UN-Generalsekretär mahnt zu Abrüstung und Klimaschutz

Rolf Bader
UNO-Logo-Ölzweige halten Globus

UN-Chef Guterres fordert auf Gipfel: Atomwaffen abschaffen und den Planeten vor der Klimakatastrophe retten.

Der Klimawandel müsse gestoppt und die Abrüstung wieder in den Mittelpunkt der internationalen Agenda gerückt werden. Das Ziel müsse eine Welt ohne Atomwaffen sein, so die mahnenden Worte des UN-Generalsekretärs António Guterres an die Weltstaatengemeinschaft auf dem Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen im September 2024 in New York.

Klimakrise und deren Folgen

Der menschengemachte Klimawandel gefährdet den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten. Die wissenschaftliche Datenlage ist umfänglich und gilt als gesichert.1 Die Erwärmung der Atmosphäre, Wasser- und Nahrungsmangel, Anstieg des Meeresspiegels, Natur- und Hungerkatastrophen und das Artensterben sind die gravierendsten Folgen des weltweiten Klimawandels. Besonders davon betroffen sind Länder des Globalen Südens.

"Diese Krisen wurden durch jahrzehntelangen schonungslosen, nicht nachhaltigen Konsum und nicht nachhaltige Produktion ausgelöst. Sie verstärken gravierende Ungleichheiten und bedrohen unsere gemeinsame Zukunft", so Inger Andersen, Exekutiv-Direktorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.2 Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Industrieländer des Nordens, deren extensive Wirtschafts- und Produktionsweise in Verbindung mit der Externalisierung ihrer Umweltschäden zum Klimawandel beigetragen haben.

Militär, Rüstung und Kriegsfolgen fehlen in der Umweltbilanz

Der Militärisch-Industrieelle Komplex und seine Auswirkungen auf das Klima fanden bisher wenig Berücksichtigung.

Kriege und globale Rüstungsausgaben von derzeit über zwei Billionen US-Dollar sind ein Treiber des Klimawandels. Der CO2-Ausstoß des Militärs ist für rund 5,5 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Zu diesem Ergebnis kommt die von den "Scientists for Global Responsibility" und dem "Conflict and Environmental Observatory" veröffentlichte Studie "Estimating the Military Global Greenhouse Gas Emissions".

Konflikte und Kriege bleiben aufgrund unzureichender Daten in der Klimabilanz unberücksichtigt. Dies bedeutet, dass direkte Auswirkungen der Kriegsführung, wie Brände in Öldepots und Wäldern, Schäden an Infrastrukturen und Ökosystemen sowie Wiederaufbau und Gesundheitsversorgung für Überlebende, überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass es sich bei den ermittelten 5,5 Prozent um eine sehr konservative Schätzung handelt.

Auf Druck der USA wurden die Prozent-Emissionen des Militärs aus den Klimaabkommen des Kyoto-Protokolls von 1997 und dem Pariser Klimaabkommen von 2015 ausgenommen.

Wechselwirkung zwischen Klimawandel, Konflikten und Kriegen

Der Klimawandel befördert Konflikte, die auf Umweltveränderungen zurückzuführen sind. Die fortschreitende Wasserknappheit und der beanspruchte Zugriff auf Quellen, Flüsse und Talsperren führen zu Konflikten, die in Kriege eskalieren können. Dieses Szenario ist besonders in Ländern des Südens sehr realistisch.

"Der Klimawandel verstärkt bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten und andere wirtschaftliche, soziale und politische Risikofaktoren, die sich negativ auf die Fähigkeiten von Gesellschaften und Akteuren auswirken, gewaltsame Konflikte sowohl zu vermeiden als auch sie zu schlichten", so Andrea Steinke vom Centre for Humanitarian Action in Berlin.3

Konflikte und Kriege lösen Fluchtbewegungen von Millionen Menschen aus, die in Hunger und Elend zu überleben versuchen. Im Jahr 2022 seien infolge des Klimawandels und daraus resultierender Konflikte bis zu 100 Millionen Menschen vertrieben worden, so die Forscherin.

Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit

Die ungleiche Verteilung von Lebenschancen zwischen Staaten des Südens und des Nordens ist Ursache von Spannungen und gewaltsamen Konflikten. Ungleiche Handelsströme und Protektionismus sind die Indizien einer schwelenden Strukturkrise der heutigen Weltwirtschaft. Der Abbau des Handelsprotektionismus mit dem Ziel einer auf Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit bauenden Wirtschaftsordnung mit den Ländern des Südens wäre dringend notwendig.

Nicht eine Kopie grenzenloser Industrialisierung, sondern eine Entwicklung, die Nachhaltigkeit fördert und im Einklang mit der Umwelt die Industrie und die regionale Landwirtschaft gleichermaßen fördert, ist ein zentrales Ziel des UN-Environment-Programms. Diese Transformation schließt natürlich die Industrieländer des Nordens mit ein.

