Trump 2.0: USA werden von Grönland bis Kanada zur Bedrohung

Herbert Wulf
Donald Trump schaut von unten in das Bild, er trägt ein rotes Basecap mit der Aufschrift make America, Great Again

Kleiner Trump will groß. Bild: Christian David Cooksey/ Shutterstock.com

Der Republikaner bricht mit dem westlichen Bündnisversprechen. Territoriale Ansprüche erinnern an das 19. Jahrhundert. Wie verheerend wird seine zweite Präsidentschaft?

Schon zwei Wochen vor Amtsantritt hat der künftige US-Präsident Donald Trump in einer verwirrenden und für ihn typischen Pressekonferenz der staunenden Öffentlichkeit in der ganzen Welt deutlich gemacht, worauf wir uns einzurichten haben.

Die Zeit vor der Amtseinführung verläuft also alles andere als ruhig. Die Ankündigungen klingen dramatisch, stellenweise beängstigend. Kanadas scheidenden Premierminister Justin Trudeau bezeichnete er höhnisch als Gouverneur und schob noch nach, wie großartig es wäre, wenn Kanada in Zukunft der 51. Staat der USA werde.

Grönland will er Dänemark abkaufen und den Panamakanal unter US-Kontrolle bringen, notfalls mit wirtschaftlichem Druck oder auch mit militärischen Mitteln. Von den Nato-Mitgliedern fordert er, in Zukunft fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Streitkräfte aufzuwenden.

Manch ein Politiker, aber auch Sicherheitsexperten und Medien springen über das Stöckchen, das ihnen Trump hinhält, ohne zu hinterfragen, was denn mit den zusätzlichen Mitteln finanziert werden soll. Bestenfalls bestehen Bedenken, wie denn die wahnwitzigen Summen aufgebracht werden können.

Trumps rigoros vorgetragene territorialen Ansprüche lassen Erinnerungen an die Monroe-Doktrin wach werden. Im Jahr 1823 hatte der damalige US-Präsident James Monroe in seiner Jahresansprache an den Kongress die Grundsätze der US-amerikanischen Außenpolitik. Während des 19. Jahrhunderts ging es vorwiegend darum, europäischen Einfluss in Lateinamerika einzudämmen.

Kern dieser Doktrin, die die Außenpolitik der USA bis ins letzte Jahrhundert prägte, war der Anspruch der Vereinigten Staaten, in der sogenannten westlichen Hemisphäre (Nord-, Süd- und Mittelamerika) die dominante Rolle zu spielen – sei es als gutmütiger Hegemon oder notfalls auch mit militärischer Intervention.

Erinnerung an die Monroe-Doktrin

Die Monroe-Doktrin etablierte den territorialen Expansionismus der USA und Amerika scheute sich nicht, in der Region dutzendfach mit Gewalt zu intervenieren, Regierungen zu stürzen und genehme Satrapen einzusetzen. Jetzt knüpft Trump unverhohlen an diese Doktrin an, ohne sie jedoch namentlich zu erwähnen.

Befindet sich die Welt auf dem Weg zurück zur Kanonenbootpolitik des 19. Jahrhunderts? Ist die vom Westen oftmals beschworene regelbasierte international Ordnung überholt? Ungeniert setzt Trump auf das Recht der Stärke. Die Stärke des Rechts ist ihm nicht nur egal; Justiz und Rechtsstaatlichkeit sind ihm zuwider.

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Als Präsident der USA verteufelt er nicht nur die US-Justiz, wie er in seinen vielfältigen Prozessen nachhaltig bewiesen hat, jetzt scheint ihm auch internationales Recht schnuppe zu sein.

Es darf spekuliert werden, wie ernst Trump es mit seinen Ankündigungen meint, wie sehr man sich noch auf die Verbündeten verlassen kann. Trump scheint jedenfalls bereit zu sein, das Maga-Projekt, das während seiner ersten Amtszeit vorwiegend inneramerikanisch orientiert war, mit brachialen Mitteln durchzusetzen und dafür auch internationale Konflikte in Kauf zu nehmen.

Mindestens vier Erklärungen gibt es, um Trumps Ankündigungen und deren Ernsthaftigkeit zu interpretieren. Vermutlich spielen alle vier Erklärungsmuster eine Rolle:

Erstens sind Trumps Äußerungen von jeher durch seinen Narzissmus und sein Ego geprägt gewesen. Trumps zweite Pressekonferenz nach seiner Wahl hat ihn weltweit ins Gespräch gebracht.

Nicht nur die kanadische, panamaische, grönländische und dänische Regierung reagierte mit klarer Ablehnung seiner absurden territorialen Ansprüche. Überall in der Welt, bis zu China, Japan und Südkorea, provozieren Trumps Ideen Widerspruch.

Genau dies aber schmeichelt Trump. Wenn zur gleichen Zeit sein Sohn in Trumps eigenem Flugzeug in Grönland landet und die Bilder um die Welt gehen, steht Trump im Rampenlicht und darf sich als Zentrum der Macht fühlen. Deshalb sollte auch der Golf von Mexiko in Golf von Amerika umbenannt werden. "Was für ein wunderbarer Name", ließ er verlauten.

