Terroranschlag in Russland: Die Reaktionen zeigen, wer wir sind

Trauer um Terroropfer in Russland. Bild: Guo Feizhou, Shutterstock.com

Spekulationen, Mtgefühl und Hohn: Der Anschlag in Moskau offenbart Unterschiede in Werte. Kampf um politische Deutung. Ein Kommentar.

Der UN-Sicherheitsrat hat den Terroranschlag auf die Besucher eines Konzerts in der Region Moskau umgehend scharf verurteilt und gleichzeitig tiefes Mitgefühl für die unschuldigen Opfer und deren Familien ausgedrückt. Ein solches Verbrechen ist durch nichts zu rechtfertigen.

Der vollständige Text wurde vom stellvertretenden UN-Botschafter Russlands auf dem Kurznachrichtendienst X verbreitet.

Hintergründe, Täter und Motive unklar

Noch sind die Hintergründe, die Täter und deren Motive unklar. Es ist bisher nicht einmal klar, wie viele Menschen zu Opfern wurden oder ihren schweren Verletzungen noch erliegen werden. Der aktuelle Anschlag erinnert an die furchtbare Tragödie im Bataclan in Paris 2015. Das Bataclan war ein Ort der Freude, und das ist es auch wieder geworden, aber die Erinnerung an die vielen Opfer lebt auch dort fort.

In solchen Momenten zeigt sich, wer wir sind. Denn dieses Mal hat der Terror nicht ein befreundetes Land getroffen. Dieses Mal wütete er im Reich eines politischen Gegners, mit dem wir uns im nicht erklärten Krieg befinden. Ist unsere Mitmenschlichkeit noch stark genug, das zu vergessen, um einen Moment stille zu halten, aus Respekt und Mitleid mit den Opfern?

Brandenburger Tor in russischen Farben?

Wird das Brandenburger Tor in den russischen Farben erstrahlen, weil die Nationalität der Opfer keine Rolle spielen darf, wenn es um Terror geht?

Der französische Präsident hat sich erinnert und auf die Seite Russlands gestellt.

Auf X trifft man auf die ganze Spannbreite der ersten Reaktionen: tiefes Entsetzen, großes Mitleid, aber auch hämische Freude, regelrechte Genugtuung darüber, dass "Moskau brennt". Es findet sich auch der abenteuerliche Glaube, dieser Terrorakt sei ein Werk Putins, um vom Ukrainekrieg abzulenken oder ihn weiter zu eskalieren. "Anschlag auf eine Konzerthalle in Moskau. Terroranschlag gegen den Staat oder Terroranschlag des Staates?" hob die Google Suchmaschine prominent hervor.

Keine Toleranz für Verschwörungserzählung

Wie kann man in einem solchen Moment einer Verschwörungserzählung anhängen oder gar Raum geben? Sie stammt aus Kiew, wie der Sender Sky mit viel Sympathie für das ukrainische Narrativ berichtete.

Anders ausgedrückt: Offenbar hat die Saat des Russenhasses nicht jedes Herz erkalten lassen, aber bei viel zu vielen ist sie aufgegangen. Leider auch in unserem Land.

Kein Mitgefühl in Kiew

Kann man von der Ukraine wenigstens einen Moment des Mitgefühls mit den unschuldigen russischen Opfern erwarten? Offenbar nicht von denen, die aktuell das Sagen haben.

Anton Geraschenko, heute Abgeordneter der Rada, schob sofort Putin die Tragödie in die Schuhe. Der hätte das inszeniert.

Geraschenko war 2014, damals noch Mitarbeiter des Innenministers der Ukraine, der Erste, der über den Abschuss von MH 17 berichtete und sofort verkündete, wer dafür verantwortlich zeichnete: Putin. Er wusste damals angeblich sogar, was die Täter riefen, als sie das Flugzeug vom Himmel holten. Er war schon damals völlig mitleidslos mit den Opfern.

Die Kommentare aus der Ukraine

Der Berater des ukrainischen Präsidenten, Podolyak, wiederum erklärte, die Ukraine würde niemals zu terroristischen Methoden greifen und der ganze Anschlag würde von Putin nun genutzt werden, um den Krieg gegen die Ukraine zu intensivieren.

Dass Kiew niemals zu terroristischen Methoden greift, ist auch aufgrund zweier Artikel in der Washington Post und New York Times über Aktivitäten und Einschätzungen der CIA in der Ukraine widerlegt.

Aber Podolyak gibt einen guten Einblick in das Denken im Umkreis des ukrainischen Präsidenten. Dessen Denken kreist ausschließlich um die Ukraine, und es ist konspirativ.

Geheimdienste und Deep Fakes

Der ukrainische Geheimdienst wiederum erklärte, der russische Geheimdienst stecke hinter dem Anschlag. Es wäre eine Operation "unter falscher Flagge", um den Krieg gegen die Ukraine weiter anzuheizen.

Ein Video, das in einem russischen Fernsehkanal und in sozialen Medien kursiert und das suggerierte, dass der Generalsekretär des ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, Danilow, praktisch eine Täterschaft der Ukraine zugegeben hätte, wurde durch einen ukrainischen Faktencheck als "Deepfake" eingestuft. Danilow sei am betreffenden Tag nicht Gast im Sender gewesen.

Die USA wollen mehr wissen

Das Weiße Haus (Admiral Kirby) ließ sehr schnell verlautbaren, dass die USA keine Hinweise auf eine ukrainische Täterschaft hätten. Zum Zeitpunkt dieser Ehrenerklärung für die Ukraine verfügte Russland noch nicht einmal über eine klare Übersicht über den Tatverlauf und die Opferzahl. Inzwischen ist sie weiter gestiegen. Mittlerweile haben 115 Menschen ihr Leben verloren. Über hundert sind verletzt.

Es gibt ein IS-Bekennerschreiben. Aber ob es echt ist, ist unklar.

Die Verdächtigten sollen inzwischen verhaftet worden sein. Ob es sich um Tadschiken handelt, wie inzwischen auch spekuliert wird, ist ebenfalls unklar. Der Anführer spricht kein Russisch, war zu lesen.

Die Ukraine-These

Laut Berichten in sozialen Medien wurden dem Fluchtauto, mit dem die mutmaßlichen Täter zu entkommen suchten, die Reifen zerschossen, um sie lebend zu stellen. Sie sollen unterwegs in Richtung Ukraine gewesen sein, so der Moskau-Korrespondent der Welt. Der russische Geheimdienst sprach von "Kontakten in die Ukraine".

Soziale Medien meldeten ebenfalls, dass viele Russen einem Aufruf nachkamen, Blut zu spenden, um die bestmögliche Versorgung der Opfer zu gewährleisten. Man sah auf X eine sehr hohe Zahl von Krankenwagen im Einsatz. Aber die rapide hochschnellende Zahl der Opfer zeigt auch, wie unerbittlich dieser Terrorangriff war, wie oft sich ärztliche Kunst geschlagen geben musste.

Untersuchungen abwarten

Nun muss man die russischen Untersuchungsergebnisse abwarten. Die mutmaßlichen Terroristen wird, das ist sicher, die ganze Härte des Gesetzes treffen. Der russische Präsident hat von Schuldzuweisungen zunächst abgesehen. So wie andere vor ihm in vergleichbaren Augenblicken furchtbaren Terrors beschwor er die Einheit des Landes.

Der UN-Sicherheitsrat, oft genug zerstritten hat sich die (nicht nur) in Kiew zirkulierende Sichtweise, einer Operation unter "falscher Flagge" nicht zu eigen gemacht.

Er war sich bei der Verurteilung des Terrorschlags auf das Konzert in der Moskauer Region sofort einig. Das ist in der heutigen Weltlage durchaus bemerkenswert. Aber es war die einzig richtige Reaktion. Bei blindem Terror, egal wo er zuschlägt, darf es keine Toleranz geben.