Terrorismus und Transkription
Wanted: q, kh, k, g oder gh - Die verschiedenen Schreibungen nahöstlicher Namen vergällen dem FBI die Terroristenhatz
Wer fleißig Terroristen jagen will, dem ist es durchaus von Nutzen, Ihren Namen zu kennen. Was aber, wenn einem die ganze Terroristenhatz durch wechselnde Schreibungen in nicht-lateinischen Alphabeten vergällt wird?
Laut einem Wired-Artikel leidet das FBI unter den verschiedenen Schreibungen nahöstlicher Namen. In der Tat ist das Arabische eine undankbare Sprache für Terroristenjäger. Die Vokalisierung wird normalerweise nicht mitgeschrieben, und für ihre Ergänzung gibt es dann eine Reihe von Möglichkeiten (also z. B. klassisches Arabisch oder dialektales Arabisch). Heißt Mr. Most Wanted nun Osama, Usama, Ossama, Ussama - bin, ibn - Laden, Ladin ?
Nicht einmal die Wiedergabe von Konsonanten ist eindeutig. Nehmen wir den Chef von Libyen. Dessen Namen beginnt mit einem arabischen Buchstaben, der ungefähr wie die Zahl 9 aussieht und der ein emphatisches "K!!" bezeichnet. Mit demselben Buchstaben beginnt z. B. auch der Name des Golfstaates, in dem sich jetzt das amerikanische Hauptquartier befindet, oder auch das heilige Buch des Islam. Da sich das Ganze wie ein "K" spricht, haben wir also die Transskriptionen "Katar" und "Koran". Nun hat aber das Arabische auch nicht-emphatisches "K". Ist es nicht doof, wenn sich nicht mehr unterscheiden lässt, ob sich der Name mit emphatischem oder nicht-emphatischem "K" im Original schrieb?
Um die Emphase auszudrücken, wird oft "kh" geschrieben, öfter aber noch "q". So entstehen die beiden Schreibungen Qaddafi und Khaddafi. Allerdings steht unser Mann eher selten so in den Zeitungen, weitaus am häufigsten scheint G(h)addafi zu sein. Warum plötzlich "G"? Weil im libyschen Akzent das "k" als "g" gesprochen wird, er selbst seinen Namen mithin mit "g" aussprechen würde. Die Emphase bleibt aber, die durch das "h" angedeutet werden kann.
Kurzum: Der arabische "Neuner" kann mit "q", "kh", "k", "g", "gh" wiedergegeben werden, andersherum könnten einem lateinischen "g" oder "gh" ganz andere arabische Zeichen entsprechen (z. B. klingt ein "Baghdad" auf arabisch wie "Barrdad" mit betont norddeutschem "r", im Arabischen steht ein anderer Buchstabe).
Das Hauptproblem ist, dass bei Namen gemischt transliteriert (also lateinische Ersatzbuchstabenfolgen verwendet werden, aus denen sich 1:1 das original wiedergewinnen lässt, wie "q" im Beispiel) und transkribiert wird (also Verwendung von Zeichenfolgen, die ungefähr die tatsächliche Aussprache wiedergeben, wie "gh" in "Ghaddafi"). Für Ausweisdokumente wäre eine ordentliche Transliteration in jedem Fall vorzuziehen.
Der Wired-Artikel nennt mehrere Softwarefirmen, die derzeit das große Geld mit Lösungen verdienen wollen, die regellos transskribierte Namen wiedererkennen wollen. Immerhin verlangt der Patriot Act, dass Firmen ihre Kundendateien auf bekannte Terroristen überprüfen, was nur dann vernünftig geleistet werden kann, wenn alle möglichen Schreibungen abgedeckt werden.
Experten bemängeln, dass die Regierungssysteme noch nicht auf Unicode umgestellt sind (in Unicode wird jedes Zeichnen normalerweise mit 16-Bit kodiert, sodass jedem Zeichen ein Zahlencode entsprechen sollte - aufgrund asiatischer Zeichensysteme und dem Bedürfnis, bei nur-Lateinisch-Verwendern Speicherplatz zu sparen, ist die Sache in der Praxis ein bisschen komplizierter) und dass überhaupt erst jetzt dieses Problem angegangen wird: In einer multikulturellen Gesellschaft hätte man dafür schon viel früher tragfähige Lösungen finden müssen.
Immerhin können die amerikanischen Macher froh sein, dass die Terrorverdächtigen arabische Namen tragen. Um wie viel mehr Ärger gäbe es mit chinesischen Namen. Da Schriftzeichen Ideogramme ohne Lautwert sind, müsste man eine Schreibung verwenden, die einer bestimmten Aussprache entspricht, z. B. dem Pekinger Dialekt. Dann ist das Ganze aber kaum mehr sinnvoll, wenn es um die Wiedergabe eines kantonesischen Namens geht. Und welchem Wiedergabesystem soll der Vorzug gewährt werden, Pinyin (das offizielle System der VR China) oder Wade-Giles (das überall in Taiwan benutzt wird, außer in bei Taipeher Straßennamen, die Pinyin benutzen)? Nur um kurz in Peking zu bleiben: Dieselbe Stadt würde gemäß Pinyin Beijing und gemäß Wade-Giles Pei-ching transliteriert. Beides wäre kaum eine Hilfe, sich einem Chinesen gegenüber verständlich zu machen, wenn die Töne nicht angegeben sind und man nicht weiß, wie die Töne auszusprechen sind. Und ob die Leute, die die Ausweispapiere kontrollieren, wirklich verstehen, dass die kleinen Akzente (bei Pinyin) oder hochgestellten Ziffern (bei Wade-Giles) unbedingt sinnentscheidend sind?
Bei derartigen Problemen ist es in jedem Fall eine gute Idee, erst die arabische Transliteration zuverlässig zu lösen.