Trend zur Ladenwohnung nach der Pleitewelle?
Wesentliche Teile der Immobilienwirtschaft rechnen nicht damit, alle während der Pandemie geschlossenen Gewerbeflächen wieder als solche vermieten zu können. Ein Branchenverband fordert Erleichterungen für die Umnutzung
Bislang ist es in Deutschland rechtlich schwierig, leerstehende Ladenflächen in Wohnraum umzuwandeln. Das Interesse der Eigentümer daran war vor der Corona-Pandemie auch nicht übermäßig groß, weil für Gewerbemieten nicht einmal in Gebieten mit offiziell angespannter Marktlage eine "Mietpreisbremse" gilt. Allerdings hat der Leerstand von Gewerbeimmobilien in der Corona-Krise deutlich zugenommen - und eine aktuelle Umfrage das Immobilienverbandes Deutschland (IVD) unter dessen Mitgliedschaft ergab, dass dies in der Branche nicht als vorübergehendes Phänomen gesehen wird.
In Klein- und Mittelstädten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern stehen demnach zur Zeit selbst in besten Lagen rund 15 Prozent der Geschäfte leer, in etwas schlechteren Lagen sogar bis zu 25 Prozent, fasste der Verband am Montag in Berlin das Ergebnis der Umfrage unter zusammen. Bei fast jedem dritten Mietverhältnis seien - Überraschung - Mietrückstände zu beklagen.
Rechtlich war die Verhandlungsposition der Gewerbemieter zum Jahreswechsel insoweit gestärkt worden, dass seither für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie betroffen sind, eine "Störung der Geschäftsgrundlage" als Mietminderungsgrund in Betracht kommt. Das geht aus der rechtlichen "Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht" hervor.
Rechtssicherheit gibt es diesbezüglich nicht, ebenso wenig bei staatlichen Hilfen. Einige Vermieter schalten zwar auf stur und wollen die Miete bestenfalls stunden - da aber nicht nur einzelne Kleinunternehmen betroffen sind, sondern eine größere Pleitewelle droht, machen sich die Eigentümer verstärkt Gedanken, wie sie aus den Räumlichkeiten anderweitig Kapital schlagen können.
Bündnis für "attraktive Nutzungsdurchmischung" in Bremen
Zwei Drittel der vom IVD befragten Branchenkenner halten die Leerstandsentwicklung zumindest abseits der Top-Lagen für unumkehrbar. Umso mehr stelle sich die Frage nach einer Umwandlung von Ladenflächen in Wohnraum, so der Verband. Dafür müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. "Vermieter müssen in die Lage versetzt werden, Einzelhandelsflächen entsprechend umzubauen", betonte am Montag IVD-Präsident Jürgen Michael Schick. Dem stehe bisher vor allem das Bauordnungsrecht entgegen. Für Umnutzungen dieser Art müssten Bauanträge gestellt und das aktuelle Baurecht eingehalten werden, was "wirtschaftlich schwer umsetzbar" sei.
Diesem Aspekt sollte laut IVD das Bauordnungsrecht der Länder Rechnung tragen - und zugunsten von Wohnraum Ausnahmen schaffen. Die erteilte Baugenehmigung sollte aber aus der Sicht des Verbands eine Rückkehr zur Gewerbenutzung ermöglichen, "ohne dass es zu einem Verstoß gegen eine etwaige Zweckentfremdungsverordnung kommt". Vorgeschlagen wird eine Revisionsklausel, die nach Beendigung eines Wohnmietvertrages die Rückkehr zur Gewerbenutzung möglich macht.
Im Stadtstaat Bremen hat sich bereits ein "Aktionsbündnis Bremer Innenstadt" gegründet, um dort eine "attraktive Nutzungsdurchmischung" zu schaffen und "die Innenstadt zu einem vitalen Zentrum für Handel, Arbeiten, Wohnen, Kultur und Freizeit zu entwickeln". Dem Bündnis gehören sowohl Immobilien- und Grundbesitzer als auch die Handelskammer, die Arbeitnehmerkammer und der ver.di Bezirk Bremen-Nordniedersachsen an - außerdem sind der Handelsverband Nordwest, die Handwerkskammer und der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Bremen e.V. mit im Boot.
Von den Quadratmeterpreisen für Wohnraum auf ehemaligen Ladenflächen dürften die Gewerkschaft und Immobilienfirmen allerdings unterschiedliche Vorstellungen haben.
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