Türkei eskaliert im Nahen Osten

Zuletzt mehrten sich die Anzeichen einer weiteren türkischen Militäroperation in Nordsyrien und im Nordirak. Am Osterwochenende marschierte die NATO-Armee in den Nordirak ein. Die Türkei nutzt den Krieg in der Ukraine für den Kampf gegen die Kurden.

Im vergangenen Herbst versuchte Ankara eine neue Offensive östlich des Euphrat, doch weder Russland noch die Vereinigten Staaten gaben grünes Licht. Nun plant die Türkei offenbar im Schatten des Ukraine- Kriegs neue Angriffe.

Anfang April gab es einen türkischen Drohnenangriff in Nordostsyrien auf das Fahrzeug des beliebten kurdischen Dichters Farhad Marde. Dabei wurde eine Person getötet und zwei weitere verletzt, darunter der Dichter. Am darauffolgenden Tag gab es weitere Drohnenangriffe, bei denen ein assyrischer Christ und Angehöriger der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) schwer verletzt wurden. Mittlerweile sterben durch türkische Drohnen- oder Artillerieangriffe nahezu täglich neben Soldaten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) auch Zivilisten - darunter Frauen und Kinder.

"Das türkische Militär scheint seine Angriffe auf Minderheiten in Syrien zu intensivieren. Denn wegen des Krieges in der Ukraine lässt die russische Armee den türkischen Präsidenten gewähren. Zugleich ist die NATO besonders auf die Türkei angewiesen", erklärt Kamal Sido, Nahostexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV).

"Bundesregierung und NATO kritisieren die andauernden völkerrechtswidrigen Angriffe auf ethnische und religiöse Minderheiten in Syrien mit keinem Wort. Sie verspielen damit in der Region jede Glaubwürdigkeit," kommentiert der Nahostexperte das laute Schweigen der Bundesregierung.

In den vergangenen zwei Jahren wurden hunderte Menschen durch türkische Drohnenangriffe gezielt getötet oder verletzt. Neben der kurdischen Bevölkerung seien auch christliche, ezidische, alevitische und andere Minderheiten betroffen, berichtet Kamal Sido. Die Türkei nahm in letzter Zeit verstärkt kurdische Stellungen in Ain Issa und Til Temir entlang der wichtigen Autobahn M4 sowie in Manbij und im Umland von Aleppo ins Visier. Anfang April wurde ein Führer des christlichen assyrischen Militärrats bei einem türkischen Drohnenangriff verletzt. Ebenfalls am 3. und 4. April gab es Drohnenangriffe auf die nordsyrischen Ortschaften Til Temir und Zirgan. Am 7. April wurden fünf Zivilisten im Dorf El Esediy verletzt, darunter drei Kinder.

Kurdische Quellen aus der Region berichten über türkische Truppenbewegungen entlang der syrischen und irakischen Grenze. Am 3. April überquerte ein Militärkonvoi mit 90 Fahrzeugen die Grenze nach Idlib und fuhr zu den türkischen Außenposten in al-Mastuma und dem Luftwaffenstützpunkt Taftanaz.

Den Krieg gegen Zivilisten hat sich die Türkei von Russland abgeschaut. Wie jetzt in der Ukraine bombardierte Russland in Aleppo Krankenhäuser, Bäckereien und Schulen. Auch die berüchtigte Wagner- Truppe soll zum Einsatz gekommen sein.

Die Zeitung Die Welt zieht Parallelen: "Ankara baute sich eine Söldnerarmee aus überwiegend radikal- islamistischen Rebellenmilizen Syriens auf. Mit ihrer Hilfe führte die Türkei drei völkerrechtswidrige Invasionen in Nordsyrien durch. Diese syrischen Söldner 'begingen schwerwiegende Vergehen und Kriegsverbrechen', schrieb Amnesty International nach der letzten Offensive 2019. Dazu gehörten standrechtliche Erschießungen, Angriffe auf Wohngebiete, Bäckereien und Schulen."

Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte in einem während der Pandemie veröffentlichen Essay: Russland und die Türkei seien die dominierenden Staaten der internationalen Politik, weil sie bereit sind, für ihre Interessen auch mit Gewalt einzutreten. Man könnte nun ergänzen, dass Deutschland, die EU und die NATO, Kriegsverbrechen dieser Länder hinnehmen, solange es ihren Interessen entspricht. Sonst dürfte es die türkischen Drohnenangriffe in Nordsyrien gegen die Zivilbevölkerung gar nicht geben.

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