US-Experten warnen vor deutscher Beteiligung an Eurodrohne
"Neue Art der Kriegsführung": Ehemalige US-Militärs melden sich vor Entscheidung im Bundestag über Finanzierung der Drohne zu Wort
Am Mittwoch dieser Woche wird im Bundestag über die Finanzierung der nächsten Entwicklungsstufe der Eurodrohne abgestimmt. Das Thema steht auf den Tagesordnungen des Haushalts- und Verteidigungsausschusses. An dem EU-Projekt sind Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich beteiligt. Als Generalauftragnehmer wird Airbus die waffenfähigen Eurodrohnen exportieren.
Die SPD erwägt, grünes Licht für den Finanzierungsantrag des Verteidigungsausschusses zu geben. Ausschlaggebend dafür ist auch der Erwartungsdruck seitens der europäischen Partner, des Koalitionspartners CDU/CSU und der Nato.
In bisherigen Stellungnahmen hat die SPD erklärt, eine Genehmigung nur unter der Bedingung mitzutragen, dass eine Bewaffnung der Eurodrohne in diesem Entwicklungsstadium klar ausgeschlossen wird und dass die bewilligten Mittel nicht zur Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr an bewaffneten Drohnen eingesetzt werden dürfen.
Auf Anfrage von Telepolis nehmen kurz vor der Entscheidung im Bundestag drei ehemalige US-Militärs zu der verstärkten deutschen Beteiligung am Projekt Eurodrohne Stellung. Die ausführlichen Biografien dokumentieren wir auf Englisch in den jeweiligen Fußnoten.
Jennifer Rooke, ehem. Nachrichtenoffizierin in der United States Air Force
Die deutschen Bundestagsabgeordneten und die deutsche Bevölkerung sollten wissen, dass ihre an der Eurodrohne beteiligten Projektpartner - Frankreich, Spanien und Italien – aktive Teilnehmer im US-geförderten European Partnership Integration Enterprise (Epie) mit Sitz im US-Stützpunkt Ramstein sind.
Dieses dient als Drehkreuz der Zusammenarbeit der Koalitionspartner an Taktiken und gemeinsamen Verarbeitungstechnologien für verschiedenste Informationen, die aus nachrichtendienstlichen Aktivitäten, Überwachungen und durch Aufklärungstechnologien gewonnen werden. Dazu gehören Full-Motion-Videos aus Drohnenaufklärungsmissionen.
Es erscheint unvermeidbar, dass nachrichtendienstliches Personal der Luftwaffe integraler Bestandteil dieses Unterfangens würde, wenn Deutschland sich weiter an der Eurodrohne beteiligt, egal, ob es sich für oder gegen die Bewaffnung entscheidet. Ein solches Projekt erfordert gemeinsame Taktiken, Technologien und Prozesse zur Aufklärung.
Die Informations-, Überwachungs- und Aufklärungsprozesse des Epie orientieren sich an denen der DCGS-Informationssysteme für Waffensysteme der USA und kommen sowohl für unbemannte, bemannte, unbewaffnete als auch bewaffnete Aufklärungsmissionen zur Anwendung. (Biografische Notiz zu Jennifer Rooke.1)
Lisa Ling, bis 2012 aktiver US-Militärdienst, zuletzt als Netzwerk-/Elektroniktechnikerin
Man kann die Eurodrohne nicht isoliert betrachten, sondern man muss auch an die unvermeidbar damit verbundenen Plattformen und Partner denken. Die Entscheidung, die Deutschland jetzt trifft, hat weitaus größere Auswirkungen als lediglich die Bewaffnung oder Nichtbewaffnung der Drohnen. Es handelt sich um einen integralen Schritt, der die Grundlage für das Verhalten der Nato und der Welt in zukünftigen Konflikten liefern wird.
