USA: Versagen der Politik und Militäreinsatz in Zeiten der Pandemie

Seite 8: - Bürgerkriegsübungen

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Um sich auf Innere Unruhen einzustellen und die Vorgehensweise zu erproben, führt das US-Militär entsprechende Manöver durch. In den siebziger Jahren wurden die Übungen der GROWN TALL-Serie durchgeführt, um die Einsatzbereitschaft- und Reaktionsfähigkeit zu testen.

Im März 1969 fand in Kalifornien die Übung CABLE SPLICER II statt. Über den Übungsablauf, der durch 1.200 Geheimdienstmeldungen fortlaufend angereichert wurde, hieß es in der US-Presse:

In the first phase of the exercise, an arrest and shooting "provoke crowd unrest and threats against public officials." Fourteen simulated hours later, rioters attack a police car and injure an officer. A member of a minority group is killed and two others are wounded. There are threats of retaliation against police officers. Mock intelligence reports suggest widespread rioting is likely, as dozens of apparent radicals are flown in on a "chartered flight" and picked up at the airport by 20 separate vehicles.

The second phase of the exercise begins with "the ambush of several police cars, the attempted assassination of the mayor, the bombing of local armories, the destruction of vehicles and ammunition stocks, and the gathering of thousands of people in the streets." The exercise participants call in police from outside jurisdictions and cities, but they are unsuccessful at quelling the violence. In the third phase of the exercise, according to New Times, "intelligence reports pouring into the Emergency Operations Center disclose more fire bombings, attempted assassinations of public officials, hoarding of water in certain areas, and sniping of fire trucks. The streets remain filled with thousands of people, and the National Guard is called to active duty." As the crowd turns increasingly violent, the Army is called upon to take over for the National Guard. The crowd is finally dispersed, although the details of exactly how are unknown. "At their disposal," New Times reports, "there are heavy artillery, armor, chemical and psychological warfare teams, and tactical air support."

The third phase concludes with a few "loose militants" unable to gain popular influence.

Im Jahr 1984 führte das Pentagon unter der Tarnbezeichnung READINESS EXERCISE (REX) ein Manöver durch, um die Gefangennahme einer Vielzahl von Personen zu üben.

Seit der Jahrtausendwende ist NORTHCOM an der Manöverserie VIGILAND SHIELD (VS) beteiligt. Dabei handelt es sich um "an annual homeland defense exercise focused on the single, unyielding priority of defending North America from attack". Die letzte derartige Übung fand Mitte Oktober 2019 statt.

Ab dem 15. Juli 2015 hielten die U.S. Special Forces (SOFs) ihre zweimonatige Übung JADE HELM ab. Manövergebiet waren die US-Bundesstaaten Arizona, Florida, Louisiana Mississippi, New Mexico, Utah und Texas. An der Übung beteiligt waren die Green Berets, die Rangers und die Seals. Der genaue Zweck der Sonderübung blieb unklar, so dass zahlreiche Gerüchte in den sozialen Medien kolportiert wurden. Dazu berichtete Florian Rötzer in "Telepolis":

Gerüchte zirkulieren auf den üblichen Verschwörungsplattformen wie Infowars.com, dass es sich etwa um eine verdeckte Operation handeln könne, um in Texas das Kriegsrecht einzuführen, die Bürger zu entwaffnen und den Bundesstaat zu übernehmen. Der Radiokommentator Alex Jones, der schon lange Verschwörungstheorien verbreitet, sprach davon, dass die "Feds" sich auf eine Invasion von Texas vorbereiten würden. Das Militär würde sich verstärkt auf Staaten konzentrieren, wo rechte Bewegungen wie die Tea Party an Einfluss gewinnen. Überdies würden die US-Truppen mit anderen Ländern gemeinsame Übungen machen, um die nationale Souveränität zu unterminieren.

Die Ängste gegenüber der Bundesregierung in Washington füllen schon lange die Paranoia vor allem von Rechten in den USA. (…)

Richtig in Fahrt kamen die Gerüchte, als sich Greg Abbott, der Gouverneur von Texas, Ende April einschaltete und ankündigte, dass die ihm unterstehende Texas State Guard (TXSG) die Militärübungen beobachten und sicherstellen werde, dass die "Sicherheit, die Verfassungsrechte, die Eigentumsrechte und die Bürgerrechte der Texaner" gewahrt bleiben. Die State Guard verfügt über 1.900 Soldaten und hat erklärt, den Anweisungen des Gouverneurs Folge zu leisten.

