US-Außenpolitik: Profit über Frieden?

Vizepräsident Joe Biden und Generalleutnant David H. Huntoon Jr., 2012. Bild: West Point, CC BY-NC-ND 2.0

Joe Bidens außenpolitisches Rezept ist Krieg, meint unser Gastautor. Eisenhower habe sich einst gegen die Rüstungsindustrie zur Wehr gesetzt, Biden scheitere. Wie konnte es dazu kommen?

In der Außenpolitik hat der Präsident der Vereinigten Staaten zwei Hauptaufgaben: Die erste besteht darin, den militärisch-industriellen Komplex, der ständig auf Krieg drängt, in seine Schranken zu weisen. Und die zweite Aufgabe besteht darin, die Erwartungen der Verbündeten zu dämpfen, dass die Vereinigten Staaten für sie in den Krieg ziehen.

Einige kluge Präsidenten haben dies zum Teil gemeistert, aber die meisten sind an den beiden Aufgaben gescheitert. Joe Biden hat in dieser Hinsicht völlig versagt.

Eisenhowers Einfluss auf Krieg und Frieden

Einer der weisesten Präsidenten war Dwight Eisenhower. Ende des Jahres 1956 sah er sich mit zwei Krisen gleichzeitig konfrontiert.

Die erste war ein katastrophaler, fehlgeleiteter Krieg, den Großbritannien, Frankreich und Israel begonnen hatten, um die damalige ägyptische Regierung zu stürzen und die Kontrolle über den von Ägypten verstaatlichten Suezkanal zurückzugewinnen.

Eisenhower zwang seine Verbündeten damals, diesen dreisten und illegalen Angriff zu stoppen, unter anderem durch eine von den USA unterstützte Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Die zweite Krise bestand im Aufstand gegen die sowjetische Herrschaft in Ungarn 1956. Obwohl Eisenhower mit dem Aufstand sympathisierte, hielt er die USA klugerweise aus Ungarn heraus und vermied so eine gefährliche militärische Konfrontation mit der Sowjetunion.

Eisenhower gegen den militärisch-industriellen Komplex

Eisenhowers historische Abschiedsrede an das US-amerikanische Volk im Januar 1961 lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die wachsende Macht des Militärisch-industriellen Komplexes.1 Dort heißt es:

In den Beratungen der Regierung müssen wir uns davor hüten, dass der militärisch-industrielle Komplex ungerechtfertigten Einfluss gewinnt, ob dies nun gewollt ist oder nicht. Die Möglichkeit einer katastrophalen Ausweitung ungerechtfertigter Macht besteht und wird auch in Zukunft bestehen.

Wir dürfen niemals zulassen, dass dies unsere Freiheiten und unsere demokratischen Prozesse gefährdet. Wir dürfen nichts für selbstverständlich halten. Nur eine wachsame und informierte Bürgerschaft kann sicherstellen, dass unsere riesige Verteidigungsindustrie mit einer Friedenspolitik zusammenarbeitet, die unsere Sicherheit und Freiheit bewahrt.

Die unaufhaltsame Macht der CIA

Selbst Eisenhower ist es nicht gelungen, den Militärisch-industriellen Komplex und insbesondere den dazu gehörenden Auslandsgeheimdienst Central Intelligence Agency (CIA) in seine Schranken zu weisen. Bis heute ist dies keinem US-Präsidenten gelungen.

Die CIA wurde 1947 gegründet und hat zwei Funktionen. Die erste und bekannteste ist die eines normalen Auslandsgeheimdienstes.

Eine zweite Aufgabe ist jedoch die Führung einer geheimen Armee für den Präsidenten, und diese Aufgabe hatte fatale Folgen. Bei der Erfüllung dieser Missionen haben die Aktivitäten der CIA seit Eisenhowers Zeiten bis heute zu einem katastrophalen Fehlschlag nach dem anderen geführt, darunter Staatsstreiche, Attentate und inszenierte "Farbrevolutionen", die allesamt endloses Chaos und Zerstörung über die Welt gebracht haben.

Kennedys Kampf für den Frieden

Nach Eisenhower war es John F. Kennedy, der 1962 die hochgefährliche Kuba-Krise meisterte. Er konnte ein nukleares Armageddon verhindern, weil er sich seinen eigenen kriegstreiberischen Beratern widersetzte und eine friedliche Lösung der Krise mit der Sowjetunion erreichte.

