Trotz Klima-Desaster: Rekordsommer für Lufthansa & Co.
Das Urlaubsgeschäft der Airlines boomt. Die Zahl der Flüge geht steil nach oben, daran ändern Waldbrände und Hitze in Feriendomizilen nichts. Warum ist das so?
Während in Südeuropa immer wieder tödliche Waldbrände und Hitzewellen ausgebrochen sind, konnten die Airlines in diesem Sommer Reisende in großer Anzahl in beliebte Urlaubsregionen fliegen. Genau mit jenem Transportmittel also, das wegen seiner hohen Kohlenstoffemissionen von Umweltschützer:innen als der "schnellste Weg, den Planeten zu erhitzen", bezeichnete wird.
Manchmal halten die Fluglinien sogar daran fest, Touristen in von schweren Waldbränden betroffene Regionen zu transportieren, wie der Billigflieger Ryanair.
Das Flugzeug ist in diesem Jahr damit wieder zum Standard-Reisemittel für den Urlaub aufgestiegen. Während der Corona-Pandemie war der Luftverkehr stark zurückgegangen. Damit gingen auch die Treibhausgase dieser Industrie zurück.
Doch schon im letzten Jahr gingen die Emissionen erneut nach oben. Gegenüber 2021 stiegen sie allein im nationalen Inlandsflugverkehr um knapp 40 Prozent, so das Umweltbundesamt. Das sind 300.000 Tonnen CO2-Äquivalente.
Bezogen auf die Passagierzahlen war sogar ein Zuwachs von 116,6 Prozent zu verzeichnen. Von Januar bis November 2022 waren es 153 Millionen Fluggäste insgesamt, also inklusive der internationalen Flüge.
Obwohl zugleich die Preise für Flugreisen in diesem Jahr erneut anstiegen – um 25 Prozent bei Auslandsverbindungen und um zehn Prozent bei Pauschalreisen –, zeigt die Kurve im Luftverkehr weiter nach oben. Anfang Juli verzeichnete das Luftfahrt-Tracking-Unternehmen Flightradar24 mehr als 134.000 kommerzielle Flüge in Deutschland. Das sind so viele wie noch nie seit dem Start des Trackingdienstes im Jahr 2006.
Nachdem das Flug-Geschäft in der Coronazeit fast zum Erliegen gekommen war, musst die Lufthansa neun Milliarden Euro staatliche Kredite in Anspruch nehmen. Durch das Anziehen des Flugverkehrs danach hat das Unternehmen diese wieder zurückzahlen können und konnte im letzten Jahr sogar wieder Gewinne erwirtschaften. Man geht nun von einem Viertel mehr Umsatz pro Sitz im Flugzeug aus. Auch andere Fluglinien erwarten einen Rekordsommer.
Daten der Internationalen Air Transport Association deuten darauf hin, dass die Branche kurz vor einer vollständigen Erholung steht. Der weltweite Luftverkehr liegt inzwischen wieder bei 96 Prozent des Vor-Corona-Niveaus von Mai 2019.
Fliegen ist besonders klimaschädlich. Neben den CO2-Emissonen verdoppeln Stickoxide und Wasserdampf die Auswirkungen aufs Klima. Global gesehen bedeutet es, dass ein Basiswert von zwei Prozent der Kohlenstoffemissionen den dreifachen Effekt haben könnte, was mehr als den Emissionen Russlands entspricht.
Zwar versprechen die Luftfahrtunternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren. Aber es sind bisher nur leere Versprechen. So haben die Fluggesellschaften, wie eine Untersuchung zeigt, in der Vergangenheit 98 Prozent ihrer Umweltziele verfehlt.
Die PR-Maschine der Airlines
Die Gründe, warum viele Menschen ihr Reiseverhalten nach der Pandemie wieder geändert haben, sind vielfältig. Ein entscheidender ist, dass Reisen mit dem Flugzeug oft deutlich billiger ist, als mit dem Auto oder der Bahn zu fahren.
Im Durchschnitt sind die Preise für eine Bahnfahrt in Europa laut einer Studie doppelt so hoch, wie wenn man die gleiche Strecke mit dem Flugzeug zurücklegt. Um von London nach Barcelona zu kommen, müssen die Passagiere sogar bis zu 30-mal mehr ausgeben, wenn sie den Zug statt das Flugzeug nehmen: 384 Euro vs. 12,99 Euro. Dabei ist Fliegen bis zu 80 Mal klimaschädlicher als eine Bahnfahrt.
Die niedrigeren Kosten bei Flugverbindungen haben nicht nur mit dem unfairen und aggressiven Preiskampf der Billigflieger wie Ryanair oder EasyJet zu tun, sondern auch mit einer strukturellen Schieflage im Verkehrswesen, die politisch gewollt ist.
So bezahlen die Luftfahrtunternehmen in Europa keine Steuern auf Kerosin und nur wenige auf Tickets. Mit vielen Milliarden Euro greift der deutsche Staat zudem dem Flugzeugbau und der Airport-Wirtschaft kräftig unter die Arme. Das hat die Branche immer mehr wachsen lassen.
Das spart dem Flugverkehr viel Geld: für Treibstoff und Tickets sind es jährlich in Deutschland allein zwölf Milliarden Euro an Steuergeldern. Gleichzeitig wird die Bahn vernachlässigt, während internationale Verbindungen oft nicht mit dem Flugzeug konkurrieren können.
Ein weiterer Grund ist die übermäßige Eigenwerbung der Industrie. Online-Plattformen, Zeitschriften und Zeitungen sind voll mit Werbung für Flugreisen.
Großformatige Werbespots für Fluggesellschaften laufen selbst in Bahnhöfen, wobei man sich fragen kann, warum die Bahn überhaupt Werbung ihrer Konkurrenten zulässt. Und wer den Fernseher einschaltet, um Fußball, Tennis oder ein anderes Sportereignis zu sehen, wird mit den Sponsoring-Botschaften von Fluggesellschaften wie Easyjet, Emirates, Lufthansa und Co. tagtäglich konfrontiert.
Das führt zu einer in sich widersprüchlichen Botschaft. Während von der Wissenschaft den Menschen gesagt wird, dass wir neben der Energiewende auch unser Verhalten ändern müssen, um der Klimakrise zu begegnen, verkündet die Werbung auf allen Kanälen, dass wir weitermachen sollen wie bisher.
Eine Untersuchung zeigt, dass zusätzliche Flüge aufgrund von Werbung bis zu 34 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr verursachen könnten. Es gibt bereits Forderungen nach einem Verbot von Flugreise-Werbungen, ähnlich wie bei den gesundheitsschädlichen Zigaretten.
Damit könnte man die ständigen Aufforderungen zum Fliegen im öffentlichen Raum beseitigen, heißt es. Es wäre ein einfacher Weg, um eine überfällige Verhaltensänderung zu erleichtern.
Die Lockdown-Zeit habe zudem gezeigt, dass Menschen im Notfall bereit sind, andere Verkehrsmittel stärker zu nutzen. Dafür braucht es aber breite politische und gesellschaftliche Unterstützung und den Ausbau von guten Alternativen.
Das gilt auch für die Angestellten in der Luftfahrtindustrie. In der Pandemie haben die Schweizer Fluggesellschaften und Eisenbahnen erwogen, Piloten zu Lokführern umzuschulen. Daran könnte man ansetzen, um die Arbeiter:innen in der Verkehrswende mitzunehmen. Es braucht zudem starke Investitionen in die Bahn, begleitet von einem Abbau der enormen Subventionen für die Luftfahrt, die Fliegen künstlich billig machen.