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USA: Startschuss zur Deregulierung

Boston Skyline. Bild: epa.gov

Präsident Trump will mit einer Anordnung den Weg ebnen, um die Clean Water Rule zu beseitigen

Am 28. Februar 2017 hat US-Präsident Donald Trump die Leitung der US-Umweltschutzbehörde EPA sowie den Assistenzsekretär des Zivilkonstruktionsbereichs der US-Streitkräfte in einer Anordnung angewiesen, die Clean Water Rule zu überprüfen - zur "Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit, des Föderalismus und des Wirtschaftswachstums". Der Präsident will damit nach eigenen Angaben den Weg zur Beseitigung des Gesetzes ebnen, das seit Beginn von verschiedenen Lobbygruppen attackiert wird. Trump kommentierte [1]: "Es war ein massiver Staatsstreich. Verordnungen und Genehmigungen fingen an, unsere wundervollen Kleinbauern und Kleinbetriebe so zu behandeln, als ob sie bedeutende industrielle Verschmutzer seien. Sie wurden schrecklich behandelt."

Die Richtlinie [2] wurde im Jahr 2015 in einer Zusammenarbeit von EPA und dem United States Army Corps of Engineers geschaffen. Ziel war es, die Ströme und Feuchtgebiete des Landes vor Verschmutzungen zu schützen und die Gewässer genau zu definieren, die nach dem Clean Water Act von 1972 zu schützen sind. Die neue Richtlinie schützt schiffbare Wasserwege und ihre Nebenflüsse - im Prinzip alles, was stromabwärts in größeren Gewässern mündet. Es wird geschätzt, dass ein Drittel aller US-Bürgern Trinkwasser aus Gewässern bezog, die vor der Einführung der Clean Water Rule nicht eindeutig geschützt waren.

Die Obama-Regierung hatte versucht, den Streit um eine geeignete Definition ein für alle Mal mit der Clean Water Rule: Definition of "Waters of the United States" [3] von 2015 zu beenden. Aber die stand in der Kritik: bei Landwirten, der US-Handelskammer, bei Immobilienfirmen und Golfplatzbesitzern. Bauherren sahen ihre Baugründe plötzlich im Einzugsbereich von Gewässern, die nun von der Richtlinie geschützt wurden und zu Komplikationen und zusätzlichen Kosten im Genehmigungsprozess führten.

Trump hatte die Bekämpfung der Richtlinie im Wahlkampf zum Thema gemacht. Außerdem hat er als Schwergewicht der Golfindustrie ein eigenes Interesse [4]: Die Trump-Organisation betreibt allein in den USA etwa ein Dutzend Golfplätze.

Der US-Präsident hat nun angeordnet, dass die EPA und das Army Corps of Engineers künftig eine Definition nutzen sollen, die auf einer richterlichen Meinung [5] im Rahmen eines Beschlusses des Obersten Bundesgerichts von 2006 beruht, sich am Geltungsbereich des älteren Clean Water Acts orientiert und zum Beispiel Kanäle ausschließt, die der periodischen Entwässerung von Niederschlägen dienen.

Dass die Richtlinie allein per Dekret des Präsidenten gekippt werden kann, schließen Beobachter aus. Die EPA würde mit dem langwierigen Regulierungsprozess von vorn beginnen müssen. Noch hofft man auf eine einvernehmliche Lösung, die zwischen den Interessen ausgleicht und trotzdem dafür sorgen kann, dass das Trinkwasser weiterhin sauber bleibt.

Deregulierung erwünscht: Post von den Bossen

Der Business Roundtable, eine Lobbygruppe, die sich unter anderem aus den CEOs großer Konzerne zusammensetzt, hatte der Trump-Regierung am 22. Februar 2017 einen Brief [6] geschickt, der eine Liste [7] mit Gesetzgebungen enthält, die den Verfassern wegen den von ihnen ausgehenden ungebührlichen Belastungen Anlass zur Sorge geben - unter anderem die Clean Water Rule, jener Richtlinie, mit der Donald Trump nun den geplanten Reigen der Deregulierungen eröffnet. Der Vorschlag des Business Roundtable: die EPA solle die Richtlinie zurückziehen.

Der Business Roundtable schlug nicht vor, dass alle Bestimmungen auf seiner Liste aufgehoben werden sollten, obwohl einige davon einfach so mangelhaft seien, dass sie nicht leicht korrigiert werden könnten. Andere sollten durch das Einräumen zusätzlicher Spielräume verbessert werden, wodurch sich unnötige Belastungen reduzieren ließen. In ihrer jetzigen Form wirke sich die Mehrheit dieser Regelungen jedoch negativ auf das Wirtschaftswachstum aus. Einige der aufgeführten Regelungen erschienen einzeln betrachtet vielleicht unbedeutend für das Wachstum. Doch ihre aufsummierte Wirkung binde Ressourcen aus der Innovation und der Schaffung von Arbeitsplätzen, die in der Nicht-Wertschöpfung von administrativen und bürokratischen Aktivitäten verschwendet würden.

Delmarva Bay. Bild: epa.gov

Gleichzeitig sorgt man sich im Brief um die globale Wettbewerbsfähigkeit der Vereinigten Staaten, die durch mögliche "unbeabsichtigte Konsequenzen" der neuen Einwanderungspolitik oder der Ausweitung der "Buy America"-Forderungen beeinträchtigt werden könnte: etwa durch Einschränkungen bei Aufenthaltsgenehmigungen von Arbeitnehmern oder durch heraufbeschworene Handelskonflikte.

