USA drohen mit Handelskrieg gegen EU-Nachhaltigkeitsregeln

Bernd Müller
Europäische und amerikanische Flaggen beim Europäischen Rat in Brüssel

(Bild: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com)

EU-Vorschriften zur Nachhaltigkeit sorgen in den USA für Unmut. Handelsminister Lutnick erwägt Gegenmaßnahmen zum Schutz amerikanischer Unternehmen.

Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren ehrgeizige Normen zur Nachhaltigkeit auf den Weg gebracht. Diese sogenannten ESG-Regeln (Environmental, Social, Governance) sollen Unternehmen zu mehr Verantwortung in den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung verpflichten.

Doch in den USA regt sich Widerstand gegen die extraterritoriale Wirkung dieser Regeln. Und das könnte zu einem weiteren Konflikt mit der EU führen. Denn der designierte US-Handelsminister Howard Lutnick erklärte, wenn nötig, auch Vergeltungsmaßnahmen gegen die ESG-Vorschriften zu ergreifen.

Sorgfaltspflicht für Nachhaltigkeit: EU-Richtlinie im Visier der USA

Im Mittelpunkt der Kritik steht vor allem die europäische Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit, kurz CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive). Sie verpflichtet große Unternehmen, die ESG-Standards in ihren Lieferketten einzuhalten.

Entscheidend ist dabei nicht, woher das Unternehmen stammt. Ausländische Unternehmen sind genauso betroffen wie europäische. Das einzige Kriterium, das zählt, ist, dass ein Unternehmen in der Europäischen Union Geschäfte machen will.

Lutnick sieht darin eine "erhebliche Belastung für amerikanische Unternehmen". In einem Dokument des Senatsausschusses für Handel äußerte er seine Besorgnis über das Ausmaß, in dem die in Brüssel formulierten ESG-Vorschriften US-Firmen betreffen.

Compliance-Risiken und Wettbewerbsnachteile befürchtet

Tausende amerikanische Unternehmen, die in Europa Geschäfte machen, müssten demnach mit kostspieligen Anpassungen ihrer internen Prozesse und Berichtspflichten rechnen. Verstöße gegen die ESG-Grundsätze in ihren Lieferketten könnten zu Bußgeldern von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes führen.

Kritiker sehen in den EU-Regeln eine Form der Überregulierung, die US-Unternehmen Wettbewerbsnachteile beschert. Sie müssten sich an strengere europäische Standards halten, auch wenn ein Großteil ihrer Geschäfte außerhalb Europas stattfindet. Dies wird als Eingriff in die Souveränität der USA gewertet.

Handelsminister Lutnick erwägt Gegenmaßnahmen

Als designierter Handelsminister kündigte Lutnick an, "gegebenenfalls alle verfügbaren Handelsinstrumente, die dem Ministerium zur Verfügung stehen" zu prüfen, um auf die CSDDD zu reagieren. Konkret nannte er zwar keine Maßnahmen, doch in Washington werden längst Stimmen laut, dass US-Unternehmen die EU-Vorschriften ignorieren sollten.

So hatte am Montag etwa die Amerikanische Handelskammer bei der Europäischen Union (AmCham) die EU aufgefordert, wichtige ESG-Regeln zu stoppen. Die Organisation forderte laut Bloomberg, dass es Unternehmen zeitweise freistehen sollte, die europäischen ESG-Vorschriften zu ignorieren.

Lutnick zeigte sich offen, "an allen erforderlichen Bemühungen mitzuarbeiten", um "übermäßig belastende Vorschriften zu verhindern, die sich negativ auf US-Unternehmen auswirken". Die CSDDD sei aber ein "ernsthaftes Problem für die amerikanische Industrie und die amerikanische Wirtschaft", betonte er.

Die Kritik aus Washington ist für Brüssel nicht neu. Schon unter dem früheren US-Präsidenten Joe Biden gab es ablehnende Worte. So kritisierte etwa die frühere Finanzministerin Janet Yellen die "extraterritorialen Auswirkungen" und "unbeabsichtigten negativen Folgen" der CSDDD für US-Firmen, auch wenn sie grundsätzlich deren Ziele unterstütze. Unter Donald Trump scheint jetzt aber die Tonlage deutlich schärfer zu werden.

EU zeigt sich gesprächsbereit

Druck kommt nicht nur von außen, auch Deutschland und Frankreich setzen darauf, dass die ESG-Vorschriften entschärft werden. Beide Länder warnen vor Wettbewerbsnachteilen und sehen das Wirtschaftswachstum in Gefahr.

Angesichts des erheblichen Drucks zeigten sich EU-Beamte zu Gesprächen bereit, so etwa Maria Luís Albuquerque, die EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen. In einem Interview erklärte sie laut Bloomberg, dass es noch Spielraum bei den ESG-Regeln gebe, aber man dürfe keine völlige Deregulierung erwarten. Es gehe darum, "das Tempo anzupassen", während "der Anker beibehalten" werde.