Tourismus: Schlechtes Klima für Kreuzfahrschiffe

Bild: Smash Cruiseshit

In Rostock haben Aktivisten die Abfahrt der "AidaDiva" blockiert. Wegen ihrer schlechten Klima- und Umweltbilanz. Bewirken solche Aktionen einen Bewusstseinswandel?

"Totale Entspannung, all inclusive, von Kiel bis nach Genua" lautet der Werbespruch des Unternehmens. Doch für die Passagiere des Kreuzfahrschiffs AidaDiva gab es gleich am Start eine unvorhergesehene Unterbrechung. Am Samstag hinderten sie im Rostocker Hafen rund 20 Aktivisten der Klimagerechtigkeitsbewegung zwei Stunden am Auslaufen. Nicht nur in Paddelbooten auf dem Wasser, sondern auch mit Flugblättern am Hafen und einer Kletter-Aktion am Pier forderten sie das sofortige Ende der Kreuzfahrtindustrie.

"Kreuzfahrten sind eine Umweltsünde all-inclusive: Abgase, Abwasser und Ausbeutung. Das alles sind Folgen der exklusiven Erholung an Bord, heißt es in einer Pressemitteilung. der Gruppe Smash Cruiseshit.

Gibt es keine unfreundliche Kreuzfahrten?

Hervorgehoben wird die schlechte Klimabilanz von Kreuzfahrtschiffen. Die Aktivisten verweisen, darauf, dass die schwimmenden Touristenburgen mit Schweröl oder Schiffsdiesel betrieben werden. Bei der Verbrennung würden nicht nur große Mengen an CO2 ausgestoßen, sondern auch Stickoxide und Feinstaub, die tödliche Atemwegserkrankungen auslösen können.

Auch verschiedene andere Folgen der Emissionen eines Kreuzfahrschiffes werden da beschrieben. Die Aussage der Klimagerechtigkeitsbewegung "Es gibt keine umweltfreundlichen Kreuzfahrten" hat Robin Krämer, der Sprecher von Smashe Cruiseshit im Gespräch mit Telepolis noch einmal bekräftigt.

Damit widerspricht er einer Stellungnahme der Kreuzfahrtunternehmens Aida, das auf der Homepage auch auf Nachhaltigkeit verweist. "Aida beteuert, bis 2050 klimaneutral werden zu wollen. Erstens ist es aussichtslos. Alles, woran gerade geforscht wird, ist weit davon entfernt, klimaneutral zu sein. Zweitens ist 2050 zu spät. Wir sind jetzt in der Klimakatastrophe. Wer weiterhin Kreuzfahrten anbietet, gefährdet mutwillig Menschenleben", betont Robin Krämer.

"Wir brauchen Reduktion, nicht Innovation." Dafür sei ein Systemwechsel nötig, sagt er. Der Aktivist stellt gegenüber Telepolis aber klar, dass er keineswegs den Menschen ihren Urlaub nehmen wolle, nur Kreuzfahrten können es wegen der schlechten Umweltbilanz eben nicht mehr sein.

Kein Flugzeug – keine Kreuzfahrt – welche Alternativen gibt es?

Ähnlich schlecht ist die Klimabilanz jedoch beim Fliegen. Und beginnt ein Problem für die Klimagerechtigkeitsbewegung: Wie kann die sachlich richtige Kritik an diesen Formen des ressourcenaufwendigen Reisens den Betroffenen vermittelt werden, ohne dass bei ihnen ankommt, hier Klimaaktivisten wollten ihnen Fernreisen ganz verbieten?

Denn tatsächlich werden Kreuzfahrten, anders als Reisen auf Luxusjachten, durchaus auch von Menschen mit begrenztem Einkommensbudget unternommen. Das gilt seit einigen Jahren auch für Fernflüge. Nun gehörte zu den Zielen von Organisationen wie den Naturfreunden das Recht auf Mobilität – auch für Menschen mit geringen Einkommen.