Der Atomwaffensperrvertrag

Weltweit besitzen die Atomwaffenstaaten knapp 13.000 Atomwaffen. Es gibt keine Gewähr dafür, dass diese Waffen bei einem Versagen der Abschreckung nicht zum Einsatz kämen. Wir stehen heute in einer politischen Grenzsituation, bei der wir uns keine entscheidenden Fehler mehr leisten dürfen. Bei einem Versagen kämen Zerstörungspotenziale zum Einsatz, die das Leben auf unserer Erde auslöschen würden.

Der Vertrag trat 1970 in Kraft und regelt die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Gründerstaaten waren die USA, die Sowjetunion und Großbritannien. 1992 kamen China und Frankreich hinzu. Derzeit haben 193 Staaten den Vertrag unterzeichnet. Die Atomwaffenstaaten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea (einseitiger Rücktritt 2003) gehören dem Vertrag nicht (mehr) an.

Der Vertrag verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, über die vollständige Abschaffung ihrer Atomwaffen zu verhandeln. Im Gegenzug verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht im Besitz von Atomwaffen sind, auf deren Erwerb.

Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen (AVV)

Der Vertrag trat am 22.01.2021 in Kraft. Inzwischen haben ihn weltweit 70 Staaten ratifiziert. Der Vertrag untersagt allen Unterzeichnerstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern und zu testen. Auch die Weiterverbreitung von Atomtechnologie ist verboten. Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen schließen sich damit aus.

Der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen weist den Weg zu einer atomwaffenfreien Welt. Biologische Waffen sind seit 1975, chemische Waffen seit 1997 völkerrechtlich verboten. Das gilt nun endlich auch für Atomwaffen. Der Verbotsvertrag wird in den kommenden Jahren immer mehr an Gewicht gewinnen und weltweit Staaten zur Unterzeichnung veranlassen. Diese Entwicklung wird sich auch nicht über Einflussname der Atomwaffenstaaten aufhalten lassen. Vielmehr wird der Druck auf diese wachsen, endlich die im Atomwaffensperrvertrag eingegangenen Verpflichtungen einzulösen.

Gemeinsame Sicherheit als Chance nutzen

Um die Gefahr eines Atomkriegs zu bannen, bedarf es Strategien, die auf Friedens- und Entspannungspolitik bauen. Der Palme-Bericht zur "Gemeinsamen Sicherheit", der 1982 den Vereinten Nationen vorgelegt wurde, ist in seinen Empfehlungen auch heute noch wegweisend.4 Er forderte damals während des Kalten Krieges die Rückkehr zu Verhandlungen über Rüstungskontrolle und Abrüstung, die auch aktuell wieder auf die Agenda der internationalen Politik gehören.

Auch wenn in der aktuellen Lage die Revitalisierung des Konzepts schwierig erscheint, ist gemeinsame Sicherheit ein Wegweiser in eine Richtung, die nachhaltigen Frieden und Klimagerechtigkeit befördern kann5:

Eine Konflikttransformation kann eine sozial-ökologische Transformation unterstützen, um langfristig den von António Guterres vorgeschlagenen "Frieden mit der Natur" zusammen mit dem "Frieden unter den Menschen" zu erreichen.

Jürgen Scheffran

Die UN-Charta – Ein Wegweiser für den Weltfrieden!

Am 24. Oktober 1945 trat die UN-Charta in Kraft. Der Tag gilt gleichzeitig auch als Gründungsdatum der Vereinten Nationen. In der UN-Charta verpflichten sich die Mitgliedsstaaten zur Gleichberechtigung aller Nationen, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, der Einhaltung internationaler Vereinbarungen sowie zur internationalen Kooperation und gegenseitiger Toleranz. Die UN-Charta legt das Hauptgewicht auf den Erhalt des Friedens, auf fundamentale Menschenrechte und die unantastbare Würde eines jeden Menschen.

Auszug aus der UN-Charta:

Präambel

Wir, die Völker der Vereinten Nationen – (sind) fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat.

Artikel 1

Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:
1. Den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen. …

Bereits diese Auszüge aus der Präambel und dem ersten Artikel der Charta verdeutlichen den zutiefst humanistischen Grundgedanken der Vereinten Nationen, mit denen ein vertrauenswürdiges Gremium für den internationalen Austausch geschaffen werden sollte. Aktuell gehören den Vereinten Nationen 193 Staaten an. Die Bundesrepublik Deutschland trat den Vereinten Nationen am 18. September 1973 bei.

Die UN-Charta ist und bleibt Ausdruck der Hoffnung der Menschheit auf Frieden. Sie baut auf Gewaltlosigkeit zwischen Staaten, der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder und der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung aller Menschen.

Zukunftspakt stellt die Weichen für eine Reform der Vereinten Nationen

2025 ist ein bedeutendes Jahr der Vereinten Nationen. Der am 22. September 2024 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Zukunftspakt, an dessen Entstehung über 600 internationale NGOs und die weltweite Zivilgesellschaft engagiert mitwirkten, ist ein Hoffnungszeichen für eine vielleicht friedlichere Zukunft der Weltgemeinschaft.

