Trump in der Krise
Die Umfragewerte des amerikanischen Präsidenten zeigen nach unten
Donald Trump, dessen Wiederwahl viele Beobachter noch kürzlich für eine abgemachte Sache hielten, fällt in Umfragen hinter seinen Konkurrenten Joe Biden zurück. Laut neuesten Umfragedaten von ABC News/Washington Post hat Biden mit 53 zu 43 Prozent unter registrierten Wählern einen Vorsprung von 10 Punkten gegenüber Trump. Unter allen Erwachsenen beläuft sich Bidens Vorsprung sogar auf 13 Prozent.
Bis vor kurzem tat Trump nicht nur so, als sei er unbesiegbar. Viele hielten ihn auch dafür. Noch Anfang Februar, nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani und dem Freispruch im Impeachmentverfahren, schien das Prinzip Trump sich durchzusetzen. Der Präsident hatte die höchste Zustimmungsrate seiner Amtszeit, während die Demokraten nicht einmal imstande schienen, ihre Vorwahlen zu organisieren.
Ein Vierteljahr später und eine Pandemie weiter sieht die Lage anders aus. Besonders sein Umgang mit dem Coronavirus scheint Trump viel Zustimmung gekostet zu haben. Die befragten Wähler würden mehrheitlich Joe Biden ein besseres Management im Umgang mit der Coronakrise zutrauen. Dies ist für den Präsidenten wenig erfreulich, da in den USA, wie in vielen anderen Ländern, einer Mehrheit der Bevölkerung die Eindämmung des Virus wichtiger ist, als eine schnelle Öffnung der Wirtschaft.
Unter den registrierten Wählern führt Biden auf nationaler Ebene mit 53 Prozent zu 43 Prozent für Trump. Vor zwei Monaten lagen der ehemalige Vizepräsident und der jetzige Präsident mit 49 Prozent zu 47 Prozent noch fast gleich auf. Unter seinen Anhängern genießt Trump weiterhin große Unterstützung. 87 Prozent der Anhänger Trumps erklären, dass sie ihn mit Begeisterung unterstützen, 64 Prozent seiner Anhänger sind sogar "sehr begeistert". Bidens Unterstützer sind nicht ganz so begeistert von ihrem Kandidaten.
Zu Beginn der Corona-Krise scheint Trump von einem typischen Kriseneffekt profitiert zu haben: Seine höchsten Zustimmungswerte überhaupt erreichte der Präsident in einer Post-ABC-Umfrage im März. In Zeiten nationaler Krisen neigen die amerikanischen Wähler dazu, dem Präsidenten einen Vertrauensvorschuss zu gewähren und ihn zu unterstützen. Dies scheint auch dieses Mal der Fall gewesen zu sein, als Wechselwähler, Frauen und sogar Gruppen, die den Demokraten zugeneigt sind, Trump zunächst ihre Zustimmung gaben.
Seit Mitte April wächst die Unzufriedenheit mit Trump
Mittels Regressionsanalysen konnten die Demoskopen feststellen, dass sich die Präsenz von COVID-19 auf das Wählerverhalten auszuwirken scheint. Biden führt mit 72 Prozent zu 24 Prozent in demjenigen Viertel der Landkreise, in denen die meisten Ansteckungsfälle aufgetreten sind. In demjenigen Viertel mit den wenigsten Fällen führt Trump mit 60 zu 38 Prozent. Zwar gebe es mehr Demokraten in von der Pandemie stärker betroffenen Gegenden. Aber die Zahl der COVID-19 Fälle stelle einen unabhängigen Faktor dar, der Wählerpräferenzen voraussage.
Während eines kurzen Zeitraums von Ende März bis Anfang April überstieg der Anteil derjenigen, die Trumps Corona-Management guthießen, diejenigen, die seiner Vorgehensweise kritisch gegenüberstanden. Doch nach der zweiten Aprilwoche, so eine Auswertung des Online-Portals "FiveThirtyEight", stieg die Zahl der Unzufriedenen konstant an, bis sie in der vierten Maiwoche ein Plateau erreichte. Ende Mai lag die Quote der Unterstützer von Trumps Corona-Politik bei nur noch 43 Prozent, die derjenigen, die sein Krisenmanagement ablehnen, bei über 53 Prozent.
