Trachten und Prügel

Brechattacke auf antikem Holzfußboden

SoulCalibur V für die PlayStation 3 und die Xbox 360

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Das aus dem Spiel Soul Edge hervorgegangene Franchise SoulCalibur und mit ihm das Entwicklerteam Project Soul aus dem Hause Namco Bandai veröffentlicht dieser Tage den fünften Teil ihres fighting games - SoulCalibur V.

Ezio Auditore gibt Rückendeckung

SoulCalibur ist eine feste Größe im Genre des virtuellen Prügelspiels, seit der vom Project Soul entwickelte 8-Way-Run 1999 eine funktionell revolutionäre und beispiellose Neuerung markierte. Dieser bot erstmals die Möglichkeit, über die im 2D-Spiel, dem sogenannten Side-Scroller, nur marginal zur Verfügung stehenden, seitlichen Ausfallschritte hinauszugehen und sich die ganze Tiefe und Räumlichkeit der Kampf-Arena zu eigen zu machen - eine Innovation, die die Bewegungsfreiheit und damit die Taktik und Vorgehensweise des Spielers drastisch veränderte. SoulCalibur basiert auf einer Art Nahkampf als Stein-Papier-Schere-Prinzip, welches hierbei für eine vom jeweiligen Spieler gewählte Abfolge aus horizontalen und vertikalen Angriffen, Tritten sowie Griff- und Wurftechniken steht, deren jeweilige Ausführung abhängig von der Tastenkombination in gelungen Angriffsparaden, Verteidigungsblocks oder ins Leere münden kann.

Angesiedelt in den Anfängen eines fiktiven und bonbonfarbenen 17. Jahrhundert, spielt SoulCalibur V in einem mittelalterlich anmutenden Ambiente, bevölkert von melodramatischen Gestalten, deren Agenda um die stark abgewandelte Geschichte des Schwertes Caliburn aus der Artus-Sage, hier aufgeteilt in die zwei magischen Schwerte SoulCalibur und Soul Edge, kreist und um die herum sich ein unaufhörliches Gekloppe entspinnt. Dieses setzt sich zusammen aus einer wilden Mischung orientalischer und okzidentalischer Kampfstile, einem wunderlichen Repertoire aus Hieb- und Stichwaffen sowie einem irgend bunt fabulierten Allerlei aus Mixed Martial Arts, Wrestling, Fähigkeiten absonderlicher Fabelwesen und anderen märchenhaften Grundfertigkeiten.

Die jeweiligen Repräsentanten paaren sich dann zu entweder im Einzel- oder Mehrspielermodus ausfechtbaren Comic-Duellanten. Was die Einzelspieler-Plot-Ephemere, Geschichte wäre zu viel gesagt, ausmacht, so ist sie in nicht mehr als drei Stunden bewältigt und inhaltlich, was die Zwischensequenzen oder zuhauf eingestreuten Storyboards betrifft, ein einziger Quatsch. Kolportagenhaft sowie seltsam gehetzt und ungelenk wirkend, eröffnet sie ein schnell vergessenes Flickwerk aus Residuen der vorangegangen Teile. Fanfictionfürchterlich. So agil die Kämpfer sein mögen, im Umweg über die Vermittlung einer Narration stolpert SoulCalibur V schon über die erste Bodenwelle und erhebt sich nicht mehr.

Doch würde vielleicht nur diesbezüglich jemand Kritik erheben, der auch Pac-Man vorwirft, keine erzählerischen Höhepunkte zu haben. Oder könnte man doch von einem strikt am Nahkampf orientierten Spiel, in dem nur Fäuste sprechen, eine elaborierte Geschichte erwarten? Selbst von den in dieser Hinsicht größer angelegten Produkten, kann und wird Literarizität in Video-Spielen buchstäblich nicht erreicht werden - so mag denn die an den Haaren herbeigezogene Geschichte eher als anfängliches Ornament denn als Hauptaugenmerk des Spieles dienen. Als Werkzeugkasten bzw. Tutorial erfüllt sie dennoch ihren Zweck.

