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USA: "Impfung" soll Bienen gegen Faulbrut schützen

Das Immunsystem vieler Bienen ist angeschlagen. Aus menschengemachten Gründen. Symbolbild: TerriAnnAllen auf Pixabay (Public Domain)

Ein wenig effizientes Präparat wird gegen Faulbrut-Krankheit zugelassen. Die Behandlung mit Antibiotika ist eher kontraproduktiv. Eine artgerechte Haltung stärkt das Bienen-Immunsystem.

Ein neues Immunpräparat [1] soll Honigbienen vor der weltweit auftretenden bakteriellen Krankheit Amerikanische Faulbrut (AFB) schützen, welche die Brut der Bienen befallen und tötet. Es enthält abgetötete Erreger des Bakteriums Paenibacillus larvae und wird den Tieren mit dem Futtersaft verabreicht. Die Königin nimmt das Vakzin über das Futter auf. Über ein bestimmtes Protein wird ein Teil des Bakteriums an die Eier geklebt. Die aus diesen Eiern schlüpfenden Larven sollen dann besser mit den Sporen des Bakteriums umgehen.

Laut einer aktuellen Studie [2] erkranken in der Folge zwischen 30 und 50 Prozent weniger Larven an AFB. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass 50 bis 70 Prozent der Larven weiter erkranken, erklärt Elke Genersch vom Länderinstitut für Bienenkunde Hohen Neuendorf. Es reiche eine tote Larve, damit sich die Krankheit im Bienenstock ausbreiten kann. Werden in einem Volk wenige erkrankte Larven gefunden, gilt es als von AFB befallen. Das neue Präparat kann die Infektionsketten demnach nicht vollständig unterbinden, was die Euphorie um den neuen Impfstoff deutlich dämpft.

Insekten verfügen zwar über ein angeborenes Immunsystem, allerdings fehlt ihnen ein adaptives Immunsystem, so wie es etwa beim Menschen als Basis von Impfungen funktioniert, erklärt die Bienenexpertin. Denn wirbellose Tiere verfügen über kein Immunsystem mit Gedächtnisfunktion. Statt von einer Impfung spricht Genersch daher von 'Transgenerational Immune Priming' oder einer generationenübergreifenden Immunvorbereitung.

Die bakterielle Erkrankung befällt ausschließlich die Larven von Honigbienen, die in der Brutzelle zersetzt werden. Dabei bilden sich zahlreiche weitere Sporen, die den gesamten Bienenstock befallen können. Auch hierzulande sind Bienenstöcke befallen, während der letzten zehn Jahre allerdings mit abnehmender Tendenz: 2012 registrierte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) [3] noch 268 Fälle, im letzten Jahr gab es 72 Ausbrüche.

Weil die Erreger "ausgesprochen widerstandsfähig und langlebig" sind, muss ein Imker, dessen Bienen befallen sind, dies beim entsprechenden Veterinäramt melden. Um befallene Stöcke wird üblicherweise ein Bannkreis von etwa zwei Kilometern oder mehr gezogen. Häufig wird das Volk abgetötet und verbrannt. Das Präparat ist in den USA vorerst nur bedingt zugelassen. Es wird nur an bestimmte Imker ausgegeben und ist nicht frei verkäuflich.

Zudem muss sich erst noch zeigen, wie das Mittel in freier Wildbahn wirk. "Die Phase-II-Studie im Feld fehlt noch, und das ist die eigentliche Bewährungsprobe", erklärt Genersch. Zudem ist nicht abzusehen, ob und wann das Mittel in Europa zugelassen wird. Die Expertin sieht noch eine andere Gefahr: Ist die Zahl infizierter Brutzellen geringer, könnten Ausbrüche der AFB übersehen oder verschleppt werden. Eine Früherkennung sei weiterhin wichtig, um infizierte Stöcke rechtzeitig behandeln zu können.

Der Hersteller Dalan Animal Health, https://www.dalan.com/ [4] ein US-amerikanisches Biotech-Unternehmen, welches auch dem Imperium von Bill Gates gehört, forscht unterdessen an weiteren "Bienen-Impfungen" [5]. So ist die Zulassung für ein Mittel gegen die Europäische Faulbrut sei bereits fortgeschritten. Ein vorbeugendes Präparat und Antibiotika könnten sich irgendwann ergänzen.

Behandlung mit Antibiotika kann tödlich enden

Eine effiziente Impfung könnte die Anwendung von Antibiotika weltweit reduzieren, hoffen die Wissenschaftler. In den USA präparieren viele professionelle Imker ihre Bienen mehrmals jährlich mit dem gängigen Breitband-Antibiotikum Tetracyclin, um die Bienen vor der Amerikanischen Faulbrut zu schützen. Genau diese Substanz aber kann den Bienen zusätzlich schaden, wie Wissenschaftler um Nancy Moran von der University of Austin vor einigen Jahren feststellten. So starben nach einer längeren Behandlung mit dem Antibiotikum deutlich mehr Tiere als ohne das Medikament.

