US-Kongress vollzieht militärpolitisch Kehrtwende gegen Trump
Während Trump wahltaktisch gerne Truppen aus dem Ausland abziehen will, versucht der Kongress zunehmend im Einklang mit dem Sicherheitsapparat, dies zu verhindern
In den USA hat sich mit der Präsidentschaft Donald Trumps außenpolitisch bislang eine Wende vollzogen. Nun ist der Kongress oft gegen den Präsidenten für eine Verlängerung der Truppenpräsenz im Ausland. In der Regel gab es im Kongress zuvor eher Bemühungen, einen Krieg zu verhindern oder im Ausland eingesetzte Truppen wieder zurückzuholen als umgekehrt Truppen ins Ausland zu entsenden oder sie im Ausland stationiert zu lassen.
Zwar billigte der Kongress nach 9/11 fast einmütig die Angriffe auf Afghanistan und den Irak, aber dann gab es immer wieder Versuche, die US-Soldaten wieder abzuziehen oder zumindest zu verhindern, dass noch mehr Truppen wie zum Surge in den Irak verlegt werden. Der Kongress ließ die Kriegsermächtigungen gegen al-Qaida, die zu Interventionen in mehr als ein Dutzend Länder verwendet wurde, und den Irak (AUMF) lieber einfach weiterlaufen, als eine neue, wenn auch eingeschränkte Kriegsermächtigung zu geben. Allerdings hatte der Kongress zu verhindern versucht, dass die AUMF aus dem Jahr 2001 als Legitimation für einen Krieg gegen den Iran vom Präsidenten verwendet werden kann.
Barack Obama wurde auch deswegen gewählt, weil er die Kriege beenden und die Atomwaffen abrüsten wollte. Er zog die Truppen aus dem Irak ab und baute die Kriegsführung mit Kampfdrohnen aus, intervenierte aber schließlich wieder mit fatalem Ergebnis in Libyen und schickte erneut Truppen in den Irak und nach Syrien und verstärkte maßgeblich den Konflikt mit Russland und auch bereits mit China. Es war ein Rückfall in die aggressive Politik, die normalerweise vom Weißen Haus im Verein mit dem mächtigen Militär- und Sicherheitsapparat der USA gepflegt wird. Dazu gehört auch die weltweite Präsenz von US-Truppen.
Donald Trump hat sich populistisch als Vertreter des Volks gegen die Eliten und gegen die etablierten politischen Strukturen ausgegeben. Neben dem Versprechen, Amerika wieder groß zu machen (MAGA), wozu auch der Ausbau der militärischen Stärke gehörte, wollte er den aufgeblähten Geheimdienstapparat reformieren (woran er offenbar gegen die Strukturen des "deep state" gescheitert ist) und die USA - wie vor ihm zu Beginn seiner Präsidentschaft Obama - aus den "unsinnigen" und "endlosen" Kriegen in Afghanistan und Syrien herausziehen, während er versuchen wollte, dass die Staaten, in denen sich große Stützpunkte der USA wie Südkorea, Japan oder Deutschland befinden, nach der Formel "costs plus 50" dafür zahlen. Von Japan etwa forderte er nach Bolton jährlich 8 Milliarden US-Dollar, 2019 zahlte das Land 1,8 Milliarden dafür. Von Südkorea will er 5 Milliarden US-Dollar, bislang werden 870 Millionen bezahlt. Damit suggeriert Trump, dass die USA keine eigenen Interessen an der Militärpräsenz im Ausland haben, sondern dass er diese als Dienstleistung sieht, an der die USA verdienen sollen.
Seine Tendenz sei, so hat es John Bolton geschrieben, den Trump nun als "Kriegstreiber" bezeichnet, möglichst alle Truppen aus dem Ausland auch gegen den Widerstand seiner Berater sofort abzuziehen - wie er dies etwa Ende 2018 im Fall von Syrien beschlossen hatte, aber dann doch nicht durchsetzen konnte.
So droht Trump auch gerne mal militärische Gewalt an, scheint aber nicht gewillt zu sein, auf diese Weise in einen militärischen Konflikt hineingezogen zu werden. Nur wo es sicher erscheint wie bei den Raketenangriffen auf syrische Ziele oder bei Mordanschlägen wie auf den iranischen General Soleimani im Irak, dass daraus kein Krieg entstehen wird, ließ er bislang zuschlagen.
