US-Wahl 2024: Kurse in westlicher Zivilisation

Leon Gerleit

Bilder: US-Government / Public Domain

Wer wird Biden mehr einschüchtern? Signale von Trump und Kulturkämpfer DeSantis. Der Hardliner aus Florida will das Hochschulsystem radikal überarbeiten und selbst Mathematikbücher wegen "Indoktrination" aussortieren.

Das Hauptziel von Präsident Bidens Rede zur Lage der Nation war es, zu beweisen, dass er trotz seines Alters immer noch genug Energie besitzt, sich mit den Republikanern anzulegen. Laut Financial Times ist ihm dies gelungen.

Joe Biden hielt laut dem britischen Blatt eine der kraftvollsten Reden seiner Präsidentschaft, während der er mehrfach von seinem Skript abwich, um auf Zwischenrufe der Republikaner zu verschiedenen Themen wie der Schuldenobergrenze, dem Drogen-Schmuggel und Einwanderung zu reagieren.

Angst vor einer Kandidatur von Kamela Harris

Die Demokraten zeigten sich begeistert, nicht nur, weil der vitale Auftritt Bidens die Angst vieler Demokraten vor einer Kandidatur Kamala Harris‘ zumindest vorläufig gedämpft haben dürfte, sondern auch, weil sie die kämpferische Stimmung als richtiges Signal für den kommenden Wahlkampf verstehen.

Biden sei "bereit, mit den Republikanern zusammenzuarbeiten, wo sie können und wollen. Aber wenn einige dieser neuen Republikaner denken sollten, sie könnten ihn einschüchtern, würden sie Joe Biden nicht kennen", erklärte Jess O'Connell, eine Strategin der Demokraten und Gründerin von "Newco Strategies", begeistert der Financial Times.

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Solch eine positiv-kämpferische Einstellung ist lobenswert, dabei ist noch gar nicht klar, von welchem neuen Kandidat oder Kandidatin der Republikaner sich Präsident Biden nicht einschüchtern lassen wird.

Donald Trump, Ron DeSantis, Nikki Halley und Mike Pompeo

Bisher hat nur Trump seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 bekannt gegeben. Schattenkandidaten, also solche, die ihre Kandidatur noch bekannt geben müssten, sind Ron DeSantis, Nikki Halley und Mike Pompeo.

Relevant sind die Kandidaten in ungefähr dieser Reihenfolge, wirklich gefährlich für Trump ist nur Gouverneur Ron DeSantis. Doch welcher von den beiden Frontrunnern liegt eigentlich momentan höher in der Gunst der Wählerschaft?

Umfragen

Die Umfragen in letzter Zeit liefern uneindeutige Ergebnisse. Einige zeigen einen Vorsprung von 26 Punkten für Trump, andere sehen DeSantis mit einem Vorsprung von 11 Punkten vorn.

In den Monaten vor den Zwischenwahlen zeigten die Umfragen noch eine viel gleichmäßigere Verteilung der Unterstützung für Donald Trump: zwischen 45 und 57 Prozent der Stimmen.

Qualitativ hochwertigere Umfragen deuten auf eine geringere Unterstützung für Trump hin, was auf seine tatsächliche Position bei den Vorwahlen hinweisen könnte. Sollte sich dies durch weitere Umfragen bestätigen, könnte dies bedeuten, dass der ehemalige Präsident nicht mehr Spitzenkandidat ist.

Derzeit ist es die beste Schätzung der New York Times, dass Trump in einem Rennen gegen mehrere Kandidaten oder in einem Eins-gegen-eins-Rennen mit DeSantis in der öffentlichen Meinung in den unteren bis mittleren 30 Prozent liegt.

