wie folgt zitieren:

Das Gebaren von Temu und Shein verstĂ¶ĂŸt gegen die GrundsĂ€tze des fairen Wettbewerbs. WĂ€hrend unsere Unternehmen Steuern, ZollgebĂŒhren und Lieferkettengesetz ordentlich beachten, drĂŒcken sich Temu und Shein davor. Das dĂŒrfen wir nicht akzeptieren.

Eine Schwerpunktkontrolle entsprechender Warensendungen in Deutschland wĂ€re eine Schutzmaßnahme fĂŒr den gesamten EU-Binnenmarkt, weil diese ĂŒber die offenen Grenzen auch in NachbarlĂ€nder weitertransportiert werden. Umgekehrt ginge von einer solchen Aktion auch ein Signal in andere LĂ€nder der EuropĂ€ischen Union aus, den eigenen Kontrolldruck gleichfalls zu erhöhen und so zu einem gemeinschaftlichen Schutz des Binnenmarktes vor Steuerbetrug, Plagiaten und gesundheitsgefĂ€hrdender Ware beizutragen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9855351

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.telepolis.de/features/Temu-Co-Warum-der-Billigkauf-fuer-Verbraucher-teuer-werden-kann-9649287.html
[2] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Der-Temu-Gruender-steigt-zum-reichsten-Mann-Chinas-auf-article25179863.html
[3] https://verbraucherrecht.at/unterlassungserklaerung-von-temu/67888
[4] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.asiatische-online-marktplaetze-kik-chef-ueber-temu-und-shein-schreiende-ungerechtigkeit.82f8fc4d-5090-488b-b28b-f6aaa4555429.html
[5] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.asiatische-online-marktplaetze-kik-chef-ueber-temu-und-shein-schreiende-ungerechtigkeit.82f8fc4d-5090-488b-b28b-f6aaa4555429.html
[6] https://www1.wdr.de/nachrichten/temu-billigwaren-zollvorschriften-100.html