Kritik kam auch aus den Reihen der Republikaner. So schrieb der frühere texanische Abgeordnete Todd Smith, er sei beschämt, dass der Gouverneur dem Unsinn Glaubwürdigkeit verliehen habe, den diejenigen äußern, "die Entscheidungen aufgrund der durch das Internet, durch Radio oder verquere Radiomoderatoren geschürten Hysterie treffen".

Vom 23. Januar bis 16. August 2019 veranstaltete das US-Gesundheitsministerium (Department of Health and Human Services - Disaster Leadership Group) in Zusammenarbeit mit der National Security Council - Domestic Resilience Group die Stabsrahmenübungsserie CRIMSON CONTAGION 2019. Dabei wurde der Ausbruch einer Vogelgrippe-Zoonose in der Volksrepublik China simuliert, die auf die USA übergriff. Das Ergebnis war erschreckend. So wurde im Abschlussbericht "Coordinating Draft CRIMSON CONTAGION 2019 FUNCTIONAL EXERCISE KEY FINDINGS" (FOR OFFICIAL USE ONLY) (63 Seiten) vom Oktober 2019 festgestellt:

In the exercise scenario, forecasts give a 90 % chance that the pandemic will be of very high severity, with 110million forecasted illnesses, 7.7 million forecasted hospitalizations, and 586,000 deaths in the U.S. alone.

Als ein Ergebnis der Übungsserie wurde ein Defizit in der medizinischen Materialbevorratung erneut erkannt:

The current medical countermeasure supply chain and production capacity cannot meet the demands imposed by nations during a global influenza pandemic. The U. S. the ability to produce or source some of the inputs necessary to produce vaccine in sufficient quantities to respond to the domestic requirements of a severe influenza pandemic. Further compounding this challenge, global manufacturing capacity will also be unable to meet domestic demand for medical countermeasures, including personal protective equipment and ancillary supplies (i.e., syringes ), and it is anticipated that countries will keep their own stockpiled supplies for their own citizens. The U. S. also lacks domestic manufacturing capacity for the production of sufficient quantities of personal protective equipment, needles, and syringes. Domestic supplies of on-hand stock of antiviral medications, needles, syringes, N95 respirators, ventilators, and other ancillary medical supplies are limited and difficult to restock, because they are often manufactured overseas.

Während der Übung gab es Auseinandersetzungen über den Umfang und die Dauer notweniger Schulschließungen:

During the exercise, CDC recommended that states delay school openings for six weeks, a follow-up to the initial (pre-exercise) recommendation that states delay the opening of schools for two weeks if the disease is present in the area. Many local jurisdictions and school districts have the authority to decide to close schools (or keep schools open). This distributed approach to school closure decisions caused confusion centered on discrepancies between schools that remained open and those that closed.

Einsätze

Entgegen der heute weit verbreiteten Ansicht waren die Nordamerikaner immer ein rebellisches Volk. Allein zwischen 1885 und 1895 setzte die Regierung 328 Mal ihre Streitkräfte zur Niederschlagung und Unruhen ein, oft ging es dabei um Arbeitskämpfe. Auch die Jahre von 1902 bis 1921 waren sehr konfliktreich. Insgesamt 51 Mal setze die Regierung Truppen zur "Pazifizierung" ein. Allein in den zwei Jahren von Juni 1915 bis Juni 1917 erhielt das damalige War Department nicht weniger als 400 Anfragen von Bundesstaaten oder Einzelpersonen.

Zur Zeit wird das Militär im Rahmen einer Zivil-Militärischen Kooperation zur Bewältigung der Corona-Pandemie erneut eingesetzt: "Zivildienst" für Soldaten. Das Gros der Truppen stellt die U.S. Army National Guard (ANG), die sich vor allem aus alten Reservisten der Streitkräfte rekrutiert. Im Falle eines Notfalls oder Notstandes werden die Mitglieder der ANG zum Dienst (active state duty) einberufen. Gemäß dem föderalen Aufbau der USA gliedert sich die ANG in 54 Teilorganisationen - jeweils eine für die 50 Bundesstaaten plus Washington D. C., Puerto Rico, Guam und Virgin Islands.

Für das, was der US-Gesellschaft durch die Corona-Pandemie droht, bieten die Unruhen in den letzten Jahrzehnten (Little Rock, Watts, Newark, Detroit, Washington, New York, Los Angeles, etc.) einen ersten Anhalt:

  • Watts: Im August 1966 kam es im Stadtteil Watts von Los Angeles zu sechstägigen Rassenunruhen. Dabei wurden 35 Personen getötet, 900 verletzt, über 3.800 gefangengenommen und ganze Straßenzüge niedergebrannt. Zur Niederschlagung des Aufstandes setzte die Landesregierung die Nationalgarde ein.

