US-Militär startete geheime Kampagne gegen chinesische Covid-Impfstoffe
US-Militär startete Kampagne gegen Chinas Einfluss auf Philippinen und in Nahost. Propaganda entwickelte sich zu Anti-Impf-Kampagne, die Leben gefährdete.
Die Rivalität der Großmächte kennt viele Felder, auf denen sie ausgetragen wird. Bei Halbleitern liegen die USA mit China ebenso im Clinch wie bei Elektroautos und anderen Industriezweigen. Militärisch spitzt sich die Lage um Taiwan und im Südchinesischen Meer zu.
Eine aktuelle Recherche der Nachrichtenagentur Reuters zeigt nun, dass die Rivalität auch in der Medizin ausgetragen wird. Als die Coronapandemie alle Länder im Griff hatte, setzten die USA nicht auf Kooperation.
US-Militär startete geheime Anti-Impf-Kampagne in Asien und Nahost
Stattdessen starteten sie eine geheime Kampagne in Asien und im Nahen Osten, um Zweifel an der Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen und anderen Hilfsgütern aus China zu säen. Während im Westen die Freiheit von Millionen Bürgern massiv eingeschränkt wurde, um jedes einzelne Leben zu schützen, zeigte die Propagandainitiative, dass nicht alle Menschen schnellen Zugang zu Hilfe haben sollten.
Das US-Militär begann seine Kampagne im Frühjahr 2020 zunächst auf den Philippinen und weitete sie später aus. Im Visier hatten die Militärs die muslimische Bevölkerung in den Ländern Zentralasiens und des Nahen Ostens.
Das Pentagon nutzte eine Kombination aus gefälschten Social-Media-Konten auf mehreren Plattformen, um unter Muslimen Angst vor Chinas Impfstoffen zu verbreiten - zu einer Zeit, als das Virus täglich Zehntausende von Menschen tötete. Ein wichtiger Teil der Strategie: die umstrittene Behauptung zu verstärken, dass Chinas Impfstoffe nach islamischem Recht als verboten gelten könnten, weil sie manchmal Schweinegelatine enthalten.
Reuters
Pentagon nutzte gefälschte Social-Media-Konten zur Verbreitung von Angst
Mehr als 300 gefälschte Accounts auf X (früher Twitter) unter dem Hashtag #Chinaangvirus ("China ist das Virus") stellten die Qualität der chinesischen Masken, Tests und des Impfstoffs Sinovac infrage.
"COVID kam aus China und der IMPFSTOFF kam auch aus China, traue China nicht", hieß es in einem typischen Tweet vom Juli 2020 in Tagalog, der auf den Philippinen weitverbreiteten Sprache. Ein anderer lautete: "Aus China – PSA, Maske, Impfstoff: FAKE. Aber das Coronavirus ist echt."
X löschte die Accounts, nachdem Reuters das Unternehmen darauf aufmerksam gemacht hatte. Laut X handelte es sich um eine koordinierte Bot-Kampagne.
Kampagne unter Trump gestartet, unter Biden fortgesetzt
Die Anti-Impf-Kampagne des US-Militärs begann unter Trump und wurde unter Biden fortgesetzt, selbst nachdem Social-Media-Unternehmen gewarnt hatten, dass das Pentagon falsche Covid-Informationen verbreite. Erst Mitte 2021 ordnete das Weiße Haus das Ende an.
Das Pentagon bestätigte gegenüber Reuters, dass es den chinesischen Impfstoff in Entwicklungsländern diskreditiert habe, nannte aber keine Details. Auf den Philippinen, einem der am stärksten von Covid betroffenen Länder, haben Misstrauen gegenüber China und Impfskepsis zu einer der niedrigsten Impfraten in Südostasien geführt.
Lokale Gesundheitsexperten und US-Ärzte schockiert über Propaganda
Entsprechend schockiert zeigten sich lokale Gesundheitsexperten über die US-Propaganda. Aber auch amerikanische Ärzte, mit denen Reuters-Journalisten sprachen, zeigten sich betroffen. Zivilisten seien für mögliche geopolitische Vorteile in Gefahr gebracht worden.
Auch das Vertrauen in Impfkampagnen könnte in den Ländern untergraben worden sein. Reuters verweist auf kürzlich veröffentlichte Studien. Diese hätten dieses Szenario beispielsweise für Pakistan belegt.
Dort habe die Central Intelligence Agency (CIA) ein Hepatitis-Impfprogramm als Tarnung für die Jagd auf Osama bin Laden aufgelegt. Als der Schwindel aufflog, habe dies zu Gegenreaktionen, etwa gegen eine Polio-Impfkampagne, bis zu Angriffen auf medizinisches Personal geführt. Letztlich habe dies auch zum Wiederauftreten der tödlichen Krankheit beigetragen.
Misstrauen führte zu niedriger Impfrate und hoher Sterblichkeit auf Philippinen
Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass die Anti-Impf-Kampagne auf den Philippinen zu einem erheblichen Misstrauen gegenüber der Covid-Impfung geführt hat. Laut Reuters folgten Zehntausende den falschen Twitter-Profilen.
Das Land hatte 2021 eine der schlechtesten Durchimpfungsraten, nur 2,1 Millionen der 114 Millionen Einwohner waren vollständig geimpft. Die Schwierigkeiten, die Bevölkerung zu impfen, trugen zur höchsten Sterblichkeitsrate in Südostasien bei.
US-Militär schürte Angst vor "Haram"-Impfstoffen in muslimischer Welt
Gleiches gilt für die Aktivitäten des Pentagons in islamischen Ländern. Über Fake-Accounts schürte das US-Militär auch in der muslimischen Welt die Angst, chinesische Impfstoffe enthielten Schweinegelatine und seien "haram", also nach islamischem Recht verboten. Obwohl religiöse Autoritäten Impfungen zur Rettung von Leben für zulässig erklärten, zielten Memos des Pentagon darauf ab, Ängste zu schüren.
"Kann man China trauen, wenn es verschweigt, dass sein Impfstoff Schweinegelatine enthält, und ihn in muslimischen Ländern Zentralasiens verteilt, wo viele das für haram halten", hieß es in einem vom US-Militär kontrollierten Account.
Alarmierte Facebook-Manager arrangierten Anfang 2021 ein Zoom-Meeting mit Bidens Nationalem Sicherheitsrat. "Ich war schockiert", sagte ein hochrangiger Regierungsbeamter. "Wir waren für den Impfstoff und befürchteten, dass dies die Skepsis gegenüber Impfungen verstärken würde, insbesondere in Entwicklungsländern."
Weißes Haus ordnete Stopp der Kampagne an, Pentagon macht weiter
Das Weiße Haus ordnete daraufhin an, die Anti-Impfbotschaften zu stoppen, einige wurden jedoch noch bis April geschaltet. US-Beamten zufolge hat das Pentagon die Regeln verschärft, nach denen Kommandeure bei Propagandaoperationen die Zustimmung der Botschafter einholen müssen. Auch sollen Operationen zur "breiten Beeinflussung der Bevölkerung" wie bei Covid eingeschränkt werden.
Dennoch soll die verdeckte Propaganda des Pentagon weitergehen. In einem Strategiepapier schrieben führende Generäle laut Reuters, die Streitkräfte könnten Gegner wie China und Russland mit "Desinformation in sozialen Medien und gefälschten Nachrichtenerzählungen untergraben, um das gesellschaftliche Vertrauen zu schwächen".
Und im Februar erhielt der Auftragnehmer der Anti-Impf-Kampagne, General Dynamics IT, laut Reuters einen Vertrag über 493 Millionen US-Dollar, um weiterhin verdeckte Einflussnahme für das Militär zu betreiben.