Jeffrey D. Sachs. Bild: City University of Hong Kong, 2023

Im darauffolgenden Jahr gelang es ihm, gegen den Widerstand des Pentagons mit der Sowjetunion einen Vertrag über ein teilweises Verbot von Atomtests auszuhandeln und im US-Senat ratifizieren zu lassen, der die USA und die Sowjetunion vor dem Abgrund eines Krieges zu bewahren half.

Viele glauben, dass Kennedys Friedensinitiativen der Grund für seine Ermordung durch kriminelle CIA-Agenten waren. Biden reiht sich in die lange Liste der US-Präsidenten ein, die Tausende von Dokumenten unter Verschluss gehalten oder geschwärzt haben, sodass das Attentat bis heute nicht vollständig aufgeklärt werden konnte.

Bidens Versagen gegenüber dem Militärkomplex

Sechzig Jahre später hat der Militärisch-industrielle Komplex die US-Außenpolitik fest im Griff. Wie ich kürzlich beschrieben habe, ist die Außenpolitik zu einem Spielball von Insidern geworden, wobei der Komplex das Weiße Haus, das Pentagon, das Außenministerium, die Streitkräfteausschüsse des Kongresses und natürlich die CIA kontrolliert, die alle eng mit den großen Rüstungskonzernen zusammenarbeiten.

Nur ein außergewöhnlicher US-Präsident könnte sich dem endlosen Profitstreben dieser gigantischen Kriegsmaschinerie widersetzen.

Leider unternimmt Biden nicht einmal den Versuch in diese Richtung. Während seiner langen politischen Karriere wurde Biden vom Militärisch-industriellen Komplex unterstützt und hat seinerseits mit Begeisterung Kriege seiner Wahl, massive Waffenverkäufe, von der CIA geplante Staatsstreiche sowie die Nato-Osterweiterung unterstützt und vorangetrieben.

Bidens Militär- und Sicherheitshaushalt für 2024 bricht alle Rekorde und erreicht mindestens 1,5 Billionen US-Dollar an Ausgaben für das Pentagon, die CIA, den Heimatschutz, die Atomwaffenprogramme außerhalb des Pentagons, subventionierte ausländische Waffenverkäufe, andere militärbezogene Ausgaben und Zinszahlungen für frühere kriegsbedingte Schulden.

Zusätzlich zu diesem riesigen Berg an Militärausgaben will Biden weitere 50 Milliarden Dollar an "zusätzlichen Notfallfinanzierungen" für die US-amerikanische "rüstungsindustrielle Basis", um weiterhin Munition an die Ukraine und Israel liefern zu können.

Bidens umstrittene Rolle im Ukraine-Krieg

Bis heute hat Biden keinen realistischen Plan für den Krieg in der Ukraine. Im März 2022 lehnte er sogar ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine ab, das den Konflikt auf der Grundlage der ukrainischen Neutralität hätte beenden können, wenn er den Antrag der Ukraine auf Nato-Mitgliedschaft abgelehnt hätte.

Aber der Krieg in der Ukraine ist ein großes Geschäft für den Militärisch-industriellen Komplex, verbunden mit Rüstungsaufträgen im Wert von Dutzenden und möglicherweise Hunderten Milliarden US-Dollar, Rüstungsproduktionsstätten in den USA und der Möglichkeit, neue Waffensysteme zu entwickeln und zu testen.

Deshalb hält Biden am Krieg fest, trotz der Zerstörung der Ukraine auf dem Schlachtfeld und des tragischen und unnötigen Todes von Hunderttausenden Ukrainern.

Der Militärisch-industrielle Komplex und mit ihm Biden scheuen Verhandlungen, obwohl direkte Verhandlungen zwischen den USA und Russland über die Nato und andere Sicherheitsfragen (wie die Stationierung von US-Raketen in Osteuropa) den Krieg längst hätten beenden können.

Bidens Unterstützung für Israel im Palästina-Konflikt

In Israel zeigt sich das Scheitern Bidens noch deutlicher. Israel wird von einer extremistischen Regierung geführt, die die Zwei-Staaten-Lösung ablehnt, nach der Israelis und Palästinenser Seite an Seite in zwei souveränen, friedlichen und sicheren Staaten leben könnten.

Aber auch jede andere Lösung des Palästina-Konflikts, die den Palästinensern politische Rechte einräumt, wird von Israel abgelehnt.

Die Zwei-Staaten-Lösung ist tief im Völkerrecht verankert, einschließlich der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der Generalversammlung, und angeblich auch in der US-Außenpolitik. Arabische und islamische Führer haben sich für normale und sichere Beziehungen zu Israel im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen. Dennoch wird Israel von gewalttätigen Eiferern geführt, die den messianischen Anspruch erheben, Gott habe Israel das gesamte Land des heutigen Palästina gegeben, einschließlich der Westbank, des Gazastreifens und Ostjerusalems.