  • Washington: Am Samstag, den 21. Oktober 1967 kam es in der Bundeshauptstadt Washington zu einer Großdemonstration der Anti-Vietnam-Bewegung. Schätzungsweise 35.000 Personen versuchten das Pentagon zu stürmen. Sie bewarfen die Wachsoldaten mit Steinen, Flaschen und Gemüse. Circa 20 bis 30 Demonstranten konnten in das Ministerium eindringen.

    Das Militär aktivierte den OPLAN 563-1 DRAGON WING / CABINET MAKER für das Stadtgebiet der Bundeshauptstadt. Rund um das Pentagon und das Weiße Haus wurden das 30th, 503rd, 518th und 519th Military Police Battalion, sowie die 1st Squadron der 6th Armored Cavalry und das 91st Engineer Battalion (Reinforced) zum Objektschutz eingesetzt. Die Ausschreitungen dauerten bis zum nächsten Tag. Mindestens 7 Personen wurden verletzt, 682 Personen wurden festgenommen. Verteidigungsminister Robert Strange McNamara verfolgte die Ausschreitungen vom Army Operations Center aus.

    Im Rahmen des Counter-Intelligence Programs (COIN) wurden von 1956 bis 1971 über 100.000 "subversive Elemente" vom FBI in seiner ADEX-Datei gespeichert. Erfasst wurden u. a. die Mitglieder der Kommunistischen Partei, der Studentenorganisation Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) und der schwarzen Black Panther Party (BPP). Parallel dazu erfasste das Office of Security der CIA im Rahmen der Operation CHAOS 300.000 Kriegsgegner, Oppositionelle und Afroamerikaner, während das U.S. Army Intelligence Command (USAINTC, jetzt: U.S. Army Intelligence and Space Command - USARINSCOM) seine eigene Überwachungs-Operation durchführte. Diese hieß zunächst ROSE HILL, danach PUNCH BLOCK und schließlich LANTIRN SPIKE. Weitere Überwachungsoperationen trugen die Codenamen HTLINGUAL, RESISTANCE, MERRIMAC, SHAMROCK und MINARET.

  • New York: Am 23. März 1970 begann in New York City ein Streik der Postbediensteten, der sich schließlich auf dreizehn Bundesstaaten ausweitete und an dem sich zeitweise 200.000 Postboten beteiligten. Der Streik dauerte bis zum 4. April. Um den Brief- und Paketverkehr sicher zu stellen, mobilisierte das Pentagon 28.100 Soldaten, die im Rahmen der Operation GRAPHIC HAND die Postwaren zustellten. Geleitet wurde die Operation von Fort Hamilton bei New York. Später verbot das Civil Service Reform Act (CSRA) vom 13. Oktober 1978 allen Bundesbediensteten die Teilnahme an Streiks: "(I)t shall be an unfair labor practice (…) to call, or participate in, a strike, work stoppage or slowdown, or picketing of an agency in a labor-management dispute if such picketing interferes with an agency's operations, or (…) to condone any activity described in this paragraph by failing to take action to prevent or stop such activity."

  • Los Angeles: Zuletzt wurde GARDEN PLOT bei den Unruhen im Raum Los Angeles ausgelöst. Hier kam es am 29. April 1992 erneut zu Unruhen, nachdem ein Gericht einen Polizeibeamten vom Vorwurf der Misshandlung des Afroamerikaners Rodney King freigesprochen hatte. Die Ausschreitungen forderten mindestens 54 Tote und 2.000 bis 4.000 Verletzte. Mindestens 12.000 Personen wurden festgenommen. Rund 10.000 Läden und Geschäfte wurden niedergebrannt. Löschversuche der Feuerwehr wurden durch den "Mob" sabotiert.

    Zur Unterstützung des Los Angeles Police Department (LAPD) alarmierte die Regierung rund 10.000 Mann der California Army National Guard (CAARNG) und mehrere tausend Soldaten der regulären Streitkräfte: 1.500 Marines aus Camp Pendleton, 2.000 Soldaten der 2nd Brigade der 7th Infantry Division (Light) (HQ damals Fort Ord, jetzt McChord AFB) und 2.000 Mann von der 40th Infantry Division (HQ Los Alamitos). Eingesetzt wurden u. a. die 670th Military Policy Company (HQ National City) und das 3rd Battalion des 160th Infantry (Mechanized) Regiment (HQ Inglewood) der Nationalgarde. Hinzu kamen SWAT-Teams des FBI, Kräfte des U.S. Marshall Service und der Border Patrol. Unter anderem war der Einsatz von gepanzerten Fahrzeugen mit einer 25-mm-Bordkanone vorgesehen.