Das Republikanische Machtgefüge

Nun sind solche Vorhersagen mit Vorsicht zu genießen. Einerseits, weil liberale Medien eine Kandidatur von Ron DeSantis der einer Donald Trumps vorzuziehen scheinen. Andererseits, weil Trump schon einmal allen Meinungsforschern zum Trotz Präsident geworden ist. Auch zeigte sich der Kandidat bei seiner ersten Wahlkampfveranstaltung am 29.1.23 kämpferisch und behauptete er sei "wütender und engagierter als je zuvor"

Der Widerstand aus dem Republikanischen Machtgefüge scheint allerdings enorm. Der Club for Growth, eine konservative Anti-Steuer-Gruppe, hat Donald Trump von seiner jährlichen Spender-Klausur im nächsten Monat ausgeschlossen und lädt stattdessen ein halbes Dutzend anderer potenzieller republikanischer Präsidentschaftskandidaten ein.

David McIntosh, der Präsident des Clubs, erklärte, die Republikaner hätten mit Trump als Gesicht der Partei "zu viele Wahlen verloren" und er hoffe, den republikanischen Spendern andere Möglichkeiten vorstellen zu können.

Es sollte allerdings darauf hingewiesen werden, dass McIntosh auch behauptete, "dass die kommende Wahl davon abhängen wird, in welchem Zustand sich die Nation befindet, und dass alles möglich sei".

Übersetzt heißt dies; sollte Trump die Vorwahlen gewinnen, kann er sich der Unterstützung seiner jetzigen Gegner im "Club for Growth" sicher sein.

King-Maker: Das Koch-Spendernetzwerk

Auch das Koch-Spendernetzwerk bereitet sich darauf vor, sich an den Vorwahlen für die Präsidentschaftswahlen 2024 zu beteiligen – gegen den Ex-Präsidenten.

Im Wahlzyklus 2020 hat das Netzwerk fast 500 Millionen Dollar für die Unterstützung republikanischer Kandidaten ausgegeben. Bisher hatte die Koch-Gruppe und ihre Verbündeten noch nie Kandidaten in den Vorwahlen unterstützt.

Wen das Netzwerk gegen Trump in Feld führen möchte ist allerdings noch unklar. Es gibt zwar Verbindungen zum ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence und ein gewisses Interesse an Gouverneur Ron DeSantis aus Florida, aber es wurde noch keine Entscheidung über einen einzelnen Kandidaten getroffen.

Frühere Engagements der Kochs, ihre eigene libertäre Ideologie sowie die ideologische Vielfalt ihrer Spenderbasis, könnten sich dabei als hinderlich erweisen. Auch hat das Netzwerk seine Bereitschaft bekundet, Demokraten zu unterstützen, die in einigen Politikbereichen mit ihnen übereinstimmen.

Ein solcher politischer U-Turn ist zwar unwahrscheinlich, dass ein solches politisches Manöver aber überhaupt in Erwägung gezogen wird spricht nicht gerade für die Demokraten.

Die "Kingmaker" der Republikanischen Wahlmaschinerie scheinen Trump also eher feindlich gesinnt, doch hat der Wahlkampf noch nicht einmal begonnen. Sollte es zu einem Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Trump und DeSantis kommen, kann davon ausgegangen werden, dass die beiden Kandidaten sich darum bemühen werden, unterschiedliche Akzente im politischen Wahlkampfdiskurs zu setzen.

Ron DeSantis: Ultrakonservativer Kulturkampfkrieger

Ron DeSantis ist daher bemüht, seine politische Identität als ultrakonservativer Kulturkampfkrieger weiterzuentwickeln.

Der Gouverneur von Florida hat in Vorbereitung auf eine mögliche Präsidentschaftskampagne im nächsten Jahre gelobt, "die liberale Orthodoxie und ihre Verfechter" herauszufordern, sei es Disney, die liberalen Eliten auf Martha's Vineyard oder öffentliche Bibliotheken.

Seine Kampagne fokussiert sich vorwiegend auf Schulen und Universitäten, wo er den Unterricht über Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung in der Grundschule verboten, den Unterricht über Rassismus in der Geschichte eingeschränkt und Mathematiklehrbücher wegen angeblicher "Indoktrination" aussortiert sehen will.

Erst kürzlich ließ der Gouverneur einen Advanced Placement-Kurs des College Board für afroamerikanische Studien verbieten.

Am Dienstag stellte der einen Plan für eine radikale Überarbeitung des Hochschulsystems des Bundesstaates vor, mit dem seiner Meinung nach die "ideologische Konformität" abgeschafft werden soll.

