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Trump: "Ich werde der größte Jobs-Präsident sein, den Gott jemals geschaffen hat"

Bild: Kuka Systems/CC BY-SA-3.0

Donald Trump verspricht Millionen neuer Jobs in der Industrie. Die rasante Automatisierung wird ihm einen Strich durch die Rechnung machen

Die USA hatten buchstäblich die Wahl zwischen Pest und Cholera – zwischen einem faschistoiden Neoliberalen Trump und einer elitären Neoliberalen Clinton. Die Wahl verlief eigentlich so, als frage man einen Vegetarier, ob er sein Steak blutig oder medium haben wolle. Trump und Clinton stecken beide im Lobby-Sumpf aus Wall Street, US Army, privaten Sicherheitsunternehmen und anderen Interessengruppen. "It’s the economy, stupid." In den USA sind über die Hälfte der Kongressabgeordneten Millionäre [1].

Die röchelnde US-Wirtschaft war wie immer eines der zentralen Wahlkampfthemen – und damit verbunden die eklatante Kluft zwischen Arm und Reich. Das reichste 1 Prozent der US-Amerikaner verdient ein Viertel des gesamten Einkommens und besitzt die Hälfte aller Wertpapiere und die Hälfte des gesamten nationalen Vermögens. Die USA haben rund 320 Millionen Einwohner, 44 Millionen von ihnen haben nicht genügend zu essen und sind auf Lebensmittelmarken angewiesen. Das geht aus dem 2014 publizierten Bericht [2] der US-Behörde für Landwirtschaft hervor. Ein 2015 veröffentlichter Bericht [3] der US-Regierung kommt zu dem Ergebnis, dass rund 40 Prozent der Erwerbstätigen in nicht-regulären Jobs arbeiten, also mit befristeten Verträgen und ohne eine ausreichende Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung. Kurzum: Den meisten US-Amerikanern geht es nicht gerade gut.

Donald Trump ließ sich nicht zweimal bitten, den Messias zu spielen. Während des Wahlkampfs hat er immer wieder betont, dass die Globalisierung und "illegale Einwanderer" an der Armuts- und Arbeitslosenquote der USA schuld seien. Im gleichen Atemzug erklärte Trump, dass er ein neues Jobwunder hervorzaubern werde und prophezeite: "I will create jobs like no one else." [4] Anschließend verkündete Trump: "I will be the greatest jobs president God ever created." [5] Doch die Argumente und Versprechen Trumps sind hanebüchen.

Maschinen ersetzen Menschen

Trump behauptet, dass die Globalisierung am Job-Desaster schuld sei, weil Millionen von Arbeitsplätzen nach China, Mexiko und andernorts abgewandert seien. Und er fügte hinzu, dass die USA keine Realgüter mehr produzieren würden: "I talk about it all the time. We don't make anything anymore." [6]

Fakt ist: Die USA sind hinter China weltweit die Nummer 2 in der industriellen Produktion. Seit dem Höchststand der industriellen Produktion im Jahr 1979 haben die USA in diesem Sektor bis heute rund 7 Millionen Jobs verloren. Aber: Im selben Zeitraum hat sich die Produktivität der US-Fabriken mehr als verdoppelt [7] auf nunmehr 1,91 Billionen US-Dollar pro Jahr. Sprich, Maschinen ersetzen Menschen. Immer weniger Arbeitskräfte produzieren immer mehr Realgüter wie beispielsweise Autos, elektronische Geräte bis hin zum Pappkarton. Dagegen hat auch Trump kein Zaubermittel. Während die Produktivität der Industrie kontinuierlich wächst, schrumpft [8] gleichzeitig die Anzahl der dafür benötigten Arbeitsplätze.

Eine vielzitierte Studie [9] der Universität Oxford kommt zu dem Schluss, dass bis 2030 rund 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den USA der Automatisierung zum Opfer fallen könnten. Während etwa Sozialarbeiter oder Handwerker weniger gefährdet sind, ist für Beschäftige in den Bereichen Finanzen, Verwaltung, Logistik, Spedition und vor allem Produktion das Risiko, ersetzt zu werden, enorm hoch.

Eine 2015 publizierte Studie [10] der US-amerikanischen Ball State University kommt zu dem Schluss, dass in den letzten Jahren nur 13,4 Prozent der verschwundenen US-Jobs aufgrund von Importen und vergleichbaren Faktoren verloren gingen. Anders formuliert: Die rasant steigende Produktivität der US-Industrie ist zu 86,6 Prozent dafür verantwortlich, dass Arbeitsplätze vernichtet werden; es handelt sich also eindeutig um eine hausgemachte Entwicklung.

Die Autoren der Studie schreiben: "Hätten wir das Produktivitätsniveau der 2000er Jahre beibehalten und auf das Produktivitätsniveau der 2010er Jahre übertragen, dann hätten wir 20,9 Millionen Industrie-Arbeiter benötigt. Stattdessen haben wir aber nur 12,1 Millionen einstellen müssen." Und das allein in einem Zeitraum von zehn Jahren.

