Trump, Kim und Yoon: Das explosive Dreieck in Asien

Dietmar Ringel
Yoon Suk Yeol

Yoon Suk Yeol. Bild: Paul Froggatt / Shutterstock.com

Südkoreas Präsident rief Ausnahmezustand aus – angeblich wegen Nordkorea. Er scheiterte. Warum, erklärt Eric Ballbach im Telepolis-Podcast.

Anfang Dezember rief der südkoreanische Präsident Yoon das Kriegsrecht aus – mit der Begründung, das Land müsse vor der Bedrohung durch kommunistische Kräfte aus Nordkorea geschützt werden. Der Ausnahmezustand war zwar nach wenigen Stunden beendet, aber die politischen Nachbeben dauern bis heute an.

Dr. Eric Ballbach gehört zu den besten Kennern Nord- und Südkoreas in Deutschland. Er ist Korea Foundation Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dietmar Ringel hat mit ihm gesprochen.

▶ Eigentlicher Grund für die Verhängung des Kriegsrechts war ja der anhaltende Haushaltsstreit zwischen der südkoreanischen Regierung und der Opposition. Nun fragt man sich, wie der Präsident auf die Idee kommen konnte, deswegen den Ausnahmezustand auszurufen.

Eric Ballbach: Der Auslöser bzw. Aufhänger war der Haushaltsstreit. Der eigentliche Grund war aber der Versuch, die innenpolitische Blockade aufzulösen, die in Südkorea bereits seit vielen Jahren anhält und sich seit den letzten Parlamentswahlen noch mehr zugespitzt hat.

Das sollte durch die Ausschaltung der Nationalversammlung und damit der Opposition geschehen. In der Politikwissenschaft bezeichnet man das als Self-Coup, in dem die amtierende Exekutive Maßnahmen gegen andere Institutionen des Landes ergreift. In diesem Fall wurden Truppen eingesetzt, um die Legislative auszuschalten. Das war ein drastischer und letzten Endes sicherlich auch illegitimer Schritt.

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▶ Aber Yoon muss ja vorher durchgespielt haben, was passiert, wenn er zu diesem Mittel greift. Und er konnte sich doch ausrechnen, dass er damit eine massive Gegenreaktion auslöst. Oder hätte der Plan auch funktionieren können?

Eric Ballbach: Wir sehen ja jetzt, dass die Unterstützung für Yoon nicht unbedeutend ist. Die Bezugnahme auf die Bedrohung aus Nordkorea hat Ängste geschürt oder versucht, sie zu schüren. Und das war der nicht ganz erfolglose Versuch, seine Unterstützer hinter sich zu versammeln.

Was sich mir nicht erschließt ist, dass er die Macht der Straße, die Macht der Bürger, die sich für die Demokratie in Südkorea auch historisch immer schon sehr stark eingesetzt haben, dass er diese Kraft offensichtlich so unterschätzt hat. Vielleicht gab es aber auch einen anderen Plan, von dem wir heute noch nichts wissen. Es gibt noch sehr viele Fragezeichen.

▶ Noch mal zur angeblichen Bedrohung durch kommunistische Kräfte aus dem Norden. Ist das eine Floskel, die man in einer solchen Situationen gebraucht, oder ist tatsächlich Substanz dahinter?

Eric Ballbach
Eric Ballbach. Bild: SWP

Eric Ballbach: Es rekurriert sicherlich einmal auf die tiefgreifende Spaltung innerhalb der südkoreanischen Bevölkerung, die sich nicht zuletzt auch im Hinblick auf Nordkorea ausdrückt. Die liberale Seite befürwortet eher eine Einbindungspolitik gegenüber Nordkorea, die konservative Seite eine knallharte Abschreckungspolitik. Und mit der Aussage, das Land sei durch kommunistische Kräfte aus dem Norden bedroht, setzt Yoon auf die damit verbundenen, tiefsitzenden Ängste.

Problematisch ist, dass er die Opposition als illegitim und hinderlich darstellt, indem er behauptet, bei den Parlamentswahlen im April 2024 habe es durch Nordkorea verursachte Unregelmäßigkeiten gegeben. Damals war die Demokratische Partei klarer Wahlsieger über seine eigene Partei.

