US-Zollpolitik: Polizeistunde für Deutschlands Export-Party
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Die von der US-Regierung angedrohten Zölle haben weltweite wirtschaftspolitische Auswirkungen. Was muss Deutschland jetzt tun und kann Trumps Politik Erfolg haben?
Wer jetzt die Augen aufreißt und die Zollpolitik der US-Regierung unter Präsident Donald Trump mit dem russischen Angriff auf die die Ukraine vergleicht, lügt oder ist schlichtweg ahnungslos. Ausgeglichene Handelsbilanzen sind schon lange ein Kardinalthema der US-Wirtschaftspolitik.
Heiner Flassbeck gibt zu diesem Thema zu Protokoll, dass Deutschland, China und Japan die USA systematisch dadurch ausnutzen, dass sie permanent Überschüsse im Außenhandel anstreben und den Amerikanern die Defizite überlassen.
Das US-Handelsdefizit betrug 2024 sagenhafte 1.200 Milliarden US-Dollar (1,2 Billionen). Das entsprach immerhin vier Prozent des amerikanischen Bruttonationaleinkommens von 29.724 Milliarden US-Dollar.
Handelsbilanzen schon lange Kardinalthema der US-Wirtschaftspolitik
Schon in den 1980er Jahren, argumentiert Flassbeck weiter, hätten sich die wirtschaftlich größten Länder der Welt auf Druck der USA zusammengetan, um für eine Abwertung des US-Dollars zu sorgen. Dadurch wurden die Exporte der USA für ihre Handelspartner billiger, was es ihnen erlaubte, mehr Waren und Dienstleistungen aus den USA zu kaufen.
14 Jahre später war Flassbeck dann als Staatssekretär selbst mit dem Thema befasst:
Als ich 1999 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium wurde, kam der erste Anruf von meinem amerikanischen Kollegen Larry Summers, der vor allem den Wunsch hatte, mit der neuen deutschen Regierung über eine internationale Arbeitsteilung zu reden, in der die Amerikaner nicht die ganze Last der Ankurbelung der Weltkonjunktur tragen müssten. Heiner Flassbeck
Deutschland und die anderen entwickelten Volkswirtschaften hätten dieser Bitte durchaus Folge leiten und ihre Inlandsnachfrage stärker fördern können. Dann wäre die Weltkonjunktur schneller wieder angesprungen, übermäßige Exportüberschüsse vermieden worden und der Wohlstand in den Ländern verblieben, die ihn produzieren. Die unabdingbare Voraussetzung dafür: angemessene Löhne. Das ging natürlich nicht und deshalb ließ man Flassbeck auflaufen:
Als ich jedoch versuchte, das auch in Deutschland zu vermitteln, wurde ich – ganz vorneweg vom Spiegel – als Vaterlandsverräter behandelt. Heiner Flassbeck
Lohndumping für den Export
In den Jahren darauf wurde es mit der Agenda 2010 als Keule fürs Lohndumping und dem "Merkelantismus" nicht besser, sondern noch schlimmer. Folglich stagnieren die Reallöhne (nur sieben Prozent plus zwischen 1991 und 2022) und die Armut in Deutschland wuchs und wächst.
Und nun haben wir den Salat. Verwirklicht Trump seine Zolldrohungen, werden die sich als weiterer Nagel im Sarg der ohnehin schon schwer angeschlagenen deutschen Autoindustrie erweisen. Doch auch die Pharmaindustrie, der Maschinenbau und die Halbleiterbranche exportieren einen hohen Anteil ihrer Produkte in die USA.
300.000 Arbeitsplätze in Gefahr
Bis zu 300.000 Arbeitsplätze könnten dann nach Aussagen des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in den nächsten Jahren wegbrechen. Demnach hängen hierzulande 1,2 Millionen Jobs am Export in die USA.
Doch bis heute feiert Deutschland als "Exportweltmeister" fröhliche Urständ. Die deutsche Exportquote betrug 2023 sagenhafte 43,4 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Der Exportüberschuss betrug 209,6 Mrd. Euro, was immerhin 4,8 Prozent des BNE entsprach und - zum Vergleich - fast 46 Prozent des Bundeshaushaltes gleichkam.
Erfolg der US-Zollpolitik keineswegs sicher
Ob Trump seine wirtschaftspolitischen Ziele allerdings tatsächlich erreichen und Produktion zurück in die USA holen kann, steht auf einem ganz anderen Blatt. Um Amerika wieder großzumachen, reicht es beiweitem nicht, den Marktkräften das Feld zu überlassen. Dafür braucht es starke, kompetente und wirtschaftspolitisch handlungsfähige Behörden.
Denn es gilt nicht nur mit vergleichsweise höheren Arbeitskosten fertig zu werden und die Lieferketten neu aufzusetzen. Es braucht vor allem genügend qualifizierte Arbeitskräfte. Und schließlich werden erhebliche finanzielle Mittel benötigt, die aber nur dann Gewinne abwerfen werden, wenn die mit ihnen getätigten Investitionen in eine strategisch ausgerichtete Industriepolitik eingebettet sind.