Der Einsatz von Antibiotika in Bienenstöcken könnte ein Faktor beim Bienensterben der vergangenen Jahre sein, warnen die Wissenschaftler im Fachmagazin "PLOS Biology". Sie gehen davon aus, dass Tetracyclin bei den Bienen bestimmte Darmbakterien abtötet, die vor potenziell schädlichen Serratia-Darmbakterien schützen, deren Anzahl bei den behandelten Bienen erhöht war.

Im Versuch fütterten sie mehrere Hundert Bienen aus den Bienenstöcken der Universität mit antibiotikahaltigem Sirup oder einfachem Zuckersirup. Von den Zuckersirup-Bienen waren nach drei Tagen noch zwei Drittel am Leben, von den Antibiotika-Bienen nur ein Drittel [6]. Sie schlussfolgerten, dass die Störung der Darmflora zu einem Zusammenbruch der betreffenden Kolonie führte.

Die Verwendung von Antibiotika in Bienenstöcken sei "absolut unsinnig", erklärt Werner von der Ohe vom Institut für Bienenkunde in Celle (inzwischen im Ruhestand). Zum einen könne es Rückstände im Honig geben, zum anderen drohten Resistenzen - vor allem bei vorbeugender Behandlung. Aus diesem Grund ist in der EU eine Behandlung mit Antibiotika bei Bienen verboten.

Zu den Ursachen für das weltweite Bienensterben zählen Experten den Einsatz von Pestiziden, Viruskrankheiten, der Ausbreitung der Varroa-Milbe und einem geringen Ernährungswert bestimmter Nutzpflanzen. Es könnte sein, fürchten Experten, dass die massive Verwendung von Antibiotika die Probleme sogar verschärfen.

Helfen Probiotika gegen Bienen-Krankheiten?

Mikroorganismen beeinflussen die Gesundheit der Darmflora beim Menschen. Sind Probiotika der Gesundheit von Honigbienen nützlich? Diese Frage stellten sich Wissenschaftler der Universität Western Ontario. Das Team um Gregor Reid entwickelte ein Bienenfutter mit Probiotika [7], das sie bei Versuchsvölkern testeten.

Drei Völker bekamen verschiedene Futtergaben: Eine Gruppe erhielt weder Probiotika noch ergänzenden Futterteig, eine zweite Gruppe lediglich Futterteig und die dritte bekam Probiotika über einen Futterteig. Am anfälligsten waren die Honigbienen der Gruppe, die nur einen Futterteig erhielt.

Während des Experimentes infizierten sich die Bienenvölker unabsichtlich mit der Amerikanischen Faulbrut (Paenibacillus larvae). Bei der mit Probiotika behandelten Bienenstöcke war die Belastung mit Erregern um 99 Prozent reduziert, weshalb mehr Bienen überlebten. Bei weiteren Untersuchungen im Labor stellten die Forscher bei den mit Probiotika gefütterten Bienen eine erhöhte Immunabwehr gegen P. larvae fest.

Eine Gabe mit Probiotika könnte auch die Expression eines Gens namens Defensin-1 erhöhen, ein wichtiges antimikrobielles Peptid, das eine entscheidende Rolle bei der Abwehr von Paenibacillus-larvae-Infektionen bei Honigbienen spielt, weiß Brendan Daisley, einer der Autoren.

"In einem Bienenvolk sind unzählige Bienen nicht nur genetisch miteinander verwandt, sondern leben auch auf engstem Raum miteinander", erklärt Graham Thompson, ein weiterer Autor, der an der Studie beteiligt war. Vor diesem Hintergrund sind die Bienen anfällig für ansteckende Krankheiten. Aufgrund der üblichen Praxis, Bienen mit zusätzlichem Futter zu versorgen, könnten sich die Krankheitserreger noch vermehren, glauben die Forscher. Sie würden die Imker stattdessen gerne mit einem Futterteig beliefern, der mit Probiotika angereichert ist [8].

Eine gute Mikrobenflora stärkt die Immunabwehr

Bereits vor zehn Jahren sammelten schwedische Wissenschaftler [9] wilde Honigbienen-Völker aus aller Welt. In den Honigmägen aller Bienen fanden sie überall eine ähnliche Zusammensetzung von Milchsäurebakterien - darunter bisher unbekannte Stämme, die Faulbrut bekämpfen können.

