US-Regierung begräbt endlich das Terrorwarnsystem

Ende April soll ein weniger aufdringliches System eingeführt, was auch deutlich macht, dass die Zeit der Antiterrorpolitik zu Ende geht

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Um zu demonstrieren, wie wichtig die Regierung den Schutz vor Terroranschlägen auf US-amerikanischen Boden nach dem 11.9. nimmt, wurde 2002 auch das Terrorwarnsystem eingeführt. Man hat sich schon früh auf einen langen Krieg gegen den Terror eingerichtet und im Windschatten des 11.9. schon den Irak-Krieg vorbereitet, daher ging man wohl davon aus, dass auch mögliche Terrorbedrohungen nicht so bald aus der Welt verschwinden werden und zudem den Bürger stets klar vor Augen geführt werden muss, warum Kriege, die Aufrüstung der inneren Sicherheit und die Beschränkung der Bürgerrechte notwendig sind (Permanente Wachsamkeit und andauernde Terrordrohung).

Unverändert wurde das Terrorwarnsystem, genannt: Homeland Security Advisory System, bislang auch in der Amtszeit von Barack Obama in der Regie des Heimatschutzministeriums fortgeführt. Einmal eingeführt, das liegt auf der Hand, ist es schwer wieder aus der Welt zu schaffen. Senkt man nur die Terrorwarnung oder hebt sie ganz auf, dann stecken die Behörden und Verantwortlichen in einem größeren Dilemma, wenn es wirklich eine Bedrohung gibt, als wenn es ein solches plakatives Warnsystem nicht gibt, das suggeriert, es würde die Bedrohungslage permanent beobachten und entsprechend anzeigen.

Vorgesehen war aber auch nur ein unterschiedlicher Grad der Bedrohung, aber keine Entwarnung. Da hatte es der deutsche Innenminister de Maiziere mit seiner nur verbalen Terrordrohung Ende November leichter. Irgendwann, wenn doch nichts passiert, spricht man einfach nicht mehr davon und setzt auf die Vergesslichkeit. Gegenwärtig wird eine erhöhte Bedrohung (gelb) auf nationaler Ebene und hohe Gefahr (rot) für alle nationalen und internationalen Flüge angezeigt.

Das Weiße Haus hätte das Warnsystem gerne mit vielen anderen Innovationen der Bush-Regierung abgeschafft. Gelungen ist bekanntlich nicht viel, immerhin spricht man nicht mehr vom Globalen Krieg gegen den Terror. Schon im Juli 2009 hat das Heimatschutzministerin Napolitana eine Überprüfung des Warnsystems angeordnet, weil man dessen Nützlichkeit offenbar bezweifelte. In dem abschließenden Bericht vom September 2009 wurde empfohlen, prinzipiell an einem Warnsystem für die Terrorbedrohung festzuhalten, es aber genauer zu justieren. Das gegenwärtige habe ausgedient:

The Task Force members agreed that, at its best, there is currently indifference to the Homeland Security Advisory System and, at worst, there is a disturbing lack of public confidence in the system.

Über die Frage, ob die farbigen Warnstufen beibehalten werden sollen, war man sich uneins. Dringend sei, dass nach einer Warnung, wenn nichts geschieht, die Warnstufe wieder herabgesetzt werde und es nicht nur die Tendenz nach oben gebe. Entwarnung wollte man nicht zulassen, aber falls keine konkrete Gefährdung vorliegt, sollte "guarded" der Normalzustand sein. Bis jetzt haben es die Verantwortlichen nicht gewagt, unter die Warnstufe von "code yellow" zu gehen.

Verändert wurde erst mal nichts, auch auf den Flughäfen wurde mit automatischen Ansagen weiterhin die Bedrohungsstufe verkündet. Vermutlich war der politische Druck zu groß und wollte man sich nicht vor den Kongresswahlen in die Nesseln setzen.

Jetzt hat Napolitano angekündigt, dass das gegenwärtige Warnsystem Ende April außer Kraft gesetzt werden soll. Allerdings wird das Warnsystem nicht ganz abgeschafft, darin folgt man dem Rat der Arbeitsgruppe, sondern man will ein neues installieren: das National Terrorism Advisory System. Normalerweise sollen nur bestimmte Behörden gezielt vor konkreten Bedrohungen informiert werden. Um die Öffentlichkeit zu informieren, wird eine entsprechende Mitteilung auf einer eigenen Webseite oder auch auf Facebook oder Twitter:http://twitter.com/ntasalerts veröffentlicht, die dann von Medien weiter gegeben werden soll.

Damit rückt die Obama-Regierung ein Stück weit von der politischen Strategie ab, die Angst zu schüren, womit sie sich allerdings eigentlich nur – und ziemlich spät – der schon länger veränderten Stimmungslage der Menschen anpasst (Terrorkarte ist ausgespielt). Schon lange hat man über das Warnsystem und die Sturheit der dafür Verantwortlichkeiten Witze gemacht. Auch der republikanische Kongressabgeordnete und Vorsitzende des Heimatschutzausschusses Peter King trägt den Schritt in die Zeit nach der Antiterrorpolitik mit. Das Warnsystem habe seine Berechtigung gehabt, jetzt müsse man aber ein neues, besser ausgerichtetes System einführen, das, so müsste man hinzusetzen, weniger aufdringlich und eher versteckter ist.

Allerdings halt Napolitana am Gefahrenszenario letztlich fest, die Bedrohung käme jetzt weniger aus dem Ausland, die Terroristen könnten bereits im Land sein und Anschläge ohne Warnung begehen. Sie beschwört auch wieder chemische, biologische und nukleare Anschläge und Angriffe im Cyberspace. Daher kämpfe man darum, "mehr Informationen, mehr Mittel und mehr Ressourcen aus Washington zu holen und sie in die Hände der Männer und Frauen an der Front zu geben". Man hält auch an den Kampagnen wie "If You See Something, Say Something" oder "Nationwide Suspicious Activity Reporting" fest, verdächtiges Verhalten und Menschen zu melden. Im Internet wird man aufrüsten und vom Einstein 2-System zur automatischen Entdeckung von Bedrohungen übergehen auf das umstrittene Einstein 3-System, mit dem nicht nur Angriffe oder Bedrohungen entdeckt, sondern auch bekämpft werden sollen.

Die Beendigung des alten Terrorwarnsystems – die Briten werden nachfolgen – könnte trotz fortdauernder Rhetorik Beginn und Symptom einer veränderten politischen Ausrichtung sein. Nach einem Jahrzehnt scheint mit der Finanzkrise und dem Aufstieg Chinas der von Bush gesteckte Rahmen, mit dem globalen Antiterrorkampf weiterhin den USA den Rang der Supermacht zu sichern, die Alliierten hinter sich zu scharen und die Sicherheit über alles zu stellen, in sich zusammenzufallen. US-Präsident Obama hat in seiner State of the Union Adress schon die Wende angedeutet, er will nun mehr auf technische und wissenschaftliche Innovation im zivilen Bereich setzen, auf einen Sputnik-Effekt, um die USA wieder in allen Hinsichten an die Spitze zu bringen, was allerdings im negativen Sinne ein amerikanischer Traum bleiben dürfte.