USA und Iran: Wie wäre es mit einem Kurswechsel?

Nach dem erneuten Schlagabtausch in Syrien und den Vermittlungen Chinas zwischen Saudi-Arabien und Iran könnten sich die USA einen neuen Möglichkeitsraum für pragmatische Politik im Nahen Osten eröffnen – wenn sie von alter Rache-Politik absehen.

US-Präsident Joe Biden hat den US-Kongress über mehrere Luftangriffe der US-Streitkräfte in Ost-Syrien informiert. Die Angriffe erfolgten als Reaktion auf eine Attacke mit einer Drohne, mutmaßlich iranischer Herkunft, gegen US-Truppen, bei der ein US-Amerikaner getötet wurde.

Angriffe auf Einrichtungen des US-Militärs und Vergeltungsschläge

Seitdem ist es laut US-Medien zