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Trennung zwischen Staat und Kirche

Bild: Wassilis Aswestopoulos

Scheidung auf Griechisch

Eine der nie erfüllten Beitrittsbedingungen für die griechische Mitgliedschaft in der damaligen Europäischen Gemeinschaft, die Trennung zwischen Staat und Kirche, wurde am Dienstag von Premierminister Alexis Tsipras und Erzbischof Ieronymos von Athen und ganz Griechenland verkündet.

Es handelt sich zudem um einen der wenigen Punkte, in denen die Grundwerte der EG und der späteren EU sich mit einer der dringlichsten, seit Jahrzehnten bestehenden Forderungen der Linken Griechenlands decken. Die Rolle der christlich orthodoxen Religion als Staatskirche ist in der gültigen Verfassung verankert.

Mit der Vereinbarung möchte die Regierung die Verfassung hinsichtlich der Religionsfreiheit, die Rede ist von einem "religiös neutralen Staatswesen" ergänzen.

Die Vereinbarung zwischen Premier und Kirchenfürst

Die Vereinbarung soll zudem einen seit 1939 schwelenden Streit über kirchliche Besitztümer beilegen. Beide, der Premier und der Erzbischof, sprachen von einem historischen Schritt. Wie historisch der Schritt wirklich ist, und wieviel Aufteilung der Einflusssphären in der verkündeten Trennung steckt, zeigt das vom Erzbischof und vom Premier vereinbarte Positionspapier:

  1. Die griechische öffentliche Hand erkennt an, dass sie bis 1939 kirchliche Besitztümer für Entschädigungen, welche niedriger als der Wert waren, enteignet hat.
  2. Die griechische öffentliche Hand erkennt an, dass sie die Bezahlung der Geistlichen als Entschädigung im Gegenzug für die Besitztümer übernommen hat.
  3. Die griechische öffentliche Hand und die Kirche erkennen an, dass die Geistlichen nicht mehr als öffentliche Angestellte dienen.
  4. Die griechische öffentliche Hand erkennt an, dass sie jedes Jahr an die Kirche als Zuschuss einen den Lohnzahlungen an Geistliche entsprechenden Betrag zahlt.
  5. Die Kirche erkennt an, dass sie nach dieser Vereinbarung, von allen weiteren Forderungen hinsichtlich des betreffenden Kirchenbesitzes zurücktritt.
  6. Die jährliche Förderung wird in eine spezielle Kasse der Kirche eingezahlt und ist ausschließlich für die Bezahlung der Geistlichen bestimmt. Die absolute Verantwortung dafür hat die Kirche Griechenlands und die entsprechende Überwachung obliegt den zuständigen staatlichen Behörden.
  7. Mit der Vereinbarung werden die heutige Zahl der Planstellen für Geistliche und darüber hinaus die Zahl der für die Kirche tätigen Laien abgesichert.
  8. Sollte die Kirche Griechenlands eine Erhöhung der Anzahl der Geistlichen beschließen, resultiert daraus keine Verpflichtung für den Staat, den jährlichen Zuschuss zu erhöhen.
  9. Die griechische öffentliche Hand und die Kirche Griechenlands beschließen die Schaffung einer Treuhand für die Verwertung kirchlichen Besitzes (TAEP).
  10. Diese Treuhand wird von einem fünfköpfigen Verwaltungsrat geleitet. Zwei der Mitglieder stammen aus Reihen der Kirche, zwei vom Staat. Ein Mitglied wird gemeinsam bestimmt.
  11. Die Treuhand für die Verwertung des kirchlichen Besitzes wird die Verwaltung und die Verwertung der seit 1952 hinsichtlich ihres Eigentümers von Staat und Kirche angezweifelten Besitztümer verwalten. Zusätzlich dazu kann die Kirche auf freiwilliger Basis weiteren Besitz zur Verwertung durch die Treuhand einbringen.
  12. Die Einnahmen und Pflichten der TAEP werden zu gleichen Teilen zwischen Staat und Kirche geteilt.
  13. Analoges gilt für die Besitztümer der lokalen Bistümer, insbesondere der angezweifelten Eigentumsverhältnisse aber auch für die von den Bistümern freiwillig in die TAEP eingebrachten Besitztümer.
  14. Es besteht bereits mit dem Gesetz 4182/2013 eine Gesellschaft für die Verwertung von Grundbesitz der Kirche zwischen Staat und dem Heiligen Erzbistum Athen, welche ebenfalls in die TAEP eingebracht wird.
  15. Die oben eingegangenen Verpflichtungen beider Seiten gelten unter der Voraussetzung, dass die Vereinbarung im Ganzen eingehalten wird.

