Tödliche Ehre: Wenn Männer Frauen ermorden

Seite 2: 2. Die meisten Täter in Deutschland stammen aus islamischen Ländern

Gewalt gegen Frauen sei "keine Frage der Herkunft", sagte Berlins Sozial- und Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke). Zumindest in Bezug auf "Ehrenmorde" in Deutschland liegt sie damit falsch.

Denn fast alle Taten in Deutschland gehen auf das Konto von Migranten aus islamischen Ländern. Zu diesem Ergebnis kamen im Jahr 2011 der Soziologe Dietrich Oberwittler und die Rechtswissenschaftlerin Julia Kasselt.

Im Auftrag des Bundeskriminalamtes (BKA) durchsuchten die beiden tausende Prozessakten und Agenturmeldungen zum Thema. Das Ergebnis der bisher einzigen quantitativen Studie zu "Ehrenmorden" in Deutschland:

78 versuchte oder vollendete Tötungsdelikte im Zeitraum von 1996 bis 2005.

Fast alle Täter wurden außerhalb Deutschlands geboren (92 Prozent), die meisten von ihnen in der Türkei (63 Prozent), gefolgt von arabischen Ländern (14 Prozent).

Einen deutschen Täter ohne Migrationshintergrund fanden Oberwittler und Kasselt nur in einem einzigen Fall: der deutsche Auftragskiller war von einer jesidischen Familie engagiert worden.

3. Ehrenmorde sind kein islamisches Phänomen

Haben also doch Islamkritiker wie Ahmad Mansour recht, die im islamischen Glauben der Täter einer Ursache für "Ehrenmorde" sehen? Nein.

Menschenrechtsorganisationen sind sich einig, dass die Taten nichts mit dem Islam zu tun haben. Die Praxis gehe "über Kulturen und Religionen hinweg", erklärte einmal die frühere Human-Rights-Watch-Direktorin Widney Brown.

Selbst die sonst eher islamkritisch eingestellte Frauenrechtsorganisation Terre de Femmes resümiert in einer Untersuchung zum Thema: "Verbrechen im Namen der Ehre sind kein explizit religiöses Phänomen."

Dies bestätigen auch Zahlen der Vereinten Nationen. Deren Weltbevölkerungsberichts geht von 5.000 Menschen aus, die jährlich weltweit "Ehrenmorden" zum Opfer fallen. Viele werden in überwiegend islamischen Ländern wie Türkei und Jordanien begangen.

Aber auch in Süd- und Lateinamerika sowie in Indien sind Ehrenmorde weit verbreitet. Innerhalb der islamischen Welt zeigen sich indes große Unterschiede: Während "Ehrenmorde" in Pakistan an der Tagesordnung sind, sind sie in Indonesien, Bangladesch und dem Senegal praktisch unbekannt.

Islamische Theologen verweisen darauf, dass sich im islamischen Recht keinerlei Bestimmungen finden lassen, die solche Taten billigen. Jordaniens berüchtigter "Ehrenmordartikel" 340 beispielsweise, der bis ins Jahr 2001 die Tötung von Ehebrecherinnen und deren Liebhabern legitimierte, hat seine Wurzeln nicht etwa in der islamischen Scharia, sondern in einem fast identischen Artikel aus Frankreichs Code Napoléon.

4. Gewalt im Namen der familiären Ehre entsteht dort, wo staatliche Gewalt fehlt

Bleibt die Frage: Warum sind es dann hierzulande doch immer wieder muslimische Täter, die mit Verweis auf die "familiäre Ehre" ihre Schwestern, Frauen oder Töchter ermorden? Mit dieser Frage hat sich die Soziologin Ayfer Yazgan beschäftigt.

In ihrer Untersuchung "Mord ohne Ehre" schreibt sie: "Ehrenmorde in westlichen Großstädten, meist begangen von Personen mit Migrationshintergrund, erregen öffentliches Aufsehen. Die Wurzeln dieser Taten aber liegen in ländlichen Gegenden mit einer eher archaisch-patriarchalen Sozialstruktur."

Ähnlich sieht es auch Werner Schiffauer. Der Kulturwissenschaftler forscht seit den 80er-Jahren zum Thema. In seinem Buch Die Gewalt der Ehre schreibt er, in welchen Regionen ehrbezogene Gewalttaten besonders verbreitet sind: ländlichen Gebiete mit bäuerlichen Gesellschaften und patriachalischer Sozialstruktur, fernab jeglicher staatlichen Kontrolle.

Das Fehlen staatlicher Gewalt, so Schiffauer, würde es mit sich bringen, dass Familien das "Recht" in die eigene Hand nehmen. Deren wichtigsten soziales, ökonomisches und politisches Kapitel - die "Ehre" - gelte es mit allen Mittel zu sichern.

"Der Begriff der Ehre impliziert eine Grenze zwischen den Angehörigen der eigenen Gruppe, der Familie und der übrigen Gesellschaft. (…) Jeder, der, gleichgültig aus welchem Grund, diese Grenze verletzt, hat mit Vergeltung zu rechnen", schreibt Schiffauer.

5. Für die meisten Muslime sind "Ehrenmorde" genauso unvorstellbar wie für den Rest der Bevölkerung

Auch die Täter in Deutschland stammen überwiegend aus solchen Regionen. Unter "Muslimen", die nicht in Ost-Anatolien oder abgelegenen Gegenden Afghanistans, sondern in Istanbul oder Damaskus sozialisiert wurden, ist das Phänomen fast unbekannt.

Das bestätigt auch die Untersuchung von Kasselt und Oberwittler. Unter Migranten der zweiten oder dritten Generation ist das Phänomen gewissermaßen unbekannt. Auch die beiden mutmaßlichen Mörder der Berlinerin Maryam H. sollen erst vor wenigen Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen sein.

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