Das Drama nimmt seinen Lauf

Ist das Dramolett einer die Generationen von SoulCalibur-Charakteren zusammenführenden Seifenoper vollbracht, bleibt, wie im Porno, nur mehr der eigentliche Akt. Alle weiteren Spielmodi schreiten demnach auch ohne Umweg eiligst zur, von der USK freilich ab 16 Jahren freigegebenen Tat. Denn obwohl sich die Protagonisten während ihrer Zweikämpfe unverdrossen mit Knüppeln, Dolchen, Schwertern, Äxten und Hämmern bearbeiten und sogar der eine oder andere Armbrust- oder Pistolenschuss einschlägt, reduziert sich die Gewalt insgesamt auf visualisierte Einschlagsblitze oder bunte Knalleffekte. So können also trotz virtuell erlittener Doppeldurchbohrungen und vertikaler Aufspießungen Kämpfe immer noch zu eigenen Gunsten entschieden werden. Realität und mörderische Kombattanten sind bei SoulCalibur anderswo.

Zum großen Spektakel tragen auch die neu eingeführten und zu einem nicht unwesentlichen Teil aus anderen fighting games adaptierten Power-Moves bei, hier eingedeutscht Kritische oder Kühne Klinge genannt, die mit etwas Übung relativ leicht ausgeführt werden können, welches im vorangegangenen Teil von SoulCalibur noch der Chance eines Lottogewinns gleichkam. Dieser Show-Off kann, mit dem dafür benötigten und im oberen Teil des Bildschirms angezeigten und über die Kampfzeit durch ausgeteilte wie auch eingesteckte Treffer sich aufladenden Füllhorn, in die verabfolgten Schläge eingebunden werden, um eine vom gewählten Charakter individuell abhängige Sequenz beeindruckender und protziger Prügel zu entfesseln.

Kampfengel unter schönem Schlachtenhimmel

Da SoulCaliburs originäres Ensemble sich bisher nicht im kulturelle Gedächtnis des Pop-Mainstreams verankert hat - Mitsurugi wer? - finden auch hier die seit dem zweiten Teil ins Spiel eingebundenen Gastauftritte importierter Charaktere, inspiriert von den Crossovers der Superhelden-Comics, ihre Fortsetzung. Fügten sich die für die Xbox im zweiten Teil integrierten und von Todd McFarlane kreierten Spawn und Necrid durch ihren Comic-Bezug noch ziemlich stimmig ins Gesamtbild ein, ebenso wie Link aus Legend of Zelda (GameCube) und Heihachi Mishima aus Tekken (PlayStation 2), so wirkten die im vierten Teil geladenen Sternenkrieger Darth Vader, Yoda und der sogenannte "Schüler" bzw. The Apprentice, doch reichlich fehlgebeamt und standen in unreinem Bezug zur Aufstellung aller anderen Antagonisten.

Ezio Auditore aus dem Hause Ubisoft dagegen fügt sich nun wieder harmonisch ins Gesamtbild der Serie ein. Sein Charakter spielt sich hervorragend und repliziert sogar einige aus seiner eigenen Geschichte bekannte meuchelmörderische Choreographien, bleibt also trotz des Genrewechsels seinem Image treu. Auffällig dabei ist, dass Ezio sich in seiner eigenen Serie ebenfalls von Spiel zu Spiel durch größere Fokussierung auf ein immer ausgefeilteres Kampfsystem dem Brawler per se angenähert hat.

So binden immer mehr Veröffentlichungen Elemente einer "cinematischen" Zweikampfmechanik in das Gesamtkonzept eines Action-Adventures ein. Das lässt sich an Spielen wie eben Assassin’s Creed, Batman - Arkham City oder Uncharted unzweifelhaft ausmachen.