Neben dem Blick auf die Präsidentschaftswahlen sind die Finanzen ein entscheidendes Motiv, Truppen aus Deutschland abziehen und sie vielleicht teilweise nach Polen verlegen zu wollen, das bereit ist dafür zu zahlen. Im Juni, als der polnische Präsident Duda bei ihm zu Besuch war, versprach er, weitere 1000 Soldaten nach Polen zu verlegen. Ob die aus Deutschland stammen, wo die Truppenstärke von 35.000 auf 25.000 reduziert werden soll, ist ungewiss. In Polen werden ein Hauptquartier, ein Kampftrainingszentum, eine Drohnenschwadron und Gebäude für eine rotierende Armeebrigade eingerichtet.
Trump soll nach dem Kongress keine Truppen aus dem Ausland abziehen
Zwar kann es sein, dass Truppenverbände aus Deutschland, sollten sie wirklich abgezogen werden, gegen China nach Japan, Guam oder Australien und nicht in die USA verlegt werden, aber es wächst nun der Widerstand im Kongress gegen Trumps schnelle außenpolitischen Entscheidungen und seine Versuche, Truppen auch zur Unterstützung seines Wahlkampfs aus dem Ausland abzuziehen. So hatte der Senat im Februar mit großer Mehrheit auch der republikanischen Senatoren dagegen gestimmt, die Truppen aus Afghanistan und Februar abzuziehen.
Im Pentagon-Haushaltsgesetz für 2021 des Repräsentantenhauses ist vorgesehen, was der Streitkräfteausschuss einstimmig beschlossen hat, dass 10 Stützpunkte, die den Namen von konföderierten Generälen tragen, umbenannt werden sollen. Dagegen hatte Trump schon Widerstand angekündigt, was Teil seiner Wahlkampfstrategie des nationalistischen Kulturkampfs ist.
Überdies wurde beschlossen, dass der Präsident aus Deutschland keine Truppen abziehen darf, die gegen Russland eingesetzt oder in den Nahen Osten oder Afrika verlegt werden können. Verboten soll der Abzug noch ein halbes Jahr sein, nachdem das Pentagon einen Plan vorgelegt hat, dass dies den USA und ihren Alliierten nicht schadet. Ebenfalls soll ein Truppenrückzug aus Afghanistan verhindert werden. Einen Abzug wollen auch die republikanischen Senatoren verhindern, das wäre "ein Geschenk für Russland", sagen Marco Rubio, Lindsay Graham und Mitt Romney zusammen mit demokratischen Senatoren in dem eingebrachten Haushaltsentwurf.
Schon 2018 hat der Kongress einen Zusatz im Pentagon-Haushaltsgesetz eingefügt, durch den verhindert werden sollte, dass Trump Truppen aus Südkorea abzieht. Der Kongress könnte dies aber wahrscheinlich nicht wirklich verhindern, sondern nur den Druck erhöhen. Trump hat bei der Unterzeichnung erklärt, er werde sich nicht daran halten, weil die Verfassung nur vorschreibe, dass der oberste Kommandeur, also der Präsident, den Kongress benachrichtigen müsse. Ansonsten kann der Präsident das Gesetz mit einem Veto erst einmal blockieren.
John Owen, Leiter der Fakultät für Politikwissenschaft, meint, dass diese Konflikte über Truppenabzüge auf die Präsidentschaft von Trump beschränkt seien: "Wenn Trump verlieren sollte und Biden das Amt übernimmt, dann ist Biden Teil dieses Mainstreams und das Problem würde verschwinden, wenn man das als ein Problem sehen will." Auf der einen Seite könnte das durch Trumps schnelle Entschlüsse, Drohungen und Unzuverlässigkeit gegenüber Alliierten verstärkte Risiko für einen bewaffneten Konflikt durch einen konservativen demokratischen Politiker wie Biden sinken. Auf der anderen Seite wird er den Konflikt mit Russland und China wahrscheinlich noch schüren und stärker auf Militärpräsenz und Militäreinsätze ausgerichtet sein, mithin die Politik von Obama in dessen zweiten Präsidentschaft fortsetzen, auch wenn er innenpolitisch andere Akzente setzen dürfte.