Yoon nennt die Demokratische Partei illegitim, spricht von Kriminellen und Verrätern an Südkorea. So erklärt sich auch die wiederholte angebliche Bedrohung aus Nordkorea und der Zusammenhang zur Demokratischen Partei.

▶ Bis Ende der 1980er Jahre war Südkorea eine Diktatur, verschiedene Militärherrscher wechselten sich ab. Mittlerweile gilt das Land als gefestigte Demokratie. Wie stabil ist diese Demokratie wirklich?

Eric Ballbach: Ich glaube, wir müssen deutlich unterscheiden zwischen der Mehrheit der Bevölkerung, die für diese Demokratie nicht nur in der Vergangenheit gekämpft hat, sondern sich nach wie vor massiv dafür einsetzt. Das haben wir gerade jetzt in den Demonstrationen gegen Yoon immer wieder gesehen.

Auf der anderen Seite gibt es sicherlich ein problematisches Demokratieverständnis in Teilen der politischen Elite, wie die Ausrufung des Kriegsrechts gezeigt hat. Politikwissenschaftler weisen darauf hin, dass auf der einen Seite die demokratische Resilienz der Bevölkerung Südkoreas sehr stark ist, es auf der anderen Seite aber oftmals nur schwach ausgestaltete Institutionen gibt, die Angriffe auf die Demokratie im Voraus verhindern könnten. Das müssen wir deutlich unterscheiden.

▶ Wie schätzen Sie die Rolle des Militärs ein? Der abgesetzte Präsident sollte verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht werden. Er hatte sich aber verschanzt und wurde von Militärs bewacht. Gleichzeitig versuchten andere Militärs, ihn festzunehmen. Kann sich das Militär in der jetzigen Situation verselbstständigen?

Eric Ballbach: Ich glaube, da müssen wir ganz deutlich auf die Einflusskreise innerhalb der südkoreanischen Politik verweisen, die sehr stark durch wichtige Persönlichkeiten und auch informelle Verbindungen bestimmt werden. Und da gibt es noch ganz viele Leerstellen und offene Fragen. Es wird sicherlich Monate dauern, um sie zu beantworten.

Und dabei wird es genau darum gehen, welche Institutionen auf welche Weise in die Vorgänge verwickelt waren. Waren es informelle Seilschaften, die den ehemaligen Präsidenten Yoon unterstützt haben? Oder waren auch formelle Teile der Polizei und des Militärs beteiligt?

Das gilt es jetzt aufzuarbeiten. Das wird sicherlich vorerst nicht öffentlich geschehen, aber bei einer demokratischen Aufarbeitung dessen, was passiert ist, werden die Dinge sicherlich irgendwann öffentlich gemacht.

▶ Was glauben Sie, wie wird es in den nächsten Tagen und Wochen weitergehen? Yoon sitzt ja nach wie vor in Untersuchungshaft. Die Justiz muss sich jetzt mit dem Fall beschäftigen, und gleichzeitig gibt es große Aufregung in der Bevölkerung.

Eric Ballbach: Alle schauen natürlich jetzt erst mal auf das Verfassungsgericht, das theoretisch bis zu sechs Monate Zeit hätte, ein Urteil zu fällen. Wir gehen zwar nicht davon aus, dass es so lange dauern wird, aber einige Wochen oder auch Monate kann es sich hinziehen.

So lange ist Südkorea in einem politischen Stillstand, und das in Zeiten einer geopolitischen Poly-Krise und zu einem Zeitpunkt, an dem auch die Rückkehr von Donald Trump sicherlich dramatische Auswirkungen auf Südkorea haben wird. Wir sehen jetzt schon, dass es enorme wirtschaftliche Folgen gibt. Der Won, die südkoreanische Währung, ist auf einem 16-Jahrestief.

Das Vertrauen in die Institutionen, das Vertrauen in die Politik wird sicherlich Schaden nehmen. Und all das sind nur die internen Dinge. Wir reden noch gar nicht von den außenpolitischen Schäden, die die Ausrufung des Kriegsrecht mittel- und langfristig nach sich ziehen kann.

▶ Welche Auswirkungen könnte die erneute Machtübernahme von Trump in Washington für das Verhältnis zwischen Südkorea und den Vereinigten Staaten haben?

Eric Ballbach: In Südkorea sorgt man sich vor allem um drei Punkte. Zum einen geht es um die Frage, welche Implikationen die Rückkehr von Trump auf die bilateralen Beziehungen zwischen Südkorea und den USA haben wird. Hier geht es beispielsweise um wirtschaftliche Herausforderungen.

