Tesla-Aktie: Wenn Visionen mehr zählen als Zahlen

Die Tesla, Inc, TSLA, an der New Yorker Börse (NYSE) wird auf einem Bildschirm gesehen, auf dem der Aktienkurs für das Elektrofahrzeug- und Technologieunternehmen angezeigt wird.

(Bild: The Bold Bureau / Shutterstock.com)

Tesla-Aktien legen rasant zu, obwohl Gewinne sinken. Analysten sehen Kurs von Fundamentaldaten abgekoppelt. Ist die Rallye nur Musks Erzählungen geschuldet?

Tesla-Aktien eilen von einem Hoch zum nächsten. Seit Ende Oktober schoss der Kurs um fast 80 Prozent nach oben, und die Aktien werden inzwischen mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 127 gehandelt. Zum Vergleich: Die sieben größten Tech-Unternehmen werden laut Bloomberg mit einem KGV von 31 gehandelt.

Erstaunlich ist das hohe KGV bei Tesla, da der jüngste Quartalsbericht des Elektroautobauers ein negatives Bild zeigt: Gewinne, Umsatz und Margen verfehlten die Erwartungen. Selbst die Umsatzprognose für 2025 wurde nach unten korrigiert.

Analysten ratlos: Kurs "völlig losgelöst von Fundamentaldaten"

Viele Analysten zeigen sich angesichts dieser Diskrepanz zwischen Aktienkurs und Geschäftszahlen ratlos. Ryan Brinkman von JPMorgan konstatiert laut Bloomberg, die Tesla-Aktien seien "völlig von den Fundamentaldaten abgekoppelt". Sein Kollege Dan Levy von Barclays fragt demnach sarkastisch: "Wen interessieren schon Schätzungen, wenn Tesla Ihnen eine super aufgeladene Erzählstruktur bietet".

Tatsächlich scheint derzeit hauptsächlich eine Person den Kurs zu treiben: Elon Musk. Obwohl der Tesla-Chef im Quartalsbericht kaum Konkretes zu bieten hatte, zündeten seine Visionen zu Robotaxis, humanoiden Robotern und künstlicher Intelligenz ein Kursfeuerwerk. Musk profitierte dabei auch von seiner Nähe zum neuen US-Präsidenten Donald Trump, in dessen Wahlkampf er einer der wichtigsten Geldgeber war.

Gewinnrückgang, Rabattschlacht, Subventionskürzungen – die Probleme häufen sich

Doch während die Börsianer Musks Erzählungen feiern, türmen sich die realen Probleme. Teslas Gewinne sind nicht nur hinter den Erwartungen zurückgeblieben, sondern sogar gesunken – eine Ausnahme unter den großen Tech-Konzernen. Grund ist der harte Wettbewerb, der Tesla zu hohen Rabatten zwingt. Gleichzeitig drohen Einbußen durch die Abschaffung von Elektroauto-Subventionen unter der neuen republikanischen Regierung.

Große Fragezeichen stehen auch hinter Musks Robotaxi-Plänen, die einen Großteil der Marktbewertung von 1,3 Billionen US-Dollar ausmachen. Zwar soll ab Juni in Austin ein erster Dienst mit selbstfahrenden Teslas starten. Doch der Weg zum kommerziellen Einsatz ist noch weit und voller regulatorischer Hürden. "Die einzige Einschränkung, die ich für die Technologie im nächsten Jahr sehe, ist die Regulierung", räumte Musk selbst ein.

Experten warnen vor Spekulationsblase

Für Thomas Thornton, Gründer des Hedgefonds Telemetry, ist klar: "Dies ist ein Markt, in dem die Grundlagen keine Rolle mehr spielen. Die Leute kaufen Vermögenswerte wie Fartcoin, die offensichtlich keinen inneren Wert haben." Auch Chris McNally von Evercore ISI schätzt, dass weniger als 40 Prozent von Teslas Börsenwert mit dem Kerngeschäft verbunden sind.

Selbst Tesla-Optimisten werden vorsichtiger. George Gianarikas von Canaccord Genuity, der die Aktie zum Kauf empfiehlt, zeigte sich laut Bloomberg vom Quartalsbericht enttäuscht. Und Analyst William Stein von Truist bemängelte fehlende Details zu neuen Modellen und Meilensteinen für die KI-Technologie.

Noch setzen die Anleger voll auf Musks Strahlkraft. Doch die wachsende Kluft zwischen Kursfantasie und Geschäftsrealität birgt Risiken. JPMorgan-Experte Brinkman, der schon länger zum Verkauf der Tesla-Aktie rät, könnte am Ende Recht behalten. Platzt die Spekulationsblase, dürfte es für viele Investoren ein böses Erwachen geben.