Trump im Sinkflug nach neuer Anklage?

David Goeßmann

Donald Trump sieht sich einer Reihe von schwerwiegenden Anklagen gegenüber. Bild: heblo / Pixabay

Der Ex-US-Präsident und republikanische Frontrunner wird angeklagt, Geheimdokumente zurückgehalten zu haben. Ein Gamechanger für die US-Wahl 2024? Was uns die neuesten Umfragen zeigen.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat gestern mitgeteilt, dass er wegen seines Umgangs mit Geheimdienstdokumenten angeklagt worden ist. Mehrere Medien in den USA bestätigten das.

Es ist das erste Mal, dass ein Ex-Präsident auf Bundesebene beschuldigt wird. Die Anklage gegen Trump wegen 34 Straftaten im Zusammenhang mit angeblichen Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels während des Wahlkampfes 2016 wird von einem Bezirksstaatsanwalt von erhoben. Laut ABC News umfassen die Anklagepunkte:

… vorsätzliche Zurückhaltung von Informationen zur nationalen Verteidigung, Verschwörung zur Behinderung der Justiz, Zurückhalten eines Dokuments oder einer Aufzeichnung, korrupte Verheimlichung eines Dokuments oder einer Aufzeichnung, Verheimlichung eines Dokuments in einer Bundesuntersuchung, planvolles Verbergen und falsche Aussagen sowie Zusicherungen.

Die Reaktionen sind, wie zu erwarten. Trump beteuert seine Unschuld und spricht von einem "schwarzen Tag für die Vereinigten Staaten von Amerika". Er postete ein Video über das, was er die "Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten" nennt. Die Republikaner stimmen in diesen Chor ein.

Die Demokraten sprechen von einer "weiteren Bestätigung der Rechtsstaatlichkeit". Der Abgeordnete Adam Schiff erklärte: "Vier Jahre lang hat er gehandelt, als stünde er über dem Gesetz. Aber er sollte wie jeder andere Gesetzesbrecher behandelt werden. Heute wurde er das."

Anders als Biden hat Trump große Mengen an Dokumenten, insgesamt 11.000 Stück, in sein Anwesen Mar-a-Lago in Florida wissentlich mitgenommen und trotz Aufforderung, sie auszuhändigen, nicht vollständig dem Nationalarchiv übergeben. Das ist der entscheidende Unterschied zu Bidens Fall, der sich nie geweigert hat, sie zu übergeben.

David Rothkopf argumentiert daher im US-Medium Daily Beast, dass es bei Trump um die nationale Sicherheit gehe:

Aufgrund der bereits veröffentlichten Beweise wissen wir, dass Trump nicht versehentlich ein oder zwei als geheim eingestufte Dokumente vom Weißen Haus nach Mar-a-Lago gebracht hat. Er wurde wiederholt über den richtigen Umgang mit Verschlusssachen unterrichtet. Er hat sogar auf einem Tonband zugegeben, dass er wusste, wie solch sensible, leicht als Waffe einsetzbare Dokumente behandelt werden sollten.

Aber er hat das Gesetz ignoriert. Er ging über die Ratschläge hinweg, die ihm wiederholt erteilt wurden. Und nach den bisherigen Berichten stahl er zahlreiche Gegenstände, die ihm nicht gehörten, zu denen er kein Recht hatte und die das Leben von Amerikanern und unsere nationalen Interessen sowie die unserer Verbündeten gefährden können.

Im Bundesstaat Georgia droht weiteres juristisches Ungemach. Dort klagt die Staatsanwaltschaft Trump wegen Wahlmanipulation an.

Was hat das mit den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr zu tun? Sind die Effekte der Anklagen nicht letztlich politisch vernachlässigbar? Ist Trump nicht immer wieder mit Lügen und Anklagen davon gekommen, ohne dass sich die Republikaner-Wähler:innen von ihm abgewendeten?

Und dann: Beim Kandidaten-Rennen innerhalb der republikanischen Partei steht er weiter an der Spitze. Bei nationalen Umfragen liegt sein demokratischer Konkurrent Joe Biden auch nur mit knapp zwei Prozentpunkten vor ihm.

Erstaunlich: Was 62 Prozent über einen verurteilten Trump sagen

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Trumps Siegesstern ist tatsächlich im Sinkflug begriffen. Denn die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn belasten ihn schwer und könnten an den Wahlurnen entscheidend sein.

So zeigt eine Umfrage von Yahoo News/YouGov, die vom 25. bis 30. Mai durchgeführt und Anfang dieser Woche veröffentlicht wurde, dass die Wähler:innen insgesamt niemanden wählen wollen, der eines schweren Verbrechens angeklagt oder verurteilt worden ist.

Nun glaubt zugleich die Mehrheit der Befragten, dass Trump in seinem Leben solche Verbrechen begangen hat: 52 Prozent der Befragten sagen das.

Zudem antwortete mehr als ein Drittel der Befragten (34 Prozent), dass sie Trump gegenüber negativer eingestellt sind als zuvor. Allein unter den republikanischen Befragten waren es 22 Prozent.

Damit wird seine Rolle als Spitzenkandidat der Partei zwar nicht angegriffen. Aber er kann es sich wahrscheinlich nicht leisten, diese Wähler:innen zu verlieren, wenn er 2024 tatsächlich als Kandidat der Republikaner ins Rennen gehen wird.

Noch wichtiger ist jedoch, dass ein beträchtlicher Teil der Wähler:innen meint, dass Trump im Falle einer Verurteilung wegen eines schweren Verbrechens nicht ins Weiße Haus einziehen sollte. Mehr als sechs von zehn Wählern (62 Prozent) sagen demgemäß, dass er dann von der Präsidentschaft ausgeschlossen werden sollte. Nur weniger als ein Viertel (23 Prozent) sieht das anders.

Obwohl die republikanischen Wähler Trump in den Jahren der Kontroversen und der antidemokratischen Stimmung die Treue gehalten haben, sagen fast vier von zehn Republikaner-Wähler:innen (39 Prozent) nun, dass er im Falle einer Verurteilung nicht mehr Präsident werden sollte.

Tatsache ist: Trump fehlt seit seiner Niederlage im Jahr 2020, seiner Wahlmanipulations-Kampagne und dem Aufruf zum Staatscoup danach das Momentum, auch wenn ihm alles zuzutrauen ist. Die US-Verfassung lässt es zwar zu, dass selbst Verurteilte für öffentliche Ämter antreten dürfen. Ob er in solch einem Fall aber genug Vertrauen von seinen republikanischen Wähler:innen bekommen würde, ist angesichts der Stimmung im Land unwahrscheinlich.