US-Militärpolitik erhöht Risiko eines Atomkriegs mit Nordkorea

Überquerung einer schwimmenden Brücke während eines gemeinsamen Trainings von US- und südkoreanischen Streitkräften in Südkorea, 13. März 2023.

Überquerung einer schwimmenden Brücke während eines gemeinsamen Trainings von US- und südkoreanischen Streitkräften in Südkorea, 13. März 2023. Bild: Chin-U Pak / US Army Pacific

In Washington und Seoul kursieren Pläne zur Nuklearisierung Südkoreas. USA provozieren mit Großmanövern und atomarer Drohkulisse. Warum das gefährlich ist.

Seit einiger Zeit schon nehmen die nuklearen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel zu. Im Dezember letzten Jahres drohten die USA und Südkorea, dass jeder Einsatz von Atomwaffen durch Nordkorea "das Ende des (Kim-Jon-)Un-Regimes bedeuten wird".

Die USA schickten ein atomwaffenfähiges U-Boot nach Südkorea, um der Drohung Nachdruck zu verleihen. Nordkorea reagierte mit einem weiteren Test einer ballistischen Rakete, die US-amerikanisches Festland erreichen könnte.

Kriegsspiele

Vor gut zwei Wochen führte das US-Militär in Korea zudem eines der größten Kriegsspiele der Welt durch: Ulchi Freedom Shield (UFS). UFS ist der aktuelle Name für eine jährliche Reihe von Militärübungen, die vom Combined Forces Command durchgeführt werden, der Kommandostruktur, unter der das südkoreanische Militär US-Generälen unterstellt ist.

Seit 1976 werden im Rahmen dieser "Kriegsspiele" regelmäßig Zehntausende von Soldaten zusammen mit "strategischen Mitteln" der USA wie Flugzeugträgern, schweren atomwaffenfähigen Bombern und U-Booten eingesetzt, um echte Invasionen zu simulieren. Die diesjährige UFS umfasste enorme 48 einzelne Kriegsübungen, bei denen 19.000 südkoreanische Soldaten, 200 Militärflugzeuge und eine unbekannte Anzahl von US-Soldaten zum Einsatz kamen.

Die USA haben 28.500 Soldaten auf 62 Militärbasen in Südkorea stationiert und geben jährlich Milliarden dafür aus.

Die militärischen Planspiele fanden dieses Jahr vor dem Hintergrund einer bedeutsamen Eskalation statt. Es handelt sich dabei um Pläne, US-Atomwaffen eventuell nach Korea zu verlegen, und einer anschwellenden Rhetorik in Seoul, sich selbst zu nuklearisieren.

Atomwaffen für Südkorea "eine Option"

Seit dem Zusammenbruch der Gespräche zwischen Südkorea und den USA auf der einen und Nordkorea auf der anderen Seite im Jahr 2020 werden Forderungen des rechten Flügels in Washington und Seoul nach einer Versorgung Südkoreas mit Atomwaffen immer lauter.

Anfang des Monats erklärte der südkoreanische Verteidigungsminister Kim Yong-hyun, dass der Erwerb von Atomwaffen "eine der möglichen Optionen" sei, um auf die wachsende nukleare Bedrohung durch Nordkorea zu reagieren – das jüngste Beispiel dafür, wie in Seoul die Idee, ein Atomwaffenstaat zu werden, immer mehr in die politische Debatte eindringt.

Die konservative Regierung in Südkorea liebäugelt schon seit einiger Zeit mit dem Plan, selbst Atomwaffen zu beschaffen, wobei Motive wie Härte signalisieren, Nordkorea einschüchtern oder bei Verhandlungen mit Washington ein Druckmittel zu besitzen, diesen Vorschlägen Auftrieb geben.

In den letzten Jahren haben auch namhafte US-amerikanische Wissenschaftler und Vertreter des nationalen Sicherheitsapparats in den Vereinigten Staaten dieses Vorhaben begrüßt. Erst vor wenigen Monaten ging der ehemalige Außenminister Mike Pompeo Berichten zufolge so weit zu sagen: "Es gibt keinen Grund, warum wir etwas dagegen haben sollten", dass Südkorea seine eigenen Atomwaffen entwickelt.

Nukleare Notfall-Simulation

Elbridge Colby, der voraussichtliche Nationale Sicherheitsberater des Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump, findet die Idee der Nuklearisierung Südkoreas ebenfalls gut. Andere, wie Senator Roger Wicker vom US-Streitkräfteausschuss, haben sich für die Rückkehr der taktischen US-Atombomben auf die Halbinsel eingesetzt.

Die Biden-Regierung hat sich Aufrufen, Südkorea mit Nuklearwaffen auszustatten, zwar nicht angeschlossen. Trotzdem unternahm man Schritte, die atomare Bedrohung Richtung Nordkorea zu erhöhen.

Im Jahr 2023 gründeten Seoul und Washington die Nuclear Consultative Group, eine zwischenstaatliche Stelle, die Richtlinien für die strategische nukleare und konventionelle militärische Integration entwickeln soll. Es ist letztlich ein Gremium, das die Aufgabe hat, einen Prozess zu erstellen, mit dem Südkorea US-Atomwaffen übergeben werden können, um sie in einem möglichen Krieg zu verwenden.

Im Juli und August dieses Jahres trafen sich hochrangige Militärs beider Regierungen zu einer ersten Militärübung, bei der diese Richtlinien überprüft wurden. Am 5. und 6. September fand in Washington D.C. eine ressortübergreifende "Table-Top Simulation" (Besprechung der Vorgehensweise im Notfall) der Nuclear Consultative Group zwischen den USA und Südkorea statt.