Ezio - formschön, linientreu

Was die Optik von SoulCalibur V betrifft - angefangen beim übersichtlichen, klar und formschön gestalteten Menü bis hin zu inspirierten, detaillierten und ebenfalls in 3D animierten Kampfarenen - so glänzt das Spiel. Die Charaktere sind bis zur Rüstungsscharte und Gesichtsnarbe gestochen scharf und fein visualisiert. Besondere Erwähnung gebührt hier dem Charakter-Editor, der möglichen ‚Erstellung’ eigener Kämpfer und Kämpferinnen.

Diese absurd süchtig machende Anpassung einer virtuellen Figur an eigene Maßgaben, in geringerem Umfang ja bereits aus dem Xbox-Online-Geschehen bekannt, zieht in SoulCalibur V alle Register. Durch eine große Zahl vorgegebener sowie im Laufe des On- und Offlinespiels freispielbarer Ausrüstungsgegenstände und Accessoires sowie der Kombination vielseitiger und variabel zu gestaltender Körperbemalungen, Kleidungsmuster und Aufkleber, besteht die Möglichkeit, bis zu 50 Charaktere von Grund auf aufzumotzen, um sich in voller Geschlechtsreife doch noch einmal seinem inneren Big Jim oder seiner inneren Barbie zu stellen. Diese Option verleiht dem Spiel eine ungemein persönliche Note, und es dürfte wohl jedem schwer fallen, der Versuchung zu widerstehen, seinen eigenen Hybrid in großartiger Lächerlichkeit oder vermeintlicher Mächtigkeit zu kostümieren und ihn in jeder der Spielmodi, außerhalb der Story-Kampagne, zu verwenden. Gleichfalls kann ein Schnappschuss des selbst geschöpften Charakters als eine Art Visitenkarte für die SoulCalibur Gemeinde herhalten. Das visuelle Erscheinungsbild der Charaktere, obwohl von der Spiel-Engine auf die vorgegebenen Kampfstile der Charaktere beschränkt, lässt sich zu äußerst kreativen und originellen Figuren verwandeln, der Komposition der unumgänglich sexuell aufgeladenen inklusive.

Alles hat ein Ende - auch die Brustvergrößerung

Neben der Geschichte und dem Charakter-Editor gibt es natürlich noch andere Modi, darunter den Schnellkampf als eine Art Pseudo-Online-Mode, in dem man gegen virtuelle und vom Spiel selbst konfus zusammengebastelte Charaktere antreten kann; den Arcade Mode, in dem es sechs im Schwierigkeitsgrad ansteigende Gegner zu besiegen gilt und den Legendäre Seelen Mode, ein Modus, der die KI von Beginn an zur irrsinnigsten Höchstform auflaufen lässt; wahrscheinlich für Veteranen der Serie und nicht für den Verfasser des Artikels gedacht. Hat man sich mit einem oder sogar mehreren Spielfiguren und ihrer Spielmechanik vertraut gemacht, kann man zur Quintessenz von SoulCalibur übergehen - dem Multiplayer-Mode. Der Einzelspieler kann demgemäß als ein Bootcamp fürs Online-Spiel betrachtet werden, das zugegebenermaßen wohl der Kern und Fokus der Serie und der von Kampfspielen überhaupt ist. Die Langlebigkeit eines Titels in diesem Genre hängt zum größten Teil davon ab, wie gut sein Multiplayer funktioniert und wie lange ein Spieler demnach Zeit darin investiert.

