Treffen Biden-Putin: Jeder fühlt sich im Recht
Gespräche zwischen Präsidenten in Genf. Der große Eklat blieb aus, aber die Spannungen sind offensichtlich
Es wird nach dem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Mittwoch in der Schweiz keinen neuen Kalten Krieg geben. Doch die Spannungen zwischen der führenden Nato-Macht USA und Russland sind offensichtlich.
In den mehrstündigen Beratungen in der Villa La Grange am Genfer See vereinbarten die beiden Staatschefs eine Reihe von Kooperationen, die freilich schon zuvor auf Arbeitsebene abgestimmt worden sein dürften. So war es eher die Atmosphäre zwischen den beiden Männern, die auf das Interesse von Medien und politischen Beobachtern stieß.
"Das Letzte, was er jetzt will, ist, wie ich denke, ein Kalter Krieg", sagte Biden nach dem Gespräch. Dabei wird er selbst zunächst in Erklärungszwang gewesen sein. Er hatte Putin vor wenigen Wochen in einem Fernsehinterview indirekt als "Mörder" bezeichnet. Russland hatte daraufhin seinen Botschafter Anatoli Antonow aus Washington zurückbeordert und US-Botschafter John Sullivan bis auf weiteres des Landes verwiesen.
Nun einigten sich Biden und Putin auf die Rückkehr der Diplomaten in ihre jeweiligen Botschaften. Zudem machten sie Beratungen zum Thema Cybersicherheit aus. Zu einem eventuellen Austausch von Gefangenen zwischen beiden Staaten sagte Putin, es könne bei diesem Thema "gegebenenfalls Kompromisse" geben.
Einfach waren die Themen auf der Agenda nicht: Es ging um atomare Rüstungskontrolle, Menschenrechte und laufende Stellvertreterkonflikte, etwa in Syrien, Libyen und Afghanistan.
Auch das Schicksal des inhaftierten Putin-Gegners Alexei Nawalny wurde angesprochen. Putin gab sich gewohnt offensiv: "Dieser Mann wusste, dass er gegen geltendes Recht in Russland verstößt", sagte er. Die russische Justiz wirft dem Oppositionellen unter anderem vor, gegen Bewährungsauflagen verstoßen zu haben, als er nach einer Vergiftung zur medizinischen Behandlung nach Berlin ausgereist war. Im Westen wird das Verfahren als politisch motiviert bewertet.
Unterschiedliche Bilanz in USA und Russland
In seiner Stellungnahme nach dem Treffen in Genf sagte Biden, man habe Bereiche gegenseitigen Interesses und Zusammenarbeit identifiziert. Er habe aber auch die Kritik der USA an der Lage der Menschenrechte in Russland deutlich gemacht. Mögliche Cyberangriffe auf die Vereinigten Staaten würden entschieden beantwortet werden. Auch hätte es "verheerende" Folgen, wenn Nawalny im Gefängnis etwas zustoße.
Biden sprach auch die Inhaftierung zweier US-amerikanischer Staatsbürger in Russland an, Paul Whelan und Trevor Reed. Reed war Mitte vergangenen Jahres in Russland zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er betrunken einen Polizisten attackiert haben soll. Whelan war im Dezember 2018 in einem Moskauer Hotel festgenommen und später wegen Spionage verurteilt worden.
Beim Thema Cybersicherheit schlug Biden nach Angaben der New York Times vor, sich auf geschützte Infrastruktur zu einigen. Er habe Putin eine Liste kritischer Bereiche - etwa die Energiewirtschaft - übergeben. Experten sollen nun die entsprechenden Gespräche fortführen. "Wir brauchen einige grundlegende Verhaltensregeln", so Biden auf seiner Pressekonferenz.
Putin nannte das Gespräch bei einem separaten Pressetermin "absolut konstruktiv". Es habe "keinerlei Feindseligkeit" gegeben, auch wenn "in vielen Fragen" gegensätzliche Meinungen bestünden.
Der russische Journalist Peter Akopow kommentierte den medialen Blick im Westen auf das Treffen kritisch. Schon in den Fragen der ausländischen Pressevertreter habe sich gezeigt, dass man allein von Russland einen Politikwechsel sowie Zugeständnisse erwarte. "Woher kommen diese unverständlichen Erwartungen?", fragt Akopow, und gibt sogleich die Antwort: Sie seien "Folge eines verzerrten Weltbildes der amerikanischen Elite".
Im Westen glaube man, dass die USA noch immer die internationalen Spielregeln diktierten. Zudem sei Biden im Wahlkampf gegen Donald Trump "seiner eigenen erfundenen Geschichte einer Einmischung Russlands in US-Angelegenheiten verfallen", was ihn nun in Zugzwang bringe. Die Situation sei verfahren, aber nicht für Putin, sondern für Biden, so der russische Journalist der regierungsnahen Agentur Ria Nowosti.
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