Diese Eiferer bestehen daher auf der politischen Herrschaft über die Millionen von Palästinensern in ihrer Mitte oder auf deren Vernichtung oder Vertreibung.

Israels Konflikt und Bidens Diplomatie

Netanjahu und seine Kollegen verbergen nicht einmal ihre völkermörderischen Absichten, und die meisten ausländischen Beobachter verstehen die Bibelstellen nicht, auf die sich die israelische Führung beruft, um ihr andauerndes Massaker am palästinensischen Volk zu rechtfertigen.

Israel sieht sich jetzt einer sehr glaubwürdigen Anklage wegen Völkermord vor dem Internationalen Gerichtshof in einem von Südafrika angestrengten Verfahren gegenüber.

Die von Südafrika und anderen vorgelegten Dokumente sind ebenso eindeutig wie erschreckend. Die israelische Politik ist keine Politik des Pragmatismus und schon gar keine Politik des Friedens. Sie ist eine Politik der biblischen Apokalypse.

Dennoch liefert Biden Israel die Munition für seine massiven Kriegsverbrechen. Anstatt wie Eisenhower zu handeln und Druck auf Israel auszuüben, damit es sein mörderisches Vorgehen einstellt und Völkerrecht sowie Völkermordkonvention achtet, liefert Biden weiterhin Material und umgeht sogar so weit wie möglich die vorgeschriebene Überprüfung dieser Entscheidung durch den Kongress.

Die USA sind diplomatisch isoliert

Das Ergebnis ist die diplomatische Isolierung der USA vom Rest der Welt und die zunehmende Verwicklung des US-Militärs in einen Krieg, der sich schnell und vorhersehbar über den Libanon, Syrien, Irak, Iran und Jemen ausbreiten kann.

Bei der jüngsten Abstimmung in der UN-Generalversammlung über die politische Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes waren die USA und Israel allein mit zwei weiteren Stimmen: Mikronesien (durch einen Pakt verpflichtet, mit den USA zu stimmen) und Nauru (12.000 Einwohner).

Die US-Außenpolitik ist steuerlos, mit einem Präsidenten, dessen einziges außenpolitisches Rezept Krieg ist.

Biden und das Risiko eines Konflikts mit China

Obwohl die USA bereits bis zum Hals in den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten stecken, beabsichtigt Biden, weitere Waffen an Taiwan zu liefern, trotz Chinas deutlich vernehmbarer Einwände, dass die USA damit gegen langjährige US-Verpflichtungen zur Ein-China-Politik verstoßen, einschließlich der vor 42 Jahren im Gemeinsamen Kommuniqué der USA und der VR China eingegangenen Verpflichtung, dass die US-Regierung "keine langfristige Politik der Waffenverkäufe an Taiwan anstrebt".

So hat sich Eisenhowers düstere Prophezeiung leider bestätigt. Der Militärisch-industrielle Komplex bedroht unsere Freiheit, unsere Demokratie und unser Überleben.

Jeffrey Sachs (1954, Detroit, Michigan) ist ein US-amerikanischer Ökonom und Professor. Er promovierte an der Harvard University in Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1980. Sachs' Karriere ist geprägt von verschiedenen akademischen Positionen sowie Beratertätigkeiten für bedeutende internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank.

Telepolis hat von Sachs eine Reihe von Artikeln über Hintergründe, Verlauf und Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und des Israel-Kriegs veröffentlicht.

Als Direktor des Center for Sustainable Development an der Columbia University und als Professor setzt er sich intensiv für nachhaltige Entwicklung ein. Besonders bekannt ist Sachs für seine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung von Wirtschaftspolitiken in Osteuropa während des Übergangs vom Kommunismus zum Kapitalismus. Er gilt als Verfechter globaler Armutsbekämpfung.

Sachs' herausragende Leistungen in der Wirtschaftswissenschaft brachten ihm zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen ein. Sein Werk und sein Einsatz für eine gerechtere Weltwirtschaft haben seinen Einfluss weit über die Grenzen der akademischen Welt hinaus ausgedehnt. In "The Price of Civilization: Reawakening American Virtue and Prosperity" (2011) setzt er sich mit Fragen der US-Gesellschaft und Wirtschaft auseinander.

Der vorliegende Text erschien zuerst auf der Website Common Dreams auf Englisch.

Übersetzer: Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane.

Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e. V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

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