Die zweite Interpretation verweist auf Trumps erratische und chaotische Politik. In der Ankündigung von drastischen Maßnahmen war Trump schon immer gut.

Wir bauen eine Mauer entlang der US-mexikanischen Grenze und „Mexiko wird dafür bezahlen“. Die Mauer wurde zwar nicht fertig gebaut und Mexiko zahlte auch nicht, das hält Trump aber nicht davon ab, weiterhin vollmundige Drohungen auszusprechen oder unsinnige Zusammenhänge zu konstruieren.

Bei der erwähnten Pressekonferenz sprach er von Walen, die wegen der Existenz von Windrädern im Meer wahnsinnig wurden und verenden. Wenn jetzt aus den Duschen und Wasserhähnen in Teilen der USA nur noch Tropfen kommen, (“tropf, tropf, tropf”, wie er insinuierte), dann hat das natürlich der scheidende Präsident Joe Biden zu verantworten.

Es ist nicht ratsam, auf diese immer wieder produzierten Lügen, Faktenleugnungen und unsinnigen, angeblichen Ursachenbehauptungen nur mit Gelassenheit zu reagieren. Denn die chaotischen Reden und Handlungen sind ein Kernelement der Politik des kommenden Präsidenten. Das ist nicht nur Realsatire.

Drittens gehörten Drohungen und Erpressungen auch schon während Trumps erster Amtszeit zu seinem politischen Repertoire. Mit Handelszöllen kann man nicht nur China drohen, sondern auch Verbündeten und Nachbarn. Notfalls können die US-Streitkräfte intervenieren, um den Panamakanal unter Kontrolle zu bekommen. Das dient der amerikanischen Sicherheit.

Wenn die europäischen Nato-Länder nicht mehr zahlen, dann überlässt man sie eben den russischen Aggressoren. Oft zeigt diese Politik Ergebnisse – siehe die Diskussion in Europa über den notwendigen BIP-Prozentsatz für die Sicherheit.

In Südkorea diskutieren Regierung und Sicherheitsexperten, wie man reagieren könnte, wenn die USA ihre Schutzfunktion nicht mehr übernehmen und Trump vielleicht doch noch mit Kim Jong-un – “the little rocket man“, wie er sagte – einen Deal macht. Dem Nahen Osten droht die „Hölle auf Erden“, wenn die Hamas nicht alle Geiseln freilässt, noch bevor er in Kürze sein Amt antritt. Dies sind nicht nur leere Drohungen.

Viertens: Von diesem Sammelsurium an kruden Ideen bei der Pressekonferenz sind die imperialistischen Wunschvorstellungen besonders besorgniserregend. Als der angehende Präsident während der Pressekonferenz von Journalisten gefragt wurde, ob er wirklich militärische Gewalt in Panama anwenden würde, falls das Land den Kanal nicht aufgibt – was eindeutig gegen bestehende internationale Verträge verstoßen würde –, oder ob er das Gleiche in Grönland tun werde, war die Antwort eindeutig: Nein, das könne er nicht ausschließen: "Wir benötigen sie für unsere wirtschaftliche Sicherheit, der Panamakanal wurde für unser Militär gebaut."

Die nochmalige Nachfrage, ob er den Einsatz von Militär ausschließen könne, beantwortete er ebenso klar: „Ich werde mich nicht darauf festlegen.“ Das ist imperialistische Rhetorik; das ist Kanonenbootpolitik gegenüber kleineren Nachbarländern. Alles im Namen des Konzeptes „Make America Great Again“. Das ist die Sprache und die Missachtung des internationalen Rechts, wie wir sie von Wladimir Putin kennen.

Die New York Times schlussfolgerte am 7. Januar nach der Pressekonferenz: „Seit den Tagen von William McKinley, der im späten 19. Jahrhundert am Spanisch-amerikanischen Krieg teilnahm und schließlich die US-Kontrolle über die Philippinen, Guam und Puerto Rico erlangte, hat kein gewählter amerikanischer Präsident so unverhohlen mit der Anwendung von Gewalt gedroht, um die territorialen Grenzen des Landes zu erweitern.“

Die wirren Ideen und neokolonialistischen Drohungen werden, wenn sie umgesetzt werden, die bestehende internationale Ordnung aus den Angeln heben. Während Trumps Berater während seiner ersten Präsidentschaft einige offensichtlich gefährliche und illegale Aktionen verhinderten, scheint er sich nun mit einem Team von Beratern zu umgeben, die ihm und seinen Absichten sklavisch loyal sind.

Professor Dr. Herbert Wulf ist Friedensforscher; er war Direktor des Internationalen Konversionszentrums Bonn. Bereits 2010 gab er (zusammen mit Johannes M. Becker) ein Buch im Lit. Verlag heraus, das den Titel trug Ein Krieg in der Sackgasse.