US-Sanktionen: Russlands Hoffnungen richten sich auf die EU
- US-Sanktionen: Russlands Hoffnungen richten sich auf die EU
- Russischer US-Experte: "Sanktionsgesetz festigt Regime change-Politik"
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Russland: "Nicht symmetrisch, aber fühlbar" reagieren. Die USA sind bei Lieferungen von angereichertem Uran und Titan sowie bei Raketentriebwerken zurzeit noch von Russland abhängig
In der Nacht auf Mittwoch beschloss der US-Kongress mit 419 gegen drei Stimmen neue Sanktionen gegen Russland, Iran und Nord-Korea. Der Moskauer Kommersant kommentierte, da es im Kongress eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die neuen Sanktionen gab, habe der US-Präsident kein Veto-Recht. Das neue Sanktions-Gesetz mache Trump faktisch "zum Statisten", schreibt das Blatt. "Die Zukunft der russisch-amerikanischen Beziehungen hängen von ihm nicht mehr ab."
Antwort Russlands wird "nicht symmetrisch, aber fühlbar" sein
Der stellvertretende Leiter des russischen Außenministeriums, Sergej Rjabkow, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Tass, das neue Sanktions-Gesetze sei "die bewusste Wahl der Feinde Russlands in den USA", die "völlig außer Rand und Band geraten sind und kein Halten in ihrer Wut kennen". Dem entsprechend werde man das heutige Amerika wahrnehmen: "Washington ist die Quelle der Gefahr". Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des russischen Föderationsrates, Konstantin Kosatschow, erklärte, die Antwort Russlands werde "nicht symmetrisch, aber fühlbar" sein.
Was die russischen Gegenmaßnahmen sein könnten, berichtete die Moskauer Tageszeitung Kommersant unter Berufung auf anonyme Quellen im russischen Außenministerium. Offenbar plant Russland 35 US-Diplomaten auszuweisen. Ein ähnlicher Schritt war eigentlich schon länger erwartet worden. Denn die USA hatten im vergangenen Dezember 35 russische Diplomaten ausgewiesen. Auch eine Angleichung der Zahl der US-Diplomaten in Moskau an die niedrigere Zahl der russischen Diplomaten in den USA gehört zu den möglichen Gegenmaßnahmen.
Weiterhin soll möglicherweise das Wochenend-Domizil für US-Diplomaten in dem westlich des Moskauer Stadtzentrums gelegenen Bezirk Serebrjannyj Bor beschlagnahmt werden. Auch dieser Schritt geht auf eine frühere Begebenheit zurück. Noch unter der Obama-Administration wurde das Ferien-Domizil der russischen Diplomaten in den USA beschlagnahmt.
USA brauchen russisches angereichertes Uran, Titan und Raketentriebwerke
Wie der Kommersant schreibt, sind auf russischer Seite auch wirtschaftliche Gegenmaßnahmen im Gespräch. Schmerzlich könnte für die USA sein, wenn Russland keine RD-180-Triebwerke für amerikanische Atlas-5-Raketen mehr liefert. Möglich sei auch die Einstellung der Arbeit auf der Internationalen Raumstation sowie die Einstellung der Lieferungen für angereichertes Uran und Titan. Ein Drittel des von Boeing verarbeiteten Werkstoffes Titan kommt aus Russland.
Doch ob und wann diese Drohungen realisiert werden, ist noch ungewiss. Offenbar will man in Moskau erstmal abwarten, wie die EU auf die US-Sanktionen reagiert.
Alle Hoffnungen Russlands richten sich in diesen Tagen auf die EU. "Die EU-Kommission ist bereit zum Gegenschlag auf die Sanktionen", titelte am Donnerstag hoffnungsvoll die national-liberale Moskauer Tageszeitung Nesawisimaja Gaseta.
Fernseh-Moderatorin: "Halten sie durch Alexander Glebowitsch!"
In der Talk-Show "60 Minuten" erklärte das Mitglied des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten, Sergej Schelesnjak, am Donnerstag: "Ich hoffe, dass die Europäer jetzt begreifen, dass die Amerikaner sie in diesem Spiel nur als eine Figur ansehen."