Bei den erwähnten Besitztümern, deren Eigentümer angezweifelt wird, handelt es sich unter anderen auch um Immobilien, für welche die Kirche Bullen aus der Zeit der osmanischen Herrschaft präsentiert. Der Vatopedion-Grundstücksskandal war einer der Stolpersteine über welche die konservative Regierung von Kostas Karamanlis 2009 stürzte.

Das Kloster Vatopedion aus der autonomen Mönchsrepublik Athos hatte den Vistonida See unter anderen gegen olympische Bauten für die Spiele von 2004 eingetauscht und diese dann mit Gewinn weiterverkauft. Die Eigentumstitel für den See stammten aus Zeiten des Osmanischen Reiches.

Tsipras sieht in der Vereinbarung einen Gewinn für beide Seiten und möchte damit auch den Segen der Kirche für eine Verfassungsänderung, die auch die Stellung der Kirche im täglichen Leben betrifft, gewinnen. Seitens Syriza wird als Erfolg gefeiert, dass nunmehr knapp 10.000 Planstellen des öffentlichen Dienstes frei werden.

Denn so viele Priester und bei der Kirche beschäftigten Laien hat das Land. Die Zahl der Geistlichen in Griechenland ist höher als die Zahl der beim Staat beschäftigten 7.000 Krankenhausärzte. Das, was von Syriza verschwiegen wird, ist, dass die Planstellen zwar theoretisch frei werden, das dafür notwendige Geld aber als Zuschuss an die Kirche gezahlt wird und somit nicht verfügbar ist. Griechenland hat sich gegenüber den Kreditgebern verpflichtet, die Zahl der Staatsbediensteten nicht zu erhöhen.

Ieronymos hat seinerseits ohne Gerichtsverfahren die Hälfte der von der Kirche beanspruchten Besitztümer erreicht und gleichzeitig, bei voller Kostenübernahme die Kontrolle über seinen Klerus und die bei der Kirche beschäftigten Laien erhalten. Er kann nun in sämtlichen Arbeitsverhältnissen ausschließlich Kirchenrecht anwenden. Von Seiten des Verbands der Geistlichen gab es bereits Protest.

Ieronymos; Bild: Wassilis Aswestopoulos

Deren Vorsitzender, Pater Georgios Sellis, kündigte Widerstand an. Die Priester möchten lieber im Beamtenverhältnis verbleiben. Sellis Vize, Pater Georgios Vamvakidis ging einen Schritt weiter. Er sorgt sich um Rente und Gesundheitsversorgung der Geistlichen.

"Die Heilige Synode hat ihm keine Vollmacht erteilt, einer solchen Vereinbarung zuzustimmen", meinte Vamvakidis. Er bezeichnet die Vereinbarung als eine "persönliche Meinung des Erzbischofs". Vamvakidis droht, dass die Priester und ihre Familien an den Wahlurnen eine ernstzunehmende Größe darstellen. Er fordert, dass weiterhin Beamtenrechte für die Priester gelten und dass der Staat der Kirche ihren gesamten Besitz zurückgibt.

Anzumerken bleibt aber auch, dass aufgrund der Forderungen der Kreditgeber sämtliche staatlicher Besitz des Landes, darunter auch Museen wie das von Knossos und das Wahrzeichen von Thessaloniki, der weiße Turm unter Kontrolle der Treuhand der Kreditgeber kommt. Bei dem nun abgeschlossenen Deal mit der kirchlichen Treuhand hat Ieronymos den weltlichen Besitz seiner Kirche vor diesem Zugriff gesichert.

Zudem bleibt die Besoldung der Priester von weiteren Kürzungen, wie sie den übrigen Beamten drohen, weitgehend verschont. Ieronymos ließ sich sogar etwaige Lohnerhöhungen für die in der Vereinbarung festgeschriebenen Planstellen zusichern.

