US-Wahl in Georgia: Es geht um sehr viel mehr als nur zwei Posten

Loyal zu Trump: Senator David Perdue. Bild: Gage Skidmore, CC BY-SA 3.0

Was die Stichwahlen für den US-Senat im Bundesstaat Georgia für Regierung des designierten Präsidenten Joe Biden bedeuten

In beiden Senatsrennen im südlichen US-Bundesstaat Georgia herrschte wenige Stunden vor dem Urnengang, der um sieben Uhr (13 Uhr MEZ) beginnt, letzten Umfragen zufolge ein Patt innerhalb des üblichen statistischen Fehlerbereichs. Die republikanischen Amtsinhaber David Perdue und Kelly Loeffler lagen mit 47,4 Prozent beziehungsweise 47,2 Prozent nur leicht hinter ihren demokratischen Herausforderern Jon Ossoff (49,1 Prozent) und Raphael Warnock (49,4 Prozent).

Mit einer schnellen Auszählung ist nicht zu rechnen. "Möglicherweise wird es mehrere Tage dauern", hieß es aus dem Büro des Wahlleiters von Georgia. Denn für eine Verzögerung könnten nicht nur die hunderttausenden von Briefwahlstimmen sorgen, sondern auch eine Neuzählung. Sie wäre auf Wunsch eines Kandidaten erforderlich, wenn der Vorsprung eines Siegers weniger als 0,5 Prozent beträgt.

Die herausragende Bedeutung der Stichwahl: Wenn beide Herausforderer der Demokratischen Partei gewinnen, können sie die Mehrheitsverhältnisse in der bislang von Republikanern dominierten Oberkammer, dem Senat, zu ihren Gunsten verändern.

Dann ergäbe sich eine Pattsituation, die von der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris zu Gunsten der Demokraten aufgelöst würde. Präsident Biden könnte sich in dem Fall sowohl auf die Senatsmehrheit wie auch auf die bereits bestehende Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus stützen.

Den Republikanern reicht dagegen ein einziger Sieg, um die Mehrheit im Senat zu behalten. In dem Fall wären sie unter ihrem Senats-Mehrheitsführer Mitch McConnell in der Lage, das Weiße Haus zu blockieren, ähnlich wie schon zu Barack Obamas Zeiten.

Biden und Trump mobilisieren in Georgia

Einen Tag vor den Stichwahlen gaben sich Vizepräsident Mike Pence, der künftige US-Präsident Joe Biden sowie der amtierende Staatschef Donald Trump in dem südlichen US-Bundesstaat die Ehre. Pence warb südlich der Haupstadt Atlanta vor Evangelikalen um Wählerstimmen für die Senats-Republikaner. Biden sagte am Nachmittag in Atlanta, der Dienstag könne "ein neuer Tag für Atlanta, für Georgia und für Amerika sein".

Ossoff und Warnock lobte er als "prinzipientreu, qualifiziert, ehrenhaft. Sie meinen, was sie sagen." Perdue und Loeffler dagegen seien loyal gegenüber Trump, nicht gegenüber Georgia oder gar der US-amerikanischen Verfassung.

Nördlich von Atlanta warb Trump vor Tausenden Anhängern vom Teleprompter abgelesen für Perdue und Loeffler. Ossoff und Warnock seien "Extremisten, die alles zerstören würden, was den Patrioten in Georgia am Herzen liegt". Die Hälfte seiner Rede assoziierte er frei, mit Versatzstücken aus seinen altbekannten Wahlkampfiraden gegen Demokraten und Medien sowie mit seinen Vorwürfen, die Wahlen seien ihm gestohlen worden. Er werde an seinem Amt festhalten, und "sie werden das Weiße Haus nicht erobern, wir werden wie der Teufel kämpfen."

Der an Covid erkrankte Senator David Perdue nahm nicht an der Veranstaltung teil. Aber wie er ist auch seine Kollegin Kelly Loeffler loyal gegenüber Trump. Sie kündigte von der Bühne herunter an, am Mittwoch zusammen mit einem Dutzend republikanischer Seatoren sowie Abgeordneten aus dem Repräsentantenhaus Einspruch gegen die Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl aus einzelnen Bundesstaaten im Kongress einzulegen.

Die Störaktion wird das Prozedere in die Länge ziehen, aber keine Folgen für den Ausgang haben. Zeitgleich will am Mittwoch das rechtsradikale Trump-Spektrum in Washington vor dem Kongress demonstrieren. Angeblich will Trump daran teilnehmen. Seit Tagen ruft er per Twitter zu auf.

Unklare Wochen

Von der Senatswahl in Georgia über die Reaktionen der radikalen Rechten bis zur offiziellen Amtseinführung von Joe Biden am 20. Januar - über die Entwicklung der kommenden beiden Wochen in den USA herrscht Unklarkeit. Deutlich sind dagegen die Zahlen aus Georgia: Es handelte sich bei beiden Rennen um den teuersten Senats-Wahlkampfeinsatz der US-Geschichte. Das Rennen zwischen dem amtierenden Republikaner David Perdue und dem Demokraten Jon Ossoff verschlag bis Montag 470 Millionen US-Dollar, das zwischen Kelly Loeffler und Raphael Warnock 363 Millionen US-Dollar.

Die tatsächliche Summe wird sich insgesamt auf eine Milliarde US-Dollar zubewegen, wenn die Kandidaten nach den Wahlen gegenüber der Bundeswahlkommission Rechenschaft ablegen müssen. Im Wahlkampfendspurt hatten die Spenden, die in die Wahlkampfkassen der Rechtsaußenkandidaten flossen, von Hedgefonds-Managern, Bankergrößen und Immobilienchefs zugenommen.

Ein großer Teil der Wall Street unterstütze ein "geteiltes Regierungssystem", das heißt eine demokratische Biden-Regierung, aber einen von Republikanern dominierten Kongress, hieß es in der US-Presse. Ein Präsident Biden verspreche mehr Stabilität, aber nur ein Republikaner-Senat werde dessen Steuervorhaben – etwa eine stärkere Besteuerung von Einkommen über 400.000 US-Dollar pro Jahr … zu verhindern wissen.

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