Onshoring schafft kaum neue Jobs

Trump verspricht, Millionen von Jobs in die USA zurückzuholen und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Fakt ist: Aufgrund der enormen Produktivitätssteigerung durch die Automatisierung verlagern bereits einige US-Hersteller ihre Anlagen zurück in die Vereinigten Staaten. "Onshoring" nennt man diesen Prozess, im Gegensatz zum wesentlich bekannteren "Offshoring".

Der Autohersteller General Motors etwa hat 2015 die Produktion seines bestverkauften Modells, des Cadillac SRX, von Mexiko abgezogen und im US-Bundesstaat Tennessee angesiedelt. Derzeit fertigen dort über 3.200 Arbeiter den Cadillac SRX, genauer gesagt: Sie assistieren den hochmodernen Robotern, die in den Fertigungshallen rund um die Uhr arbeiten. Doch die wenigen neuen Jobs, die durch das "Onshoring" von General Motors entstehen – und viele andere US-Großkonzerne ziehen derzeit nach –, sind marginal, wenn man die Arbeitsleistung der Roboter einberechnet. Außerdem: Die Arbeiter in der US-Industrie verdienen heutzutage (inflationsbereinigt) weniger [11] als noch im Jahr 1985. Im Jahr 2016 verdiente ein ungelernter Arbeiter durchschnittlich 8,63 US-Dollar pro Stunde, im Jahr 1985 waren es 8,80 US-Dollar pro Stunde.

Soweit die aktuellen Fakten, die erahnen lassen, wie die Zukunft aussehen könnte. Die wirtschaftsfreundliche Boston Consulting Group sagt [12] für das Jahr 2025 voraus, dass ein Roboter für weniger als 2 US-Dollar pro Stunde Schweißarbeiten verrichten werde – was noch günstiger ist als die Arbeits- und Transportkosten für Schweißarbeiten, die in Ländern des Globalen Südens ausgelagert wurden, geschweige denn die Kosten für einen gelernten US-amerikanischen Schweißer, der 25 US-Dollar pro Stunde kostet.

Dass die outgesourcte Sklaverei nach und nach von hiesigen Maschinen abgelöst wird, zeigt sich auch hierzulande: Adidas errichtet derzeit eine "Speedfactory" [13] in Ansbach und "kombiniert das Design und die Herstellung von Sportartikeln in einem automatisierten, dezentralisierten und flexiblen Fertigungsprozess". Globalwirtschaftlich drohen die outgesourcten Sklaven im Globalen Süden dann von ihren elenden Jobs ins nächste Elend der Arbeitslosigkeit zu stürzen.

Automatisierung bedroht globale Wirtschaft

The future is now. Die Automatisierung ist keine bloße Zukunftsmusik, sondern bereits im vollen Gange. Und sie zerstört mehr Jobs als sie neue schafft. Klar, Automatisierung gab es schon immer, auch die Webstühle ersetzten massenweise Arbeitsplätze. Historisch einmalig ist an der heutigen Lage aber nicht nur, dass die Automatisierung schneller wächst als die Märkte, sondern auch, dass die Maschinen weit mehr Jobs ersetzen [14], als zu ihrer Herstellung notwendig sind.

Die wenigen Jobs, die in der Computer- und Roboterbranche entstehen, können die gegenwärtige Jobvernichtung keineswegs kompensieren: In den 1980ern waren noch 8,2 Prozent der Arbeitnehmer in denjenigen Technologie-Branchen tätig, die in diesem Zeitraum neu geschaffen wurden. In den 1990ern betrug die Quote 4,2 Prozent und in den 2000ern lediglich 0,5 Prozent.

Fahrerlose U-Bahnen gibt es bereits in Paris, Barcelona, Helsinki, Budapest, Vancouver, São Paulo und Nürnberg. Sollten beispielsweise auch fahrerlose LKWs bald serienreif sein, dann werden in den USA auf einen Schlag 3,2 Millionen Lastkraftfahrer arbeitslos. Fast 500.000 weitere Jobs entfallen in den USA auf Taxifahrer und Chauffeure. Bei den "white collar jobs" sieht es nicht anders aus, hier verdrängt hochspezialisierte "Legal Tech"-Software [15] schon jetzt zahlreiche Rechtsanwälte. Kurzum: Die Automatisierung ersetzt Jobs am laufenden Band.

New Deal?

Trump könnte natürlich – nach dem Vorbild Franklin D. Roosevelts und John Maynard Keynes’ – einen neuen New Deal initiieren. Im Wahlkampf hat er mehrfach betont, dass er die marode Infrastruktur des Lands, also Brücken, Flughäfen, Schulen, Stromleitungen, Glasfaserkabel, Wasserversorgung und so weiter, modernisieren wolle. Mal abgesehen von den Folgen der Automatisierung: mit welchem Geld?