Trump wird angesichts des Ungleichgewichts in der Handelsbilanz sicherlich konkrete Forderungen stellen, auch im Hinblick auf die Finanzierung der US-Truppen im Land. Aber Südkorea hat aus Trumps erster Amtszeit gelernt, dass diese wirtschaftlichen Fragen am Ende gelöst werden können.

Viel schwerwiegender sind die sicherheitspolitischen Herausforderungen. Wie glaubhaft sind beispielsweise amerikanische Verteidigungszusagen angesichts der Bedrohung aus dem Norden?

Die zweite Ebene, auf der die Südkoreaner Besorgnis zeigen, sind die regionalen Konflikte, auch hier vor allem mit Blick auf Nordkorea. So könnte Trump zum Beispiel versuchen, mit den sogenannten "Crink-Staaten", also China, Russland, Iran und Nordkorea, individuelle Deals anzustreben, um die Kooperation zwischen diesen Ländern zu schwächen. Das aber, so die Befürchtung, könnte die Sicherheitsbedürfnisse Südkoreas aus dem Blick der USA geraten lassen.

Und es gibt eine dritte, ebenfalls regionale Ebene: Wie werden sich die USA unter Trump als regionale Ordnungsmacht im Indopazifik aufstellen? All das sind große Fragen, die man in Südkorea diskutiert und die jetzt auf ein sozusagen paralysiertes Südkorea treffen.

▶ In der ersten Amtszeit von Trump gab es zwei spektakuläre Treffen mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un. Trump hatte angeboten, die Beziehungen zu verbessern, wenn die Nordkoreaner ihr Atomprogramm runterfahren. Mittlerweile hat sich alles wieder extrem verhärtet. Glauben Sie, dass Trump erneut auf Kim Jong-un zugehen wird? Und was könnte das für das Verhältnis zwischen den USA und Südkorea bedeuten?

Eric Ballbach: Das ist genau die große Frage. Einerseits gehen wir davon aus, dass Nordkorea zumindest zu Beginn von Trumps Amtszeit keine Priorität hat. Er wird sich sehr stark auf die Migrationspolitik in den USA und wirtschaftliche Fragen konzentrieren. Und außenpolitisch wird er stark eingebunden sein durch Russlands Krieg gegen die Ukraine und durch die Fokussierung auf den Konflikt mit China.

Die zweite Sache ist, dass das Nordkorea von heute nur wenig zu tun hat mit dem Nordkorea von 2018, 2019, als die besagten Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un stattfanden. Es gibt heute eine ganz neue geopolitische Situation. Außerdem verfolgt Nordkorea derzeit eine andere außen- und sicherheitspolitische Strategie. Und es ist auch eine Tatsache, dass wir kaum noch funktionierende Kommunikationskanäle mit Nordkorea haben.

Das alles zusammengenommen ergibt eine ganz neue Situation, und ich würde mich wundern, wenn sich Nordkorea bedingungslos auf Gespräche über nukleare Abrüstung einließe. Das heißt nicht, dass sie nicht bereit sind, mit den USA in Kontakt zu treten. Aber Verhandlungen, die auf eine vollständige, unumkehrbare und verifizierbare Denuklearisierung abzielen, sehe ich momentan nicht, weil sich die Situation in und für Nordkorea so dramatisch geändert hat.

▶ Es gibt ja die globale Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und China. Trump hat schon angekündigt, dass er weitere Sanktionen gegen China plant. Andererseits geht er auch auf die chinesische Führung zu. Chinas Vizepräsident war sogar Gast bei Trumps Amtseinführung in Washington. Was heißt das für Südkorea? Wird die starke Fixierung auf China das Interesse der Amerikaner an Südkoreas schmälern – oder wird Südkorea vielleicht sogar wichtiger, um es möglicherweise in der Auseinandersetzung mit China zu instrumentalisieren?

Eric Ballbach: Es kommt am Ende ganz darauf an, wie Trump seine China-Strategie am ausgestalten wird. Wenn er versucht, eine weitgehende oder gar vollständige Entkoppelung von China zu erreichen, wird das am Ende auch die Rolle und Bedeutung Südkoreas stärken. Wenn wir an strategische Sektoren wie die Chipproduktion oder ähnliches denken, ist Südkorea ein Global Player und wird daher auch immer unverzichtbarer.

