Tornado-Nachfolge: Teuer und gefährlich für uns alle

Bild F35-A: US Department of Defense

Kanzler Scholz hat in seiner Rede zum Ukraine-Krieg in einem Halbsatz am Ende eine folgenschwere und wohl eigenmächtige Entscheidung verkündet

Anfang des Jahres hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht )SPD) entschieden, die bisherige Festlegung ihres Hauses auf die F-18 von Boeing als Nachfolger der alternden Tornado-Flotte noch einmal zu prüfen. Als dann Kanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung vom 27. Februar 2022 in einem Halbsatz am Ende seine Präferenz für eine Mischlösung aus F-35 und Eurofightern kundtat, war faktisch die Entscheidung bereits gefallen, die vorgestern dann auch offiziell verkündet wurde.

Die frühere Festlegung kam nicht von ungefähr, war sie doch diversen vor allem finanziellen Sachzwängen geschuldet, die nun mit der beschlossenen Rüstungs-Finanzspritze von 100 Mrd. Euro entfallen sind. Hierdurch wurde der Weg für eine teure Maximallösung frei, die die Interessen nahezu jeder Partei bedient.

Kostenexplosion und Handlungsbedarf

Neben etwa 140 Eurofightern nennt die Bundeswehr auch rund 90 Tornado-Kampfflugzeuge ihr Eigen, deren Produktionsbeginn bis in die 1970er zurückreicht. Über die Jahre wurden die Tornados aber immer wartungsanfälliger und verursachten zunehmende Kosten. So meldete die Deutsche Welle bereits im Januar 2020:

Aus einem vertraulichen Dokument des Verteidigungsministeriums geht hervor, dass sich die Wartungskosten für das Jahr 2019 voraussichtlich auf mehr als 600 Millionen Euro belaufen. […] Ein Grund für die lange Wartungsdauer ist, dass Ersatzteile für die betagten Maschinen fehlen. Manche müssen eigens angefertigt werden. Oder aber die Airbus-Mitarbeiter greifen zu einem Trick: Aus den neu ankommenden Flugzeugen werden Teile ausgebaut und in diejenigen Tornados eingebaut, die das Werk bald wieder über die angeschlossene Start- und Landebahn verlassen – die Teile rotieren also.

Dass die Tornados ersetzt werden müssen (siehe auch: Berlin: Atomwaffen-Jet im Hauruck-Verfahren vor der Bundestagswahl?), darüber herrscht in Bundeswehrkreisen deshalb schon lange Einigkeit. Ein Teil von ihnen ist allerdings für die Nukleare Teilhabe vorgesehen, also dafür, im Ernstfall in Deutschland (Büchel) lagernde US-Atombomben ins Ziel zu fliegen.

Für diese Aufgabe müssen die Flugzeuge von den USA zertifiziert werden, weshalb man in der Wahl des Tornado-Nachfolgers nicht völlig frei ist, sondern zumindest für einen Teil der Flotte das Plazet aus Washington benötigt, sollte man sich für eine Beibehaltung der viele Jahre lang heftig umstrittenen Teilhabe entscheiden. Und genau hierfür hatte sich die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag im November 2021 recht unmissverständlich ausgesprochen:

Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen. Den Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten.

Festlegung

Die teils heftigen Streitereien um die Tornado-Nachfolge zogen sich mehrere Jahre hin. Aus Sicht der Luftwaffe stellte die F-35 als modernstes zur Verfügung stehendes Tarnkappen-Kampfflugzeug die Ideallösung dar, weshalb sich der damalige Luftwaffenchef Karl Müllner bereits Ende 2017 mit seinen Präferenzen in die Debatte einmischte:

Die Luftwaffe erwägt, die Fähigkeiten der F-35 als Richtschnur für den Auswahlprozess des Tornado-Nachfolgers zu verwenden […]. Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt, welches Flugzeug der Favorit der Luftwaffe wäre.

Die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte aber augenscheinlich eine ganz andere Lösung im Kopf, weshalb Müllner für seinen Vorstoß den Hut nehmen musste. Denn vor allem Frankreich sah in einer deutschen Anschaffung der hochmodernen F-35 eine ernste Bedrohung für den geplanten gemeinsamen Bau eines eigenen Luftkampfsystems.

Dabei handelt es sich um das "Future Combat Air System" (FCAS) mit geschätzten Entwicklungskosten zwischen 80 und 100 Mrd. Euro, die, so die Befürchtung in Paris, umso schwerer aufzutreiben sein würden, sollte Deutschland bereits über moderne Kampfflugzeuge verfügen.

Airbus und der in der SPD nicht unwichtige Airbus Betriebsrat bevorzugten eine reine Eurofighter-Lösung, um die entsprechenden industriellen Kapazitäten in Deutschland zu stärken (und natürlich die daraus resultierenden Gewinne zu realisieren). Das war aber wiederum mit den USA nicht zu machen, die recht unverblümt signalisierten, sie würden nicht den Eurofighter, sondern nur ein "einheimisches" Flugzeug für die Nukleare Teilhabe zertifizieren.

Vor diesem Hintergrund informierte das Verteidigungsministerium am 21. April 2020, es präferiere die Anschaffung von 38 Eurofightern (Tranche 4) als Ersatz für die Eurofighter der ersten Generation (Tranche 1) sowie 40 weiteren Eurofightern, die den Tornado als Jagdbomber ersetzen sollen (hinzu kam noch eine Option auf 15 weitere Eurofighter zur elektronischen Kampfführung).

Lockheed Martin F-35 Lightning II (8 Bilder)

F-35A mit offenen Waffenschächten. Bild: U.S. Air Force

Zusätzlich dazu sollten insgesamt 45 der älteren F-18 von Boeing angeschafft werden. Davon waren 30 für die Nukleare Teilhabe (Version Super Hornet) und 15 für die Elektronische Kampfführung, also dem Stören und Bekämpfen gegnerischer Luftabwehrstellungen (Version Growler), vorgesehen.

Vor der Bundestagswahl ging nur noch die Tranche 1 im Bundestag durch:

Die Deutsche Luftwaffe wird in den nächsten Jahren 38 neue Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter erhalten. Nachdem der Verteidigungsausschuss am 4. November 2020 "grünes Licht" gegeben hatte, stimmte auch der Haushaltsauschuss in seiner Sitzung am 5. November der Beschaffung der Eurofighter der neusten Generation – Tranche 4 – zu. Die Auslieferung der Flugzeuge soll ab 2025 beginnen und 2030 abgeschlossen sein.

Bislang hat die europäische Luftfahrtindustrie insgesamt 140 Maschinen der Tranchen 1, 2 und 3 an den deutschen Kunden ausgeliefert. Mit der Zustimmung zu dem Quadriga-Vertrag, der ein Volumen von rund 5,5 Mrd. Euro umfasst, ist die Beschaffung gesichert.

wehrtechnik.info, 12.2.2022