Wie seit Jahren korrelieren die Einstellungen zur Performance des Präsidenten mit den Parteipräferenzen der Wähler. Sechs von zehn Republikanern beurteilen die wirtschaftliche Lage als gut, ein Fünftel der Republikaner hält sie sogar für sehr gut. Mehr als acht von zehn Demokraten und fast sieben von zehn unabhängigen Wählern beurteilen die Wirtschaft negativ. Ähnlich die Verteilung zu Trumps Corona-Politik: Die Mehrheit der Republikaner stimmt ihr zu, während eine wachsende Zahl von demokratischen und unabhängigen Wählern sie ablehnen.
"Wie die Eröffnungsmontage in einem dystopischen Film über eine Nation im freien Fall"
Nicht zwingend hilfreich für Trumps Wahlchancen ist die derzeitige Welle an Protesten, die sich, einer Epidemie gleich, durch die USA bewegt. In wenigen Tagen hat sich, ausgehend von Minneapolis, ein Netz an Clustern mit Demonstrationen und gewalttätigen Ausschreitungen herausgebildet. In 25 Städten in 16 Bundesstaaten wurden in der Nacht zum 31.05.2020 Ausgangssperren verhängt, welche manche Menschen jedoch weniger ernst nahmen als die eben noch gültigen Corona-Beschränkungen. Die Folge waren zahlreiche gewaltsame Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften.
Während der Sars-Ausbruch des Jahres 2002 im Nachhinein wie ein Vorgeplänkel der Coronavirus-Pandemie des Jahres 2020 erscheint, gilt dies für die Unruhen in Los Angeles des Jahres 1992 in Relation zu den George-Floyd-Protesten: War der frühere Gewaltausbruch räumlich und zeitlich begrenzt, so verfielen zahlreiche Großstädte der USA im Frühsommer 2020 in wenigen Tagen in bürgerkriegsähnliche Zustände. In Minneapolis wurden reihenweise Geschäfte niedergebrannt, während in New York City Demonstranten von einem Polizeifahrzeug überrollt wurden.
"Die letzten zweieinhalb Monate in Amerika", schrieb eine Kommentatorin der "New York Times" Ende Mai, "haben sich wie die Eröffnungsmontage in einem dystopischen Film über eine Nation im freien Fall angefühlt." Ein hochentzündliches Gemisch mache Amerika zu einem Pulverfass: Massenarbeitslosigkeit, die durch die Pandemie deutlich gewordenen Ungleichheiten, Polizeigewalt, Rechtsradikale, die auf einen zweiten Bürgerkrieg hofften und ein Präsident, der Öl in jedes Feuer gieße. Es gebe also einen aktuellen Anlass, aber zahlreiche Ursachen für die Unruhen.
Über Trumps politisches Schicksal wird an den Wahlurnen nicht zuletzt eine relativ überschaubare Zahl von unentschlossenen Wählern entscheiden. Manche vermuten, dass es Trump auch in der jetzigen sozialen Krise gelingen werde, vom Bonus des Krisenmanagers zu profitieren. Doch in der Corona-Krise gelang ihm dies nur ein paar Wochen. Und bis zu den Wahlen vergehen noch etliche Monate.
Dr. habil. Thomas Schuster, ehem. Berater bei Roland Berger und ehem. Autor der Frankfurter Allgemeine ist Hochschullehrer für Kommunikations- und Medienwissenschaft. Seine Bücher "Staat und Medien. Über die elektronische Konditionierung der Wirklichkeit" und "Die Geldfalle. Wie Medien und Banken die Anleger zu Verlierern machen" sind bei S. Fischer und im Rowohlt Verlag erschienen.
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