Türkei eskaliert im Nahen Osten
Seite 3: Erdogan wirbt um Neuanfang mit Damaskus
Die Internetzeitung ‚Al Monitor‘ berichtete unter Berufung auf die regierungsnahe türkische Tageszeitung Hürriyet vom 4. April über Bemühungen Erdogans, die Beziehungen zum syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu normalisieren.
Türkische Regierungsbeamte sollen Russland und den Iran beschuldigt haben, frühere "Gelegenheiten für Fortschritte mit Syrien" behindert zu haben. Sie würden eine Chance für einen ‚Neuanfang‘ mit Damaskus sehen, da Russland mit der Ukraine beschäftigt sei. Sie hoffen damit gleichzeitig, das syrische Flüchtlingsproblem in der Türkei und ‚das PKK-Problem‘ zu lösen.
Laut dem Bericht von Al Monitor will die türkische Regierung den Dialog mit der Assad-Regierung zu folgenden Themen aufnehmen: Erhaltung des zentralistischen Syriens, Sicherung der territorialen Integrität des Landes und Gewährleistung der sicheren Rückkehr der Geflüchteten. Nach dem Willen der Türkei soll mindestens die Hälfte der in der Türkei lebenden syrischen Geflüchteten rückgeführt werden.
Bei den ersten beiden Themen geht die türkische Regierung davon aus, dass sie sich mit Assad darauf einigen kann, die demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien zu zerschlagen. Beim dritten Thema spekuliert Ankara darauf, dass die Geflüchteten in den türkisch besetzten Gebieten in Nordsyrien angesiedelt werden, um den demographischen Wandel zu Ungunsten der kurdischen Stammbevölkerung voranzutreiben.
Erdogan geht davon aus, dass Russland durch den Krieg gegen die Ukraine sein Engagement in Syrien zurückfährt und die Türkei zum wichtigeren Player in Syrien wird. Allerdings scheint das türkische ‚Engagement‘ im Norden Syriens nicht auf Gegenliebe Assads zu stoßen, denn Damaskus bleibt nach Al Monitor bei seiner Aufforderung an Ankara, "das Völkerrecht, bilaterale Abkommen und das Prinzip der guten Nachbarschaft zu respektieren".
Damaskus könne keinen Dialog mit Erdogans Regime in Erwägung ziehen, "wenn es nicht zuerst die türkischen Streitkräfte abzieht, die sich illegal auf syrischem Boden aufhalten, und seine Unterstützung für Terroristen und die wiederholten Übergriffe auf Syrer beendet." Damaskus würde niemals seine Forderung an die Türkei aufgeben, ihre Truppen aus Syrien abzuziehen und die Syrische Nationalarmee (SNA) und andere islamistische Milizen, die Ankara unterstützt, aufzulösen, glaubt der in Damaskus lebende syrische Journalist Sarkis Kassargian.
Ankaras Absicht, den Ukraine-Krieg auszunutzen, wird in Damaskus als unmoralisch und opportunistisch bezeichnet. Die syrische Regierung empfindet Russland nach wie vor als Schutzmacht. Kassargian glaubt, dass die syrische Regierung derzeit wenig Anreiz hat, sich um eine Versöhnung mit der Türkei zu bemühen. Nicht, dass Assad plötzlich humanitäre Ambitionen hätte, aber er sieht keinen Anhaltspunkt, wo er von einem Deal mit Erdogan derzeit profitieren könnte.
Assad ist sich bewusst, dass die syrischen Geflüchteten in Verbindung mit der katastrophalen Wirtschaftslage in der Türkei dazu führen könnten, dass Erdogan die Wahlen im nächsten Jahr verliert. Allerdings scheint ihn das wenig zu interessieren. Assad konzentriert sich vielmehr auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Beziehungen zum Iran und die Bemühungen um eine Rückkehr in die Arabische Liga.
Ankaras Kalkül für eine Versöhnung mit Damaskus sind nichts weiter als Wunschdenken. Für Damaskus ist der Rückzug der Türkei mit allen "Proxys" aus Syrien eine entscheidende Schwelle für den Dialog.
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