Tigermücken, Zecken und Vibrionen: Warum der Sommer krank machen kann
Mit steigenden Temperaturen kann sich hierzulande die Tigermücke stärker ausbreiten – und mit ihr zahlreiche tropische Krankheiten.
(Bild: WikiImages / Pixabay)
Energie und Klima – kompakt: Verschiedene Krankheitserreger sowie Überträger profitieren von Klimaerwärmung. Das Robert Koch-Institut warnt vor Zunahme tropischer Krankheiten.
"Mehr Hitzetote, neue und vermehrt auftretende Infektionskrankheiten, erhöhte Allergiebelastung, Zunahme von Antibiotikaresistenzen, mehr Lungenerkrankungen als Folge zunehmender Feinstaubbelastung, mehr Hautkrebs durch erhöhte Strahlung – das sind einige der negativen Folgen des Klimawandels für die Gesundheit der Bevölkerung", teilte das Robert Koch-Institut (RKI) vergangene Woche mit.
Das Institut ist federführend beim Sachstandsbericht "Klimawandel und Gesundheit", dessen erster Teil soeben erschienen ist. Zum letzten Mal hatte sich das RKI im Jahr 2010 mit den Gesundheitsfolgen des Klimawandels in Deutschland beschäftigt.
Der erste Teil beschäftigt sich ausschließlich mit Infektionskrankheiten. Denn nicht nur der menschliche Organismus reagiert mitunter empfindlich auf ein höheres Temperaturniveau, auch viele Krankheitserreger sind "klimasensitiv". Eine Vielzahl fühlt sich bei steigendem Temperaturniveau dabei wohler, und auch bislang nur in tropischen und subtropischen Regionen vorkommende Erreger könnten Fuß fassen.
"Im Vordergrund stehen natürlich die Erreger, die über Vektoren übertragen werden, also über Zecken oder Stechmücken", erklärt der Ko-Autor des Berichts und Leiter des Fachgebiets Gastroenterologische Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen am RKI, Klaus Stark.
Mit der Tigermücke können sich auch tropische Krankheiten verbreiten
Als Beispiel nennt er die weitere Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke, die etwa das West-Nil-Virus in Gebieten von Ostdeutschland überträgt.
Die Mücke ist aber ebenfalls ein potenzieller Überträger von Dengue, Zika oder Chikungunya. Doch dafür müssten sie zunächst einen Menschen stechen, der das entsprechende Virus auch im Blut hat, was hierzulande noch sehr selten vorkommen sollte. Dennoch wächst das Risiko mit der Verbreitung der Tigermücken.
Weitere gefährliche Krankheitsüberträger sind Zecken, die zum einen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) im Gepäck haben können und zum anderen die Lyme-Borreliose. Die FSME-Risikogebiete breiten sich momentan immer weiter nach Norden aus, nach Angaben des RKI ist beispielsweise inzwischen fast das gesamte Bundesland Sachsen betroffen.
In Bezug auf FSME und Borreliose sei es wichtig, die Bevölkerung gut zu informieren, so Stark. FSME kann mit einer Schutzimpfung vorgebeugt werden, bei der Borreliose ist eine frühzeitige Behandlung mit Antibiotika angezeigt. Am besten ist es allerdings, sich möglichst ganz vor Zeckenstichen zu schützen. Beobachtet werden sollten neue Zeckenarten, die bislang nicht in Deutschland vorkamen, aber mittlerweile vereinzelt gefunden werden.
Vibrionen verbreiten sich in Nord- und Ostsee
Doch nicht nur krankheitsübertragende Mücken und Zecken können sich in einem wärmeren Klima besser ausbreiten, auch andere Erreger finden damit bessere Bedingungen. Eine wachsende Gefahr stellen auch Vibrionen dar. Das sind Bakterien, die in salzhaltigem Wasser leben und natürlicherweise in Nord- und Ostsee vorkommen.