Kurse in westlicher Zivilisation

Der Vorschlag sieht unter anderem vor, Kurse in westlicher Zivilisation vorzuschreiben, Programme zur Förderung von Vielfalt und Gleichberechtigung abzuschaffen. In anderen Worten: die Handschrift eines echten rechten ultrakonservativen Kulturkämpfers eben.

Aber vielleicht braucht es etwas Bandbreite, um Präsident zu werden, zum Beispiel eine Politik, die über das Schlachtfeld der US-Innenpolitik hinausgeht.

Laut Politico könnte Trump genau diese Schwachstelle ausnutzen, indem er seinen Wahlkampf eher eine außenpolitische Ausrichtung gibt. Hierfür gab es in der letzten Zeit einige Anzeichen.

Trump-Kampagne für den "Friedenspräsidenten"

In der vergangenen Woche hat Trump den Umgang von Präsident Joe Biden mit Afghanistan kritisiert. Weitergehend behauptete er, er könne den fast ein Jahr andauernden Konflikt in der Ukraine innerhalb von "24 Stunden" beenden, natürlich ohne zu sagen wie. Auch wetterte er gegen China und nannte Ron DeSantis einen "Globalisten".

Laut einer Quelle, die Trumps Kampagne nahesteht, plant man, ihn als "Friedenspräsident" zu präsentieren, da er keine neuen Kriege begonnen hat und eine weiter Eskalation der US-Beteiligung am Ukrainekrieg zu verhindern wüsste.

Und im Gegensatz zu anderen potenziellen Herausforderern wie Nikki Haley, Mike Pompeo und Ron DeSantis, hat sich der Ex-Präsident tatsächlich gegen die Finanzierung des Ukraine-Krieges ausgesprochen.

Es stimmt, die Auswirkungen des außenpolitischen Programms "America First" der Trump-Administration gehen tiefer als weithin angenommen. Nicht nur sind die einzigen lauten Anti-Kriegsstimmen im Kongress rechte Trumploylisten und ein paar versprengte Linke.

Die Heritage Foundation ist angesichts Trumps außenpolitischen Kurses sogar von ihren Forderungen nach einem soliden Verteidigungshaushalt abgerückt. DeSantis ist nicht nur wegen seines "politischen Records", sondern auch aufgrund mangelnder Erfahrung in Sachen Außenpolitik angreifbar.

Zwar hat der Gouverneur bereits Schritte unternommen, um dieses Problem anzugehen und in den letzten Monaten Telefonate mit ausländischen Staatsoberhäuptern und Botschaftern geführt, doch hat seine außenpolitische Bilanz ihn bisher nicht gegen Trumps Angriffe verteidigt, was ein Zeichen für Schwäche sein könnte.

Am Ende ist es fast tragisch, dass das ganze Wahlkampfgetöse über eine politische Situation hinwegtäuscht, in der Donald J. Trump, ein Mann, der einst General Qassem Soleimani einfach von der Straße schießen ließ und gelegentlich gerne Kim Jong-un provozierte, sich glaubhaft als einzige echte Opposition zu einer immer weiter ausschweifenden US-Militarismus präsentieren kann.

Nicht, dass es einem US-Präsidentschaftskandidat möglich wäre, sich gegen Militärindustriekomplex zu stellen.

Im Gleichschritt auf die Trillionen-Dollar-Marke zu

Dennoch, Donald Trump hat begriffen, dass ein Teil seiner Wählerschaft der Arbeiterklasse angehören, die einen Großteil der US-Truppen stellen und eben kein Lust mehr haben, ihre Kinder in Konflikten auf anderen Kontinenten zu verlieren, während ihre Sozialleistungen für immer größeren Militärbudgets geopfert werden.

Traurig ist, dass Trump der einzige Präsidentschaftskandidat zu sein scheint, der zu dieser Erkenntnis gelangt ist. In einer Zeit, in der ein Großteil beider Parteien, allen voran die Liberalen, geschlossen im Gleichschritt auf die magische Trillionen-Dollar-Grenze im Militärbudget zumaschiert.