"Eine oberflächliche Abtrennung"

In ersten Reaktionen begrüßte die größte Oppositionspartei, die konservative Nea Dimokratia nicht ohne Häme den Deal:

Die Nea Dimokratia drückt ihre Genugtuung darüber über die späte Adoption ihrer fortwährenden Einstellung durch Syriza, hinsichtlich des Verhältnisses des Staats zur Kirche, aus. Heute wurde eindrucksvoll bewiesen, dass die offenen Fragen im beidseitigen Verhältnis keine Änderung der Verfassung notwendig machen, sondern vielmehr mit Gesetzesvorstößen geregelt werden können. Vorstöße, welche, wie wir erinnern möchten, die Regierung der Nea Dimokratia bereits seit 2013 mit der Gründung der gemeinsamen Gesellschaft von Staat und Kirche zur Verwaltung der kirchlichen Besitztümer übernommen hat. Eine Gründung, welche aus ideologisch verklärten Gründen von Syriza zurückgenommen wurde. In diesem Zusammenhang wünschen wir, dass die heute verkündete Vereinbarung tatsächlich nutzbringend für Staat und Kirche wird, und sich nicht auf eine nur oberflächliche Abtrennung der Besoldung der Geistlichen vom Staat beschränkt.

Nea Dimokratia

Die Sozialdemokraten der Bewegung des Wandels (KinAl, früher als Pasok bekannt) stufen die Vereinbarung als Betrug an den Bürgern ein:

Tsipras hat nicht nur seine Grundeinstellung über die Trennung von Staat und Kirche verworfen und dabei noch einen großartigen Purzelbaum, eine Kolotoumba (ein mittlerweile international bekannter Begriff) gemacht, er hat darüber hinaus sogar die Prinzipien von getrennten Rollen missachtet. Die Gelder der griechischen Steuerzahler werden nun von Bischöfen Verwaltet. Es ist eine "Veräppelung made in Tsipras", die sogar große Gefahren hinsichtlich der wirtschaftlichen Manipulation der Kirche birgt. Uns all das, um mit einen Satz hinsichtlich der religiösen Neutralität, Artikel 3 der Verfassung zu ergänzen. Eine Ergänzung, welche Tsipras selbst wieder entschärft.

KinAl

Die KinAl bemängelt auch die Folgen für die Angestellten der Kirchen: "die heutige Verkündung ruft bei 10.000 Familien ernsthafte und begründete Sorge über ihre Zukunft hervor. Dies kann niemand negieren. Der einfache Priester, der während der Krise an der Seite des Volkes gestanden hat, verdient Respekt."

Am eindrucksvollsten ist jedoch eine eilig über das Kirchenportal Romfea herausgegebene Stellungnahme des Verbands der Geistlichen:

Außerordentliche Erklärung des heiligen Verbands der Geistlichen Griechenlands - es reicht!
Wir rufen die ehrwürdigen Bischöfe der Kirche Griechenlands auf, sich zu erheben und in der Hierarchie die bereits seit langem vorbereitete Vereinbarung des Erzbischofs und des Premierministers nichtig zu machen.

Der heilige Verbands der Geistlichen Griechenlands wird in den Kampf ziehen, damit als vertragliche Verpflichtung des Staats zur Besoldung des Heiligen Klerus wie jetzt bleicht, als Entschädigung für das, was die Kirche für den Staat geleistet hat.
Unsere Reaktionen werden in der griechischen Geschichte gewaltig und beispiellos sein.
(…) In einem Land, das alles verkauft, werden wir nicht auf den nächsten Schlag warten, der gegen den Glauben gerichtet ist.
(…)

Stellungnahme des Verbands der Geistlichen

Machtkämpfe innerhalb der Kirche

Die Macht des Klerus ist tief verankert. In ländlichen Gegenden nehmen die Priester durchaus Einfluss auf das Wahlverhalten der Bürger. Ieronymos Stellung innerhalb der Kirche ist nicht unumstritten, zumal er im Streit des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, seiner Heiligkeit Bartolomäos mit der russischen Kurie eher den russischen Interessen zugeneigt ist.

Karfreitag; Bild: Wassilis Aswestopoulos

Bartholomäos erinnerte daher öffentlich daran, dass er als primus inter pares gilt. Die Beziehungen zwischen dem Patriarchat und Moskau sind angespannt, weil Bartholomäos der ukrainischen orthodoxen Kirche die Loslösung von Moskau und damit eine autokephale orthodoxe Kirche zugestehen will.

Dem Patriarchat untersteht in Griechenland die Insel Kreta, die Mönchsrepublik Athos und die Dodekanes direkt. Die so genannten "Neuen Ländereien" in Nordgriechenland und auf einigen Inseln werden vom Erzbischof Athens verwaltet, unterstehen aber geistlich dem Patriarchen. Es ist offen, inwieweit der gesundheitlich angeschlagene Ieronymos den an mehreren Fronten ausgebrochenen Konflikten standhalten kann. Griechenland stehen wahrlich unheilige Zeiten bevor.


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