Doch der ehemalige Leiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Alexander Rahr, der in die Sendung live aus Berlin zugeschaltet wurde, wollte den russischen Fernseh-Zuschauern keine übertriebenen Hoffnungen machen. Der Politologe, dessen Vater Gleb Russe ist, erklärte, zu den Sanktionen werde es in der EU keine einheitliche Position geben.
Während das "alte Europa" die Sanktionen ablehne, sei "das neue Europa" (gemeint war offenbar vor allem Polen) dafür. Die Moderatorin der Sendung - Olga Skabejewa - war von Rahr schwer begeistert. "Halten sie durch, Aleksandr Glebowitsch", rief sie ihm - zum Video-Bildschirm gewandt - zu. "Die North Stream-Pipeline werden wir ihnen auf jeden Fall bauen."
Polnischer Politologe: "Europa aus der Gasprom-Knechtschaft befreien"
Der Moderatorin war es offenbar wichtig vor den Zuschauern nochmal deutlich zu machen, wie sehr Russland gerade auf Deutschland hofft. Der in der Talk-Show anwesende polnische Politologe Jakub Korejba hatte in der Talk-Show ganz andere Töne angeschlagen. "Europa muss aus der Knechtschaft von Gasprom befreit werden", hatte er erklärt. Sobald Polen zum Hub für Flüssig-Gas in Europa geworden ist, werde man mit Russland "auf einer ganz anderen Ebene verhandeln".
Der Programm-Direktor des Waldai-Klubs, Andrej Suschenzow, begründete gegenüber der Nesawisimaja Gaseta warum er von der EU ein starkes Auftreten gegen die US-Sanktionen erwarte. 2014 habe Washington sich über Sanktionen gegen Russland noch vorher mit der EU verständigt. Doch mit den neuen Sanktionen seien die USA "einseitig aus dem Dialog mit der EU ausgestiegen". Die USA mischten sich jetzt sogar "in das Rechtssystem der EU ein, indem sie versuchten vorzuschreiben, von wem die EU Energieressourcen kaufen könne und von wem nicht".
Sergej Lawrow: "Einige sind auf einen sehr hohen Zaun geklettert"
Der Direktor des Waldai-Klubs warnte, gegenüber den USA jetzt "nicht den Stab zu zerbrechen", sondern "einige symbolische Schritte machen". Der Grund der empfohlenen Zurückhaltung ist folgende Einschätzung: "Die amerikanischen Sanktionen sind keine Folge einer langfristig geplanten amerikanischen Strategie."
Ähnlich äußerte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit dem kurdischen Fernsehkanal Rudav. Hinsichtlich der Ermittlungen wegen angeblicher Einflussnahme Russlands auf die US-Präsidentschaftswahlen 2016 erklärt Lawrow, er habe sich nicht vorstellen können, dass "amerikanische Politiker in den Bann einer solchen Massenpsychose geraten" können.
Wahrscheinlich würden viele derjenigen, welche unter den Einfluss dieser Psychose geraten sind, verstehen, "das das alles nicht normal ist und irgendwann aufhören muss." In den USA seien "einige auf einen sehr hohen Zaun geklettert". Von dem sei es "schwer wieder herunterzukommen".
Lawrow hob hervor, dass es bei dem ersten Treffen zwischen Putin und Trump am Rande des G-20-Gipfels in Hamburg konkrete Erfolge gab. So habe man sich auf eine Feuerpause in Syrien geeinigt. Auch in Bezug auf die Ukraine habe man eine Lösung der dortigen Krise gesprochen.
Insbesondere was Syrien betritt, hat Russland Anlass zu Hoffnung. Wie die Nesawisimaja Gaseta berichtet, arbeiten russische und US-Militärs im Südosten Syriens in der Region um die Stadt At-Tanf zusammen.
Dort gibt es zwischen amerikanischen und russischen Militärs eine vollwertigen Austausch von Informationen und alle schwierigen Fragen werden besprochen.
Nesawisimaja Gaseta