Bei Bienen wie auch beim Menschen helfen in einer gesunden Darmflora Bakterien bei der Aufnahme von Nährstoffen. So wirken die Stoffwechselprodukte der Milchsäurebakterien einerseits wie Konservierungsmittel, die verhindern, dass der Honig von Hefepilzen oder anderen Mikroben befallen wird. Zum Andern vertreiben sie Krankheitserreger aus der Bienenkolonie.

Gesunde Milchsäurebakterien seien nur in frischem oder wildem Honig aktiv, nicht jedoch in Honig mit weniger als 20 Prozent Wasseranteil, erklären die Bienen-Experten [10]. Ohne die Milchsäurebakterien würde der Nektar im Honigmagen der Bienen vermutlich innerhalb kürzester Zeit anfangen zu gären. Der Honig würde nicht mehr als natürliches Antibiotikum wirken. Weil die Immunabwehr darunter leidet, wären die Bienen und ihre Larven nicht mehr vor Krankheiten geschützt.

Was den Zuchtbienen also fehlt, ist der natürliche Schutz durch Milchsäurebakterien, vermuten die Forscher. Ursache dafür könnten die Antibiotika-Gaben sein, wie sie in den USA erlaubt sind, aber auch die Fütterung mit synthetischem Zucker steht in Verdacht.

Eine Studie von 2018 [11] untermauert diese These. Hier fütterten Wissenschaftler der Uni Hohenheim und Tübingen fünfzehn Bienenvölker mit Weizenstärkesirup, Saccharosesirup bzw. Blütenhonig. Bei den Bienen, die Honig oder Weizenstärkesirup erhielten, wiesen die Forscher mehr Rhizo- und Bifidobakterien nach als bei den Bienen, die mit Saccharosesirup gefüttert wurden.

Moderne Imker füttern ihre Bienen vor allem im Winter mit Zucker bzw. Sirup. Dies schädigt das Darmsystem und somit das Immunssystem der Bienen, wie in einer anderen Studie aus dem Jahr 2012 [12] nachgewiesen wurde. Demzufolge richtet saure Invert-Zuckersirup den größten Schaden an – für die Epithelzellen im Darm und verkürzt somit die Lebensdauer der Bienen.

Mit natürlicher Fütterung bleiben Bienen gesund

Imker, die Bienen wesensgemäß halten, berücksichtigen deren natürliches Lebensumfeld. Sie geben ihren Bienen natürliches Futter. So litten Larven und Bienen, die man mit Sonnenblumenhonig fütterte, weniger unter Nosema [13] sowie der Europäischen Faulbrut (Sauerbrut). Und die Fütterung mit Akazienhonig sowie Honige mit Anteilen von verschiedenen Blütenpflanzen reduzierte den Befall mit amerikanischer Faulbrut.

Was folgt daraus? Honig, der ausvielfältigen Trachtquellen stammt, ist für Bienen nicht nur Nahrung, sondern offensichtlich auch Heilmittel, denn er stärkt das Immunssystem. Und je nachdem, von welchen pathogenen Bakterien die Bienen befallen sind, wählen sie sogar den jeweils für sie "richtigen" Honig.

Wer seinen Bienen also möglichst viel eigenen Honig lässt, ermöglicht ihnen über das Futter eine selbständige, natürliche und wirkungsvolle Prophylaxe gegen Krankeiten, schreiben die Autoren von Mellifera [14] Verein für wesensgemäße Bienenhaltung.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7480529

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.tagesschau.de/wissen/klima/bienen-impfung-faulbrut-107.html
[2] https://www.vetmed.fu-berlin.de/einrichtungen/institute/we07/mitarbeiter/Genersch_Elke/index.html
[3] https://www.fli.de/de/startseite/
[4] https://www.dalan.com/
[5] https://tkp.at/2023/01/14/erstmalig-impfstoff-fuer-bienen-zugelassen-gates-an-bord/
[6] https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/bienen-antibiotika-behandlung-in-usa-laesst-tiere-sterben-a-1138758.html
[7] https://www.nature.com/articles/s41396-019-0541-6
[8] https://bienen-nachrichten.de/2022/probiotika-als-schutz-vor-amerikanischer-faulbrut/1210
[9] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22427985/
[10] https://bienen-dialoge.de/honig-und-zuckerfuetterung/
[11] https://link.springer.com/article/10.1007/s13592-017-0551-1
[12] http://www.resistantbees.com/fotos/estudio/feeding.pdf
[13] https://www.bienen.ch/fileadmin/user_upload_relaunch/Dokumente/Bienengesundheit/Merkblaetter/2.5_durchfallerkrankungen.pdf
[14] https://www.mellifera.de/bien/blog/afb-impfung.html