USA legen im Handelskrieg gegen China krÀftig nach

Die USA machen die nÀchsten Fronten gegen China auf. Nach TikTok sind nun der chinesische Onlinehandel und die Metallverarbeitung dran. Es ist kein Ende der Entkoppelung in Sicht.
Im MÀrz verabschiedete das US-ReprÀsentantenhaus eine Bestimmung, die ByteDance dazu verpflichtet, TikTok innerhalb eines Jahres an ein in den USA ansÀssiges Unternehmen zu verkaufen. Andernfalls soll die Social-Media-App vollstÀndig aus den amerikanischen App-Stores verbannt werden.
Am 24. April unterzeichnete [1] US-PrÀsident Joe Biden das Gesetz.
Jetzt machen die USA die nÀchsten Fronten in ihrem Handelskrieg ("Decoupling", "Entkoppelung") gegen China auf. Die US-Gesetzgeber haben chinesische E-Commerce-Konzerne ins Visier genommen [2], die gerade damit beginnen, den von Amazon dominierten Online-Handel zu knacken.
Shoppen wie ein MilliardÀr
Die chinesischen E-Commerce-Plattformen Shein, Temu und TikTok Shop haben in den USA zusammengenommen einen Marktanteil von drei Prozent erreicht und könnten Ende des Jahres auf etwa fĂŒnf Prozent kommen. Bei dem Versuch, die Firmen aus den US-MĂ€rkten zu verdrĂ€ngen, werden gleich mehrere juristische Hebel angesetzt.
TikTok Shop sieht sich nach der Verabschiedung eines Gesetzes zum Schutz von Amerikanern vor auslĂ€ndischen, von Gegnern kontrollierten Anwendungen (Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act [3]) einer genaueren PrĂŒfung ausgesetzt.
Parallel dazu werden Shein und Temu beschuldigt, nicht sicherzustellen, dass ihre Lieferketten mit dem Uighur Forced Labor Prevention Act [4] ĂŒbereinstimmen. Dieses Gesetz wurde im Juni 2023 verabschiedet und soll sicherstellen, dass chinesische Importe in den USA frei von Zwangsarbeit sind.
Gleichzeitige Angriffe an verschiedenen juristischen Fronten
Ăberdies werden die chinesischen E-Commerce-Firmen auch dafĂŒr kritisiert, dass sie die sogenannte De-minimis-Regel der Vereinigten Staaten ausnutzen, indem sie ihre Produkte direkt von chinesischen HĂ€fen in die USA verschicken. Denn Sendungen mit einem Wert von unter 800 US-Dollar sind von der US-Zollkontrolle und Steuern ausgenommen.
Der Sonderausschuss des US-ReprĂ€sentantenhauses fĂŒr die Kommunistische Partei Chinas stellte schon Mitte letzten Jahres fest [5], dass Temu und Shein fĂŒr fast die HĂ€lfte aller De-minimis-Lieferungen aus China in die USA verantwortlich sei. Aus diesem Bericht stammt auch die Behauptung, Temu verletze den Uighur Forced Labor Prevention Act.
Und kĂŒrzlich stellte die US-China Economic and Security Review Commission fest [6], dass einige der Produkte von Shein gesundheits- und umweltschĂ€dlich seien. Zudem sind Shein und mehrere andere chinesische Fast-Fashion-Firmen mit zahlreichen Anschuldigungen wegen Urheberrechtsverletzungen und Klagen wegen VerstöĂen gegen die Rechte des geistigen Eigentums konfrontiert.
Chinesische Marktanteile in den umkĂ€mpften Sektoren âŠ
SchlieĂlich haben US-Abgeordnete die Regierung Biden aufgefordert, gegen Shein und Temu wegen der Verletzung des Datenschutzes zu ermitteln.
Die OnlinehĂ€ndler regieren mit unterschiedlichen Strategien auf den Druck. Temu konzentriert sich jetzt mehr auf die MĂ€rkte in Europa, Mexiko und SĂŒdostasien. Zudem versuchen Shein und Temu, eine lokale Lagerhaltung aufzubauen und lokale VerkĂ€ufer einzubinden. Doch letzteres gefĂ€hrdet die derzeit konkurrenzlos gĂŒnstigen Preise der beiden Anbieter.
Laut Statista hatte Amazon im vergangenen Jahr in den USA einen E-Commerce-Marktanteil [7] von 37,6 Prozent, gefolgt von Walmart (6,4 Prozent), Apple (3,6 Prozent) und eBay (3 Prozent).
⊠letztlich gering
In einer parallelen Entwicklung hĂ€ufen sich in den USA neuerdings die VorwĂŒrfe, dass China US-Schiffbau- und Stahlunternehmen schade [8]. Das Reich der Mitte ist mittlerweile der weltgröĂte Exporteur von Stahl und Aluminium und die Nummer eins im Schiffbau.