Aber vielleicht strebt Trump auch einen individuellen Deal mit China an, der zu Lasten südkoreanischer Sicherheitsinteressen geht. Das wissen wir alles noch nicht. Und genau deswegen macht man sich in Südkorea Sorgen. Eigentlich müsste man jetzt seine Leute in das Trump Team nach Washington schicken, aber das ist wegen der innenpolitischen Krise in Südkorea gerade kaum möglich.

▶ Nordkorea hat seine Beziehungen zu Russland deutlich intensiviert. Nach westlichen und südkoreanischen Angaben beteiligt sich Nordkorea mit Waffenlieferungen und auch mit Tausenden aktiven Kämpfern am Krieg Russlands gegen die Ukraine. Wie glaubwürdig sind diese Angaben?

Eric Ballbach: Die Angaben sind sehr glaubwürdig, weil sie mittlerweile von verschiedenen Seiten bestätigt wurden. Am Anfang waren das vor allem Geheimdienstinformationen, die dann aber auch aus der Ukraine und internationalen Quellen kamen. Beispielsweise wurden wiederholt nordkoreanische Raketenteile auf dem Schlachtfeld in der Ukraine identifiziert.

Damit konnte belegt werden, welche Waffensysteme Nordkorea konkret an Russland geliefert hat. Mit diesen Lieferungen und noch stärker mit der Verlegung von nordkoreanischen Truppen haben die Beziehungen zu Russland eine ganz neue Qualität erreicht. Wir gehen davon aus, dass die Waffenlieferungen mit russischen Zahlungen verbunden waren, um die vier großen Mängel in der nordkoreanischen Wirtschaft auszugleichen oder abzumildern.

Dabei geht es vor allem um den Mangel an Energie und Lebensmitteln, aber auch generell um fehlende Finanzmittel und Güter aller Art. Diese strukturellen Mängel, so die Einschätzung der Geheimdienste, versucht man, durch die Lieferung von Waffensystemen nach Russland abzumildern. Mit dem Verlegen von Truppen geht die Kooperation noch einen ganzen Schritt weiter, und wir gehen davon aus, dass Kim Jong-un dafür auch einen höheren Preis verlangt.

Das könnte die technologische Unterstützung in sehr sensiblen Bereichen wie beispielsweise der Wiedereintrittstechnologie nordkoreanischer Interkontinentalraketen oder deren Führungs- und Lenksysteme sein. Das sind strategisch sensible Bereiche, in denen Russland unserer Einschätzung nach Nordkorea ganz konkret unterstützt.

▶ Bislang galt China als wichtigster Partner Nordkoreas. Wird Russland China in dieser Rolle ablösen?

Eric Ballbach: Ich glaube nicht, dass es Nordkorea darum geht, China durch eine engere Kooperation mit Russland abzulösen. China ist auf vielen Ebenen sehr wichtig für Nordkorea, gerade in wirtschaftlicher Hinsicht.

Aber wir sehen auch immer wieder, dass China sich zurückgehalten hat, in der Kooperation mit Nordkorea weiter zu gehen, weil es in Peking kein Interesse an einem nuklearen Nordkorea gibt. Gleichzeitig hat man aber noch sehr viel weniger Interesse an einem instabilen oder kollabierenden Nordkorea.

Deshalb hat sich eine Art von Handelsbeziehung entwickelt, die man so beschreiben könnte: Man gibt nur so viel an Nordkorea, dass es überleben, aber nicht prosperieren kann. Und hier setzt jetzt die Kooperation mit Russland an. Am Ende geht es um die Zusammenarbeit mit beiden Ländern. Das macht Nordkorea auch immer wieder deutlich.

▶ Es gibt regelmäßig spektakuläre Tests von Atomraketen durch Nordkorea. Das wird auch häufig in den Nachrichtensendungen hierzulande gezeigt. Und dabei stellt sich jedes mal die Frage: Wie gefährlich ist das, was da passiert? Wie weit sind die Nordkoreaner mit ihrem Atomprogramm?

