US-General Edwin Walker und das Fake-Attentat
Seite 2: Walker-Attentat
Anfang 1963 rief Walker dazu auf, Kuba militärisch von Kommunisten zu befreien. In dieser Zeit bestellte jemand unter dem Namen "Alec Hidell" ein Mannlicher Carcano-Gewehr.
Am 10. April machte Walker Schlagzeilen mit dem Anschlag durch einen Unbekannten. Angeblich habe Walker alleine am Küchentisch gesessen, als jemand einen Schuss durchs Fenster abgegeben habe, der vom Fensterkreuz abgefälscht worden sei. Walkers PR-Mann und rechte Hand Robert Surrey, sagte aus, er sei an dem Abend zwei Meilen entfernt in seinem Haus gewesen und habe Walker dann nach dem Schuss auf einen Anruf hin angetroffen.
Er habe aber bereits am 6. April zwei Verdächtige gesehen, deren Auto kein Kennzeichen gehabt habe. Die Wunden waren so leicht, dass sie keiner Behandlung bedurften.
Der damals 14-jährige Nachbar Kirk Coleman hatte nach dem Schuss zwei Männer beobachtet, die jeweils auf dem Parkplatz einer nahegelegenen Kirche in Autos gestiegen seien. Eines davon sei schwarz mit einem weißen Streifen gewesen. Auch andere Zeugen sahen ein solches Auto aus Richtung Walkers Haus fahren.
Walker will nach der Tat sofort seinen Freund Robert Surrey angerufen haben, der sich um ihn gekümmert habe. PR-Mann Surrey war ebenfalls Aktivist in der John Birch Society. Beide bewerteten diese jedoch inzwischen als zu weich und tendierten zur American Nazi Party. Die Männer begleiteten einander zum Schießtraining.
Walker schlachtete die Story aus und posierte in seinem Haus für Reporter als demonstrativ gelassen. Erstaunlicherweise nahm Walker den Anschlag nicht zum Anlass für Sicherheitsmaßnahmen. Er engagierte zwei Privatdetektive, die erfolglos Walkers früheren Mitbewohner und gekündigten Mitarbeiter William MacEwan Duff auf den Zahn fühlten, den Walker so zeitweise in Misskredit brachte.
Im Oktober attackierte Walker Außenminister Adlai Stevenson vor dessen Besuch in Dallas, in dem er eine Protestkundgebung "US Day" im selben Veranstaltungsraum durchführte, in dem auch Stevenson Tage später sprach. Zu Walkers Zuhörern gehörte auch Lee Harvey Oswald, der hierüber an die Kommunistische Partei berichtete.
Walker hielt Kontakte zu den Exilkubanern und erhielt auch Besuche ausländischer Rechtsextremisten, so etwa von Jean Souètre von der französischen Organisation de l’armée secrète. Ein Mann dieses Namens soll am 22. November in Dallas verhaftet und ausgewiesen worden sein.
Vor dem Besuch des Präsidenten druckten und verteilten Surrey und Walker das berühmte Flugblatt, in dem sie Kennedy als "Verräter" schmähten.
Nach den Morden in Dallas wurde Walker mehrfach telefonisch von der in München ansässigen Deutschen Nationalzeitung und Soldatenzeitung befragt. Die Zeitung war ursprünglich von der CIA gesponsert worden, um den Nato-Beitritt zu fördern, hatte sich jedoch zum führenden Organ deutscher Rechtsextremisten entwickelt.
Laut dem am 29. November erschienenen Artikel hatte Walker Oswald des Anschlags auf ihn selbst beschuldigt. Als die Behörden Walker mit seiner Beschuldigung konfrontierten, bestritt Walker solche, der Artikel hätte ihn überrascht. Den Ermittlern in Deutschland und den USA blieb unklar, inwiefern Walker spekulierte oder der Journalist oder der mit Walker befreundete Herausgeber Gerhard Frey das Interview manipuliert hätte.