Die Marschrichtung für weitere Deregulierungen

Der Vorstoß des Business Roundtable zielt auf Regelwerke zu Umweltschutz, Gesundheitsversorgung, Grundsätzen der Unternehmensführung, Arbeitskräften, Steuern, Internet und Exporten. Dabei wird den Prioritäten einer Vielzahl von Industrien Rechnung getragen: angefangen von der Chemie-Industrie über die Energie- und Gesundheitsversorgung bis hin zu Finanzdienstleistungen.

Die aufgelisteten "Top-Regulierungen" betreffen zum Beispiel nationale Luftqualitätsnormen und Berichterstattungspflichten kleiner Unternehmen gegenüber Obamacare, oder die Anzahl von Arbeitskräften mit Anspruch auf bezahlte Überstunden.

Der Business Roundtable greift ebenso den US-Regulierer FCC und seine 2015 veröffentlichten Regeln zur Netzneutralität an. Die Netzneutralität solle gewahrt bleiben, allerdings ohne die Vorschriften des FCC Open Internet Order, die für den Markt und die Technologie des vergangenen Jahrhunderts erschaffen wurden.

Dem Vorschlag der Umweltschutzbehörde EPA, dem Bau neuer Kohlekraftwerke nur in der Ausführung als CCS-Kraftwerk mit CO2-Abscheidung und -Speicherung zuzustimmen, wird eine Abfuhr erteilt. Derzeit ohnehin von der Bundesjustiz blockiert, sollte der Clean Power Plan stattdessen umgearbeitet werden, um Bedenken zu zerstreuen, dass die EPA in diesem Falle beim Gebrauch ihrer staatlichen Autorität zu weit geht.

Ebenso missgünstig wird die Vorschrift bewertet, dass börsennotierte Unternehmen verpflichtet sind, das CEO-Einkommen im Verhältnis zum durchschnittlichen Arbeitnehmerlohn zu veröffentlichen - die Zahlen seien schlicht "willkürlich und oft sinnlos". Ebenso bedenklich findet der Business Roundtable, dass börsennotierte Unternehmen deklarieren müssen, ob ihre Produkte "Konfliktmineralien" (Gold, Wolframit, Kassiterit und Coltan) aus der Demokratischen Republik Kongo oder angrenzenden Ländern enthalten.

Die beiden letztgenannten Vorschriften sind Teil des Dodd-Frank Acts [8], jenem US-amerikanisches Bundesgesetz, das als Reaktion auf die Finanzkrise von 2007 erlassen wurde und das die US-amerikanischen Steuerzahler vor weiteren Bail-outs sowie Konsumenten vor Betrug bei Finanzdienstleistungen schützen soll. Der Business Roundtable unterstützt sowohl die nochmalige Prüfung beider Vorschriften durch die US-Börsenaufsichtsbehörde und ihre volle Aufhebung durch den Kongress.

Zu den Unterzeichnern des Briefs vom Business Roundtable gehören Mark J. Costa, CEO von Eastman Chemical und Vorsitzender des Smart Regulations Committee des Roundtables, sowie Andrew N. Liveris, CEO von Dow Chemical, der von Trump angeheuert [9] wurde, um die industrielle Produktion in den Vereinigten Staaten anzukurbeln. Liveris fungierte vorher schon als Co-Vorsitzender in Obamas Advanced Manufacturing Partnership [10]. Im Jahr 2011 veröffentlichte er ein Buch: "Make It in America: The Case for Re-Inventing the Economy". Darin hatte er argumentiert, dass die US-Regierung den Führungen anderer Nationen folgen und Anreize schaffen solle, die schließlich Hersteller in die USA locken. Denn nach seiner Beobachtung handeln Staaten weltweit mehr und mehr wie Unternehmen, die aggressiv gegeneinander konkurrieren.

Der in Washington, D.C. ansässige Business Roundtable vereint die Spitzen von Unternehmen, die zusammen auf mehr als 6 Billionen US-Dollar Jahresertrag kommen und fast 15 Millionen Angestellte haben.

Die Anregungen aus den Konzern-Etagen treffen den Zeitgeist: Erst Ende Januar 2017 hatte Präsident Donald Trump eine Verfügung erlassen [11], die die Behörden verpflichtet, für jede neu eingeführte Verordnung zwei existierende zu beseitigen.


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https://www.heise.de/-3644486

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.npr.org/sections/thetwo-way/2017/02/28/517016071/trump-aims-to-eliminate-clean-water-rule
[2] https://www.epa.gov/cleanwaterrule
[3] https://www.epa.gov/sites/production/files/2015-06/documents/preamble_rule_web_version.pdf
[4] http://www.npr.org/2017/01/29/511857819/trumps-supreme-court-nominee-could-hear-case-affecting-trump-golf-courses
[5] http://supreme.justia.com/cases/federal/us/547/715/opinion.html
[6] https://www.bloomberg.com/politics/articles/2017-02-22/trump-meets-with-corporate-ceos-thursday-on-economic-policies
[7] http://businessroundtable.org/top-regulations-concern
[8] https://www.gpo.gov/fdsys/pkg/PLAW-111publ203/pdf/PLAW-111publ203.pdf
[9] http://cen.acs.org/articles/94/web/2016/12/Trump-taps-Liveris-for-manufacturing-role.html
[10] http://web.mit.edu/pie/amp/
[11] https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2017/01/30/presidential-executive-order-reducing-regulation-and-controlling