Das Online-Angebot von SoulCalibur V bietet eine Fülle von Modi, die vom privaten Match bis zur als Spielbrett konzipierten Lobby des sogenannten Globalen Kolosseum reichen, in dem sich wie auf einer Art Spielbrett bis zu 50 Spieler tummeln, chatten und sich zum Match oder Turnier zusammentun können. Hier ist dann Schluss mit lustig, denn solange man offline oder nur mit wohlgesonnenen Freunden agiert, die im besten Fall wenigstens so tun können, als ob sie schlechter als man selbst spielen würden, besteht hier die nicht geringe Chance, dass von manchen Großmeistern entfachte Gewitter der Erniedrigung über einen hereinbrechen zu sehen. Mr. Miyagi hilf! Wer sich also vom erstbesten Schlagetot in scheinbar jahrelangen Combos für die Anmaßung, überhaupt online gegen sie angetreten zu sein, zu Klump schlagen lassen will, dem sei dennoch gesagt, dass, obwohl SoulCalibur’s Offline-Modi einen für lange Zeit unterhalten können, dass Spiel seine Substanz und atavistische Freude am ehesten in ein paar Kloppereien zum Feierabend, im Turnier mit Freunden und dann auch, mit etwas Übung, gegen die Könnerschaft fremder Kontrahenten entwickelt.

Alle Online Matches verliefen bis dato flüssig und verzögerungsfrei und die Möglichkeit bis zu drei Spieler als "Rivalen" im sogenannten "Seelen-Link" mitzuführen, um deren jeweils aktuelle Spielstatistiken mit den eigenen zu vergleichen, verleiht dem zumeist anonymen Online-Spiel eine subjektive Bindung und zusätzlichen Wettbewerbscharakter. Durch die Einbindung der Charakter-Erstellung ins Online-Geschehen, der Rivalenmarkierung sowie der Option, Videos bestrittene Kämpfe hoch- oder herunterzuladen, steht dem modernen Genuss am Bewertungs- und Beurteilungsdenken somit nichts mehr im Wege.

Gleich wird Klarschiff gemacht

Abschließend die für jedes Produkt aus diesem Bereich zu stellende und alles entscheidende Frage: Wie gut funktioniert ein Spiel, wie fühlt es sich an? Im Fall von SoulCalibur V muss die Antwort positiv ausfallen. Mag es das Genre auch nicht revolutionieren oder um entscheidende Linien weiterführen, so bietet es ein solides, aus seinen Vorgängern gut rekonstruiertes, sich mit subtilen Differenzen von ihnen absetzendes, rundes Gesamtpaket.

Grafisch sprüht das Spiel Funken. Die Charaktere steuern sich flüssig, dynamisch und gut ausbalanciert, wobei der Fokus dieses Mal, zumindest dem bescheidenen Vermögen des Testspielers nach, auf Angriff und weniger auf Verteidigung gelegt wurde. Das Spiel ist Bewegung im Reinzustand, und verlangt vom Spieler unablässig auf dem Posten zu sein. Konzentration, gute Reflexe, Timing, eine gewitzte Variabilität der Bewegungsabfolgen, das "Lesen" des Gegners und eine gewisse Disziplin hinsichtlich der Kontrolle über die zur Verfügung stehenden Bewegungsabläufe belohnt es mit dem schieren Vergnügen am urinstinktiven Triumphgefühl, etwas überwunden und ihm die Keule drübergezogen zu haben. In der Welt des Spiels sollte das moralisch vertretbar sein. Im Segment der Beat ’em ups arbeitet SoulCalibur V vorschriftsmäßig und darüber hinaus vorbildlich, was die Schnelligkeit und Dynamik der Spielmechanik anbelangt.

Diese zu meistern hängt wiederum davon ab, inwiefern man sich bereit erklärt, Zeit und Übung in sie zu investieren - denn eine effiziente Lernkurve kann nur statthaben, insofern man selber willens ist, mit den gegebenen Möglichkeiten zu experimentieren und sich die tieferen Aspekte, welche sich im Gegensatz zu anderen Spielen hier leider nicht von selbst erklären, zu erschließen. SoulCalibur V bietet, trotz seiner inwendigen Komplexität einen leichten Einstieg auch für Anfänger, joviale Kurzweil als auch einfach eine gute Möglichkeit, für die Dauer von ein paar Matches ein wenig Zeit totzuschlagen.

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