US-amerikanische Sozialpolitik – gibt’s denn so was?

Seite 2: Sprengstoff für die Demokraten im Mammut-Projekt

Die Demokraten könnten sich darüber freuen, dass auf der anderen Seite des Senats zumindest dieses eine Mal die Vernunft über Trump gesiegt hat. Doch hat die Demokratische Partei selbst mehr als genug damit zu tun, ihre Partei zusammenzuhalten. Der neue Budgetplan ist bisher wenig detailliert und stellt eher eine Ansammlung größere Themenbereiche dar, die von verschiedenen Komitees ausgearbeitet werden müssen.

Das Mammut-Projekt soll sich mit Kindererziehung, Bildung, Ausbildung und Produktion auseinandersetzen: genug Sprengstoff also für eine heftige Debatte zwischen progressiven und moderaten Demokraten.

Die bevorstehenden Verhandlungen um die einzelnen Punkte im Budget werden zeigen, in welche Richtung sich die Partei entwickelt. Sanders, der "Sozialist" und Konterpart zu Biden, ist inzwischen Vorsitzender des Budgetkomitees und es wird sich zeigen, ob er in diesem Amt die Position der Progressiven in der Partei wirklich stärkt. Totschweigen wie früher lässt sich der "linke" Flügel jedenfalls nicht mehr.

Schade, dass diese Debatten wahrscheinlich mit weniger Öffentlichkeit geführt werden als es vielleicht im Senat der Fall gewesen wäre, aber dank dem "Filibuster" bleibt den Demokraten keine andere Wahl, als auf die Budgetverhandlungen auszuweichen, sollten sie einmal ohne Republikaner regieren wollen.

Warum sie die antiquierte Regelung nicht abschaffen, bleibt allerdings rätselhaft. Denn eine Regelung, die bei großen Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit nötig macht, kann in einem Zwei-Parteien-System zu politischem Stillstand führen.

Da Budgetfestlegungen von diesen Regelungen ausgeschlossen sind, ist es nicht unüblich, dass im Grunde hier die politischen Ziele der jeweils regierenden Partei durchgesetzt werden. Demokrat Chuck Schumer beschreibt diesen Kurs als zweigleisig, es gibt also einen Teil der politischen Agenda, der mit den Republikanern, und einen zweiten, der zwischen Demokraten verhandelt werden muss.

Und so ist es schwierig, in einem Zwei-Parteien-System Politik zu machen. Erst recht, wenn die Parteien auf einmal Flügel bekommen und diese sogar Ansprüche stellen. Während die Republikaner sich dem radikal rechten Trump-Loyalisten-Flügel relativ bedingungslos verschrieben haben, gerät auch das Demokratische Establishment in Bedrängnis.

Der progressive Flügel

Denn selbst große Projekte wie das Infrastrukturgesetz können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der progressive Flügel auf nationaler Ebene die politische Diskussion bestimmt. Biden war der anti-Trump Kandidat, der vor allem durch Schützenhilfe des Partei-Establishments und trotz der Verzweiflung vieler linker Demokraten an die Macht kam.

Zwar hat die Pandemie den Moderaten und dem Partei-Establishment eine Art Verschnaufpause beschert, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, welche Themen während des Wahlkampfes eine Rolle spielten. Es waren die Diskussionen zwischen Elizabeth Warren und Bernie Sanders, die vielen Menschen in den USA die Hoffnung gaben, eine sozialere Politik sei eventuell doch möglich.

Unter Biden gibt es freilich keine Hoffnung, dass Großkonzerne wie Google ernsthaft besteuert, geschweige denn zerschlagen würden.

Außerdem ist kaum zu erwarten, dass die durch und durch kapitalistische Demokratische Partei auf einmal transformative oder gar sozialistische Politik in die Tat umsetzt. Im Gegenteil: Es steht zu befürchten, dass die ehemals so progressiven politischen Kräfte, die in den demokratischen Vorwahlen freigesetzt wurden und von Persönlichkeiten wie Bernie Sanders und Ocasio-Cortez verkörpert werden, durch Eingliederung ins Establishment ausgebremst werden.

Dennoch gilt: Sollten sich die progressiven Demokraten in den einzelnen Komitees zur Budget-Verteilung durchsetzen, könnte die Demokratische Partei vielleicht im Laufe der nächsten Jahre an Profil gewinnen. Genau wie die amerikanischen Dämme, Brücken und Straßen hätte sie eine Renovierung bitter nötig.