Einen Bezug Oswalds zum Walker-Attentat stellten die Behörden erstmals am 2. Dezember her. Oswalds Witwe Marina übergab eine Anweisung vom Frühling, die Oswald ihr für den Fall hinterlassen hatte, dass er etwa festgenommen würde. Marina berichtete, Oswald habe Walker als Faschist bezeichnet, einen Tyrannenmord etwa an Hitler gerechtfertigt und sei am fraglichen Tag mit dem Bus zum Haus des Generals gefahren. Zudem hatte Oswald Fotos von Walkers Haus besessen und Pläne, wo er etwa seine Waffe vergraben könne.
Auch der mit Oswald befreundete Erdölgeologe George de Mohrenschildt bestätigte öffentlich Oswalds Abneigung zu Walker. Sowohl Marina Oswald als auch de Mohrenschildt waren jedoch bei ihren Aussagen nicht frei von Interessenkonflikten.
Eine weit verbreitete Legende besagt, die auf Walker gefeuerte Gewehrkugel sei später dem Mannlicher Carcano-Gewehr zugeordnet worden, das Oswald alias "Alec Hidell" bestellt haben und damit auf Kennedy geschossen haben soll. Tatsächlich wäre ein Verschuss der Munition mit der Waffe allenfalls möglich gewesen, ist aber unbewiesen. Insbesondere wurde bei Walker ein anderes Munitionsfabrikat verwendet.
Als Richter Earl Warren 1964 den sogenannten Nachtclubbesitzer Jack Ruby in einem texanischen Gefängnis befragte, warum dieser Oswald in Polizeigewahrsam erschossen habe, wollte Ruby erst dann Klartext reden, wenn er nach Washington verlegt würde. Unter Hinweis auf Lebensgefahr erwähnte Ruby die John Birch Society, an deren Spitze Walker stehe. Rubys Tat, die Leuten die Chance zur Macht verschafft habe, hätte viele Menschen in Lebensgefahr gebracht.
Richter Warren erwiderte, dass er das nicht verstehe. Tatsächlich aber hatte Ruby sehr deutlich kommuniziert, dass er Walker fürchtete. Erst Jahre später wurde bekannt, dass Ruby zur Mafia gehörte und zudem ein langjähriger FBI-Informant mit guten Verbindungen zur rechten Elite in Dallas sowie Johnson und Nixon gewesen war.
Walker bestritt auch gegenüber der Warren Kommission, vor dem Kennedy-Attentat von Oswald gehört zu haben. Als 1975 an Senator Frank Church die CIA durchleuchtete, behauptete Walker in einem Brief an Church, die Dallas Polizei habe ihm berichtet, dass Oswald nach dem Anschlag auf ihn festgenommen worden sei, aufgrund einer höheren Behörde als in Dallas aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden sein soll.
Walker dachte über eine Präsidentschaftskandidatur für 1964 nach, unterstützte dann aber Rechtsaußen-Republikaner Barry Goldwater. FBI-Informanten berichteten, dass Walker für den Fall, dass Johnson die Wahl gewänne, eine Revolte mit dem Ku-Klux-Klan geplant hatte. Doch Walkers Karriere hatte ihren Zenit bereits überschritten.
Im Politthriller "Sieben Tage im Mai", der 1964 in die Kinos kam, wurde Walker namentlich in einer Reihe mit dem ebenfalls von Hunt finanzierten Senator Joseph McCarthy gestellt, der überall Kommunisten witterte. U.a. Walker gilt als Inspiration für die Figur des rechtsgerichteten Generals Scott, der einen Militärputsch plant. Auch für den rechtsgerichteten General Jack. D. Ripper in "Dr. Strangelove", der ebenfalls 1964 erschien, soll Walker das Vorbild gewesen sein.
Die Warren Kommission kam zu dem Schluss, dass Oswald auch dieses Attentat begangen haben müsse. "American Hitler" Rockwell, der für einen Wahlsieg einen Nuklearkrieg gegen China versprach, wurde 1967 erschossen, angeblich von einem Parteifreund mit unbekanntem Motiv.
Von Walker selbst hörte man erst wieder über ein Jahrzehnt später, weil er wegen Lüsternheit in einer öffentlichen Herrentoilette usw. verurteilt wurde. 1982 wurde Walker stillschweigend eine Pension bewilligt, obwohl er die Armee aus eigenem Wunsch vorzeitig verlassen hatte.