Wir befinden uns auf der Zielgeraden in Richtung autonomer und semiautonomer vernetzer Waffensysteme mit Fähigkeit zur nachrichtendienstlichen Überwachung und Aufklärung (Intelligence, Surveillance, and Reconnaissance, ISR), die nukleare Projektile tragen und mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) töten werden.
Nach meiner Auffassung und Erfahrung stellt die Verbreitung mit KI ausgestatteter Geräte, die mit Sensorik und Waffen, darunter nuklearen Sprengköpfen, ausgestattet werden können, und deren Einsatz ohne die Einhaltung speziell darauf ausgelegter internationaler Abkommen geplant ist, eine fundamentale Gefahr dar. Dies führt zu einer neuen Art der Kriegsführung. Wir müssen verstehen, dass Hardware wesentlich einfacher zu regulieren ist als Software.
Das gilt im Speziellen für KI in Umgebungen, die strenger Geheimhaltung unterliegen. Deshalb ist meine Überzeugung, dass Deutschland (semi-)autonome Waffen weder bewaffnen noch verkaufen sollte, ohne zuvor die Lehren aus der Geschichte in die Diskussion einzubeziehen. Das ist Hiroshima, aber auch der Effekt bürokratischer Prozesse, die uns von der grausamen Realität des Tötens und des Krieges abschotten, wie die Nürnberger Prozesse es aufgezeigt haben.
Diese Technologie wird letzten Endes in eine niemals endende Kriegssituation münden und die Hemmschwelle zum Eintritt in Konflikte senken, wie einige US-Projekte es bereits gezeigt haben. (Biografische Notiz zu Lisa Ling.2)
Cian Westmoreland, ehem. Techniker für Funk- und Satellitenkommunikation beim 73rd Expeditionary Air Control Squadron
In einer Wunschwelt könnten wir all diese tödlichen Technologien wieder zurück in die Schachtel legen, sobald wir ihre Auswirkungen auf den Krieg und das Töten sehen. Wir leben jedoch in keiner Wunschwelt. In der jüngeren Vergangenheit finden sich mindestens zwei Beispiele dafür, wie sich Europäer und US-Amerikaner an der verantwortungslosen Zerstörung menschlichen Lebens beteiligt haben.
Bevor es in Masse produzierte Technologien gab, war Gewalt, wie wir sie im Ersten und Zweiten Weltkrieg gesehen haben, unvorstellbar. Vor dem Ende der Sowjetunion konnte nur die sichere gegenseitige Vernichtung das Gleichgewicht der Mächte halten. Heute nennen wir diese Epoche den Kalten Krieg. Auf dieser Grundlage wurde der heutige institutionelle und rechtliche Rahmen zur Verhinderung der nuklearen Zerstörung allen menschlichen Lebens auf der Erde geschaffen.
Mit der Miniaturisierung nuklearer Waffen und der Entwicklung von Tarnkappentechnologie für unbemannte Waffenträger geht ein verschärftes Risiko eines Krieges zwischen Supermächten einher. Unbemannte Waffenträger senken schon heute erwiesenermaßen die Hemmschwelle zwischenstaatlicher Aggression, wie der neuerliche Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan gezeigt hat.
Anstatt mit diesem Trend mitzugehen, können und sollten Deutschland und andere Staaten nach unserer sachkundigen Auffassung ihre Ressourcen in die Schaffung einer Gesetzgebung zur Kontrolle der Verbreitung und Anwendung dieser Technologien investieren.
Abwehrsysteme gegen unbemannte Waffenträger dürfen nicht aus dem Blick geraten, aber man muss auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Supermächten hinarbeiten, damit wir bittere Lehren aus der Geschichte nicht wiederholen müssen. Damit unsere Zukunft nicht durch ein oder mehrere Beispiele der unvorstellbaren Grausamkeit bestimmt wird, die potenzielle, durch KI befähigte neue Technologien und vernetzte Träger tödlicher Waffen ermöglichen. (Biografische Notiz zu Cian Westmoreland.3)
Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche: Sophie Kunze
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