Auch die Cholera gehört zur Gattung der Vibrionen, für Deutschland warnt das RKI aber vor allem, dass sich Nicht-Cholera-Vibrionen stärker vermehren könnten. Die Bakterien können, wenn sie durch Wunden – die manchmal von den Betroffenen gar nicht bemerkt waren – in die Haut eindringen und schwere Wundinfektionen auslösen.
Bei immungeschwächten Personen könne es zu Blutvergiftungen bis zu Todesfällen kommen, erläutert Stark. In warmen Sommern der letzten 20 Jahre wurden dem RKI bis zu 20 Vibrioneninfektionen pro Jahr gemeldet.
"Nicht-Cholera-Vibrionen vermehren sich vor allem bei einem Salzgehalt von 0,5-2,5% und ab einer Temperatur von über 20 °C stark. Diese Bedingungen sind in warmen Sommern auch an Teilen der deutschen Nord- und Ostseeküste gegeben", informiert das RKI. Die Tage, an denen diese Bedingungen herrschen, werden mit der Klimaerwärmung zunehmen. Wie stark das die Zahl der Vibrioneninfektionen verändern wird, dazu wagt man jedoch derzeit noch keine Prognose.
Verbesserte Bedingungen finden auch Rötelmäuse, die ein potenzieller Zwischenwirt für das Hantavirus sind. Die Mäuse selbst erkranken nicht, scheiden die Viren aber über Kot und Urin aus. Die Viren können selbst in den getrockneten Ausscheidungen noch wochenlang überleben, Menschen stecken sich an, wenn sie Stäube dieser Ausscheidungen einatmen.
Rötelmäuse kommen vor allem auf der Schwäbischen Alb, in Bayern und im Bayerischen Wald vor, aber auch in einzelnen Gebieten Nord- und Mitteldeutschlands. In einzelnen Jahren hat es laut RKI in der Vergangenheit bereits bis zu 3.000 Ansteckungen mit dem Hantavirus gegeben.
Klimawandel begünstigt Antibiotikaresistenzen
Die Klimaerwärmung birgt zudem das Potenzial, Antibiotikaresistenzen zu verstärken, wie Marina Treskova, Wissenschaftlerin am Climate-Sensitive Infectious Diseases lab der Universität Heidelberg erläutert:
Antibiotikaresistenzen von Bakterien verbreiten sich nicht nur in Menschen und in Tieren, sondern auch in der Umwelt. Zum Beispiel in verschiedenen Gewässern und in Abwasseranlagen. Die Bakterien brauchen bestimmte Bedingungen, und die Erwärmung von Wasser oder die Temperatur des Oberflächenwassers schafft ihnen gute Möglichkeiten.
Zusätzlich gute Verbreitungsbedingungen finden die Bakterien durch immer mehr Plastikpartikel in der Umwelt. Auf diesen können die Krankheitserreger über größere Strecken reisen und sich so auch in neuen Gebieten heimisch werden.
Zudem bestehe bei starken Niederschlägen die Gefahr, dass Abwasserkanäle überflutet werden und damit Menschen und Tiere in Kontakt zu ungereinigten Abwässern und den darin enthaltenen Bakterien kommen, warnt Treskova.
Woran noch geforscht werden muss
Die Autoren des RKI-Berichts plädieren zunächst für ein besseres Monitoring neuer, klimabedingter Infektionsrisiken und sehen einen hohen Forschungsbedarf in diesem Bereich. Co-Autor Klaus Stark sieht hier nicht nur Mediziner gefordert:
Man muss das Thema der klimasensitiven Infektionserreger stärker im Fokus haben. Das betrifft die gesamte Gesellschaft. Das betrifft jeden Bürger und jede Bürgerin, das betrifft die Ärzteschaft, das betrifft aber insbesondere auch zuständige Behörden und Institute, die entsprechende Maßnahmen ergreifen können.
Der zweite Teil des Sachstandsberichts wird sich mit nicht-übertragbaren, klimabedingten Erkrankungen und Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit beschäftigen und soll im September erscheinen.