Die USA sind haushoch verschuldet, alle paar Monate wird der Staatsbankrott abgewendet. Ein "deficit spending" mit Billionen-Investitionen scheint da wenig realistisch, zumal Trump dann – vereinfacht gesagt – Geld von Reich nach Arm umverteilen müsste. Nur eine hohe Vermögens- und Unternehmenssteuer könnte einen neuen "New Deal" querfinanzieren.

Doch Trump hat ebenfalls angekündigt, dass er die Unternehmen und Banken noch weitreichender als ohnehin schon entlasten wolle: Der Spitzensteuersatz für Unternehmen soll von derzeit 35 auf 15 Prozent purzeln. Und der Spitzensteuersatz für Privatpersonen soll von derzeit 39,6 Prozent auf 33 Prozent fallen. (Zum Vergleich: Bis zum Amtsantritt von Ronald Reagan lag der Satz bei durchschnittlich 70 Prozent.) Insgesamt will Trump die (vermögenden) Steuerzahler um 4,4 Billionen US-Dollar entlasten.

Der Neoliberalismus, dem von Trump bis zur AfD viele Rechtspopulisten huldigen, zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass er vom Keynesianismus – der den Kapitalismus natürlich auch nicht retten würde – demonstrativ abrückt. Spätestens mit der Aufhebung des Goldstandards 1971 wurde das Geld vogelfrei. In den 1960ern entfielen in den USA rund 15 Prozent der inländischen Gewinne auf den Finanzsektor und rund 50 Prozent auf die Produktion. 2015 jedoch kassierte der Finanzsektor fast 50 Prozent der Gewinne, der Produktionssektor aber nur noch weniger als 15 Prozent. Die Verlagerung hin zu einem Finanzkapitalismus mitsamt seinem "jobless growth", seinem Hochfrequenzhandel und seiner virtuellen Geldblasen ist also offensichtlich. Diese Nuss wird Trump, ein republikanischer Hardcore-Neoliberaler durch und durch, niemals knacken.

Trumps Behauptung, dass "die Ausländer den Leuten alle Jobs wegnehmen" und dass er "Millionen neuer Jobs schaffen wird", ist also nichts anderes als rechtspopulistischer Humbug. Trump hat unter anderem mit diesem Humbug die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen. Schlimm genug. Doch sein zentrales Versprechen wird er, wie viele vor ihm, kaum halten können. Das gilt natürlich auch für etliche andere Industriestaaten, in denen Neoliberale und/oder Protofaschisten gegenwärtig vermehrt davon faseln, dass man nur die Grenzen schließen müsse, um neue Jobs zu kreieren. Nein, zu sehr ist die Produktion von der menschlichen Arbeitskraft entkoppelt, als dass man ein neues Jobwunder aus dem Hut zaubern könnte. Und zu sehr ist der Kapitalismus am Röcheln, als dass man mit ihm die Verheißung vom "Wohlstand für alle" je wird erreichen können.

Patrick Spät [16] lebt als freier Journalist und Buchautor in Berlin. Zuletzt erschien von ihm das Buch "Die Freiheit nehm ich dir. 11 Kehrseiten des Kapitalismus" [17], Zürich: Rotpunktverlag 2016.


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https://www.heise.de/-3489005

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.nytimes.com/2014/01/10/us/politics/more-than-half-the-members-of-congress-are-millionaires-analysis-finds.html
[2] http://www.ers.usda.gov/webdocs/publications/err173/48787_err173.pdf
[3] http://www.gao.gov/assets/670/669899.pdf
[4] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/685584095120887809?ref_src=twsrc%5Etfw
[5] https://www.theguardian.com/us-news/video/2015/jun/16/donald-trump-us-president-republicans-video
[6] http://www.realclearpolitics.com/video/2015/10/18/full_replay_and_transcript_donald_trump_with_fncs_chris_wallace.html
[7] http://bigstory.ap.org/article/265cd8fb02fb44a69cf0eaa2063e11d9/mexico-taking-us-factory-jobs-blame-robots-instead
[8] https://www.theatlas.com/charts/ByT_Cb%E2%80%94e
[9] http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf
[10] http://projects.cberdata.org/reports/MfgReality.pdf
[11] http://www.theatlantic.com/business/archive/2015/10/onshoring-jobs/412201/
[12] https://www.bcgperspectives.com/content/articles/lean-manufacturing-innovation-robots-redefine-competitiveness/
[13] http://www.adidas-group.com/de/medien/newsarchiv/pressemitteilungen/2015/adidas-errichtet-erste-speedfactory-deutschland/
[14] https://www.theguardian.com/business/2015/nov/07/artificial-intelligence-homo-sapiens-split-handful-gods
[15] http://www.zeit.de/2016/40/legal-tech-algorithmen-juristen-ersatz/komplettansicht
[16] https://patrickspaet.wordpress.com/
[17] http://www.rotpunktverlag.ch/707