Eric Ballbach: Wir gehen davon aus, dass Nordkorea wichtige Technologien eines Nuklearstaates bis jetzt gemeistert hat. Das ist zum einen die Entwicklung von nuklearen Sprengköpfen, die ja auch wiederholt getestet wurden. Das ist zum zweiten die Entwicklung von entsprechenden Trägersystemen, die diese Sprengköpfe theoretisch an jeden Punkt der Erde transportieren können.

Und das ist zum dritten die Verkleinerung dieser Sprengköpfe, um mehrere davon auf einer Rakete zu montieren. Das alles hat Nordkorea offensichtlich gemeistert. Jetzt geht es um die allerletzten Schritte hin zu einem de facto Nuklearstaat. Und da reden wir über Technologien, die es möglich machen, das Ziel, das man mit diesen Raketensystemen erreichen will, auch tatsächlich zu treffen.

Hier kommen sehr sensible und schwer zu meisternde Technologien ins Spiel, damit eine Rakete den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre unbeschadet übersteht und nicht vom Kurs abkommt. Und da sind wir wieder bei der Kooperation mit Russland.

▶ Herr Ballbach, Sie arbeiten für die Stiftung Wissenschaft und Politik, die ja auch die Bundesregierung berät. Wie wichtig ist Südkorea für Deutschland?

Eric Ballbach: Südkorea ist ein enorm wichtiger Partner in der Region für Deutschland in mehrerlei Hinsicht. Wir haben gesehen, dass sich die bilateralen Beziehungen gerade in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet haben. Klassischerweise ging es vor allem um wirtschaftliche Fragen. Es ging auch um die kulturelle Zusammenarbeit, Wissenschaftskooperation und immer wieder auch um Fragen, die mit der Wiedervereinigung zu tun haben.

In den letzten Jahren haben wir aber gesehen, dass diese klassischen Themen immer stärker auf andere Gebiete wie wirtschaftliche Sicherheit, Cyber-Security und Verteidigung ausgeweitet wurden. Das spricht für die Bedeutung Südkoreas als Partner in diesen kritischen Bereichen, zum Beispiel wenn es um die Stabilisierung von Lieferketten bei Rüstungsgütern geht. Immer wichtiger wurde auch die sogenannte wertebasierte Kooperation, womit wir allerdings bei den Schäden sind, die die jüngsten Ereignisse in Südkorea mittel- und langfristig anrichten können.

Wir haben Südkorea als einen wichtigen Wertepartner angesehen, tun das natürlich auch noch immer. Aber da werden jetzt große Fragen laut. Und wenn wir nicht aufpassen, können die Beziehungen sicherlich auch Schaden nehmen.

▶ Wie ist es andersrum? Wie wichtig ist Deutschland für Südkorea?

Eric Ballbach: Deutschland ist für Südkorea zum einen der wichtigste Handelspartner in Europa. Das zeigt ganz deutlich unsere wirtschaftliche Bedeutung. Aber auch für Südkorea ging es in den vergangenen Jahren immer stärker um die außenpolitische und außenwirtschaftliche Diversifizierung. Denn bereits 2017 wurde das Land zum Ziel chinesischer Sanktionen.

Damals hat Südkorea ein Raketenabwehrsystem der USA installiert, woraufhin China die ökonomischen Beziehungen zu Südkorea ins Visier nahm und ein Unternehmenskonglomerat sanktionierte, das in China tätig war. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen hat man in Südkorea schon sehr früh die Lektion gelernt, dass es auf Diversifizierung ankommt. Und in diesem Zusammenhang wurde auch Europa immer wichtiger, nicht nur als Wirtschaftspartner, sondern auch als Partner in Sicherheitsfragen.

Beispielsweise wurde von den Geheimdiensten Deutschlands und Südkoreas bereits zweimal ein sogenannter Cyber Security Advisory herausgegeben, in dem explizit vor der Cyberbedrohung durch Nordkorea gewarnt wird. Gerade deutsche Rüstungsunternehmen sind immer wieder Ziel nordkoreanischer Cyberangriffe.

Das zeigt immer deutlicher die Überlappung der Sicherheitsdynamiken im Indopazifik und in Europa – ausgedrückt ja auch durch die Nordkorea-Russland-Kooperation. Und es zeigt, wie wichtig es auch für Südkorea ist, mit Ländern wie Deutschland in diesen Fragen zusammenzuarbeiten.

Dietmar Ringel war im Gespräch mit Dr. Eric Ballbach, Korea Foundation Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.