Im Jahr 2022 war die China Inc. der weltweit gröĂte Exporteur von Aluminium und Aluminiumprodukten mit Ausfuhren im Wert von ĂŒber 42 Milliarden US-Dollar, gefolgt von Deutschland (21,1 Milliarden US-Dollar) und den USA (14,51 Milliarden US-Dollar).
Auch hier ist es ganzes MaĂnahmenbĂŒndel, mit dem sich die US-Regierung die unliebsame Konkurrenz vom Hals halten möchte. So wurde eine erneute Untersuchung des chinesischen Seeverkehrs-, Logistik- und Schiffbausektors gemÀà Abschnitt 301 des US-Handelsgesetzes eingeleitet. Erwogen wird zudem, den derzeitigen Zollsatz auf chinesische Stahl- und Aluminiumeinfuhren auf 7,5 Prozent zu erhöhen.
Auch die Gewerkschaften murren
Chinas Investitionen und in der Stahl- und Aluminiumindustrie seien nicht marktkonform und bedeuteten zudem, dass US-Produkte mit niedrigpreisigen Alternativen konkurrieren mĂŒssen, die höhere CO2-Emissionen verursachen, klagte die Biden-Administration in einer am 1. Mai veröffentlichten ErklĂ€rung [9].
Am 12. MĂ€rz beklagten fĂŒnf nationale Gewerkschaften in den USA in einer Petition [10], dass der kommerzielle Schiffbausektor in den USA seit 1975 Zehntausende von ArbeitsplĂ€tzen und mehr als 70 Prozent seiner Werften verloren hat.
Sie warfen China vor, seit seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001 den Gegenwert von Hunderten von Milliarden Dollar investiert und zahlreiche unterstĂŒtzende MaĂnahmen zur Förderung seiner Schiffbauindustrie ergriffen zu haben.
Biden hat die negativen Auswirkungen von Chinas Industrieproduktion auf die amerikanischen ArbeitsmÀrkte in den letzten Monaten öfter betont. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pittsburgh, Pennsylvania, versprach Biden, dass seine Regierung die Zölle auf chinesischen Stahl und Aluminium erhöhen werde.
Es ist halt Wahlkampf
Die Stahlexporte Chinas sind 2023 gegenĂŒber dem Vorjahr um 36 Prozent auf 90,3 Millionen Tonnen gestiegen [11]. 2022 waren die wichtigsten ZiellĂ€nder [12] fĂŒr chinesischen Stahl allerdings SĂŒdkorea, Vietnam, Thailand, Indonesien und die TĂŒrkei.
Die Direktexporte chinesischer Stahlprodukte in die USA beliefen sich 2023 dagegen auf lediglich 600.000 Tonnen, was nur etwa 2,3 Prozent der US-Stahlimporte von 25,6 Millionen Tonnen entspricht.
Bei Aluminium ist die Situation Àhnlich: Im vergangenen Jahr beliefen sich die US-Einfuhren von chinesischem Aluminium auf 200.000 Tonnen, was lediglich 3,7 Prozent der gesamten Aluminiumeinfuhren von 5,46 Millionen Tonnen entsprach.
Dagegen ist das antichinesische Ressentiment in den USA in den letzten Jahren weiter gewachsen [13]. Einer Umfrage des PEW Institutes zufolge sehen heute 81 Prozent der Erwachsenen in den USA China in einem ungĂŒnstigen Licht. 42 Prozent der Befragten sehen China gar als Feind. Eine solch eindeutige Stimmungslage ist ein gefundenes Fressen fĂŒr jeden WahlkĂ€mpfer.
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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.telepolis.de/features/TikTok-Verbot-Biden-unterzeichnet-Gesetz-und-loest-Debatte-um-Meinungsfreiheit-aus-9698493.html
[2] https://asiatimes.com/2024/05/shein-temu-bans-next-front-in-us-decoupling-drive/
[3] https://energycommerce.house.gov/HR7521
[4] https://www.govinfo.gov/content/pkg/PLAW-117publ78/pdf/PLAW-117publ78.pdf
[5] https://selectcommitteeontheccp.house.gov/media/press-releases/select-committee-releases-interim-findings-shein-temu-forced-labor
[6] https://www.uscc.gov/sites/default/files/2023-04/Issue_Brief-Shein_Temu_and_Chinese_E-Commerce.pdf
[7] https://www.statista.com/statistics/274255/market-share-of-the-leading-retailers-in-us-e-commerce/
[8] https://asiatimes.com/2024/04/us-complains-china-hurts-shipbuilding-steel-firms/
[9] https://www.cnbc.com/2019/07/11/joe-biden-slams-trump-china-trade-war-in-foreign-policy-speech.html
[10] https://ustr.gov/sites/default/files/Section%20301%20Petition%20-%20Maritime%20Logisitics%20and%20Shipbuilding%20Sector.pdf
[11] https://gmk.center/en/news/china-exported-90-3-million-tons-of-steel-products-in-2023/
[12] https://oec.world/en/profile/bilateral-product/iron-steel/reporter/chn
[13] https://www.pewresearch.org/global/2024/05/01/americans-remain-critical-of-china/
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