Sie könnte mit dem Zukunftspakt den Weg für eine Reform der UN öffnen und die Weichen stellen für den Kampf gegen Hunger und Armut, für Friedenssicherung, die Reform der internationalen Finanzarchitektur bis zu Klimaschutz und Künstlicher Intelligenz.

Vordringliches Ziel ist die Reform des Sicherheitsrats. Ihn mit mehr ständigen Sitzen auszustatten und einem afrikanischen, einem südamerikanischen Staat sowie Indien eine ständige Repräsentanz und ein Mitentscheidungsrecht zu ermöglichen. Dem müssten allerdings die derzeitigen Vetomächte im Rat zustimmen.

Die Aufhebung des Vetorechts und die Einführung eines Mehrheitsprinzips wären sicher eine sinnvolle Maßnahme, scheinen aber aktuell nicht durchsetzbar. Auch die Generalversammlung müsste aufgewertet und die Position des Generalsekretärs gestärkt werden. Wichtige Vorhaben, die einer Realisierung bedürften und von den Vetomächten mitgetragen werden müssten.

Die internationale NGO-Koalition für eine Reform der UN-Charta könnte mit ihrer Kampagne einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Reform der Vereinten Nationen leisten. Sie ist weltweit vernetzt und ähnelt in ihrer strategischen und operativen Struktur und Kompetenz der erfolgreichen Kampagne zum Verbot der Atomwaffen (ICAN). Sie führte 2021 zum Inkrafttreten des UN-Atomwaffenverbotsvertrags.

Die NGO-Kampagne zielt darauf ab, grundlegende Änderungen der Machtverteilung in den UN sowie Strategien zur Lösung von Krisen und neuen Bedrohungen wie Klimawandel und künstlicher Intelligenz festzuschreiben. Die angestrebte UN-Überprüfungskonferenz müsse über eine Reform der UN-Charta beraten und folgende Ziele anvisieren:

• Den Sicherheitsrat repräsentativer gestalten und den Einsatz des Vetos einschränken.

• Einbeziehung der Umwelt als Säule der UNO und Schaffung eines Earth Governance Council – neben dem Sicherheitsrat, dem Wirtschafts- und Sozialrat und einem hochrangigen Menschenrechtsrat – zur Bekämpfung des Klimawandels.

• Die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs verbindlich und universell machen.

• Die Gleichstellung der Geschlechter in den Amtszeiten der Generalsekretärin durchsetzen. Mehr Inklusion und Bürgerbeteiligung, zum Beispiel durch die Schaffung einer UN-Parlamentsversammlung.

• Während die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats kein Veto gegen die Abhaltung der Konferenz einlegen können, tritt eine Änderung der Charta nur in Kraft, wenn sie von zwei Dritteln der UN-Mitglieder ratifiziert wird, einschließlich aller ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats. Das ist eine große Hürde, die es zu überwinden gilt.

Der Kampagne gehören renommierte internationale NGOs an – u. a. Democracy without Borders, Oxfam, Pax Christi, Coalition UN We Need, Trust Africa, World Federal Movement, Global Governance Forum.

Es ist allerdings mit erheblichem Gegenwind seitens der Vetomächte im Sicherheitsrat zu rechnen. Sie werden das Vorhaben mit allen Mitteln torpedieren. Deshalb muss Kärrnerarbeit geleistet und mit Konstanz, Beharrlichkeit und Stehvermögen das angestrebte Ziel einer reformierten UN-Charta verfolgt werden.

Der Pakt für die Zukunft der Vereinten Nationen und der Zukunftsgipfel sind ein Start in einen offenen Prozess der notwendigen inhaltlichen und strukturellen Reform der Vereinten Nationen. Es ist noch vollkommen offen, in welchem Umfang Reformvorhaben gelingen werden. Zuversicht und Enttäuschung liegen dabei eng beieinander.

Michèle Griffin, Direktorin und Leiterin des Teams für den Zukunftsgipfel im Büro des Generalsekretärs, schreibt dazu6:

Die UN können nicht wirklich mehr sein als die Bündelung der Energie, der Ideen und der Ressourcen aller Beteiligten, um die globalen Probleme gemeinsam lösen zu können. … Viele Probleme wären noch schlimmer, wenn die Vereinten Nationen nicht helfen würden oder wenn sie nicht als Forum für die Zusammenkunft von Regierungen und anderen Akteuren zur Verfügung stünden.

Die 4. Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Spanien, der 2. Weltgipfel für soziale Entwicklung in New York, die Überprüfung der Architektur der Friedenskonsolidierung und der 80. Jahrestag der Vereinten Nationen sind wichtige Vorhaben, den über den Zukunftsgipfel angestoßenen Reformprozess fortzusetzen.

Ungeachtet aller Konflikte und trotz häufiger Verstöße gegen die gemeinsamen Grundsätze gilt die Verabschiedung der Charta und die damit verbundene Gründung der Vereinten Nationen am 24. Oktober 1945 als ein wesentlicher Meilenstein in der Geschichte der Menschheit.

Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Offizier der Bundeswehr, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).