Gibt es da nicht einen Widerspruch zur Klimagerechtigkeitsbewegung, die gegen Flüge und Kreuzfahrten auftritt? Sicherlich, doch darüber kann diskutiert werden. Im Namen der Organisation Naturfreunde wird ein Widerspruch deutlich, der schon länger thematisiert wird. Der fossile Massentourismus trägt zur Zerstörung der Orte bei, die eigentlich gerade deshalb ausgesucht wurden, weil Menschen sich von ihnen besondere Naturerlebnisse versprechen.

Kritik der Bedürfnisse?

Nun gibt es schon lange eine geschmäcklerische Kritik an Kreuzfahrtpassagieren, die sich angeblich ihre kleine spießige Welt auch noch mit in den Urlaub nehmen. Die Kritik kommt aber teilweise von Menschen, die sich teure Individualreisen leisten könnten und hatte daher immer auch einen elitären Charakter. Das kann man bei den Klimaaktivisten nicht vorwerfen.

Kritisieren muss man allerdings, wenn sie den Begriff Reduktion hier als Ziel benennen. Gäbe es nicht aus Klimagesichtspunkten bei den großen Konzernen viel mehr zu reduzieren? Und hätte ein Verzicht auf das derzeit laufende Luftwaffenmanöver "Air Defender 2023" für das Klima viel mehr gebracht als der Verzicht auf Kreuzfahrten? Hätte sich da nicht eine gemeinsame Aktion von Klimagerechtigkeits- und Antimilitarismus-Bewegung angeboten?

Denn weder Manöver noch Kriege können klimaneutral geführt werden. Doch das macht Aktionen gegen Kreuzfahrschiffe nicht falsch. Positiv ist, dass die Blockade des Kreuzfahrschiffes auch wieder Anlass sein könnte, eine "Kritik der Bedürfnisse" zu üben. Denn: Es sind auch und vor allem gesellschaftliche Verhältnisse, die Menschen veranlassen, viel Geld für Flüge und Kreuzfahrten auszugeben.

Die Frage ist nur, ob eine solche Aktion auch Menschen veranlassen, über solche Bedürfnisse nachzudenken – selbst wenn sie im ersten Augenblick auf die Blockade mit Unverständnis und Ärger reagieren.

Tatsächlich aber können solche kurzfristigen Unterbrechungen der Routine mehr zu Diskussionen anregen als lange analytische oder agitatorische Texte, die erst einmal von vielen gar nicht wahrgenommen werden. Daher wäre es sinnvoll, wenn die Klimaaktivisten auch weiter an der Öffentlichkeit blieben mit ihrer Praxis – aber flankiert von theoretischen Beiträgen, mit denen man sich kritisch auseinandersetzen kann und sollte. Auch wenn man das Ziel im Grundsatz teilt.

Für ein gutes Leben ohne Kreuzfahrschiffe

So wenden sich die Autoren des Buches "Shut down" mit guten Argumenten gegen eine in großen Teilen der Umweltbewegung virulente abstrakte Konsumkritik und Verzichtsideologie.

Leider ist nicht nur im herrschenden Diskurs, sondern auch unter manchen, die auf der Suche nach Wegen aus dem Kapitalismus sind, die Auffassung verbreitet, wir alle leben über unsere Verhältnisse. Doch wer Verzicht predigt, sieht die Wirklichkeit schon durch die Brille der spezifischen abstrakten Reichtumsformen


Lothar Galow-Bergemann und Ernst Lohoff Shut down, S. 199

Die Mehrheit der Menschen lebt nicht über ihren Verhältnissen, sondern unter ihren Möglichkeiten. Es gehe nicht um Verzicht, sondern vielmehr darum, endlich mit dem Verzichten auf ein gutes Leben aufzuhören, propagieren die Autoren. Da ließe sich gut diskutieren, ob Kreuzfahrten etwas mit einem guten Leben zu tun haben, oder es nicht gerade verhindern – wegen ihrer Umweltbilanz, aber auch wegen der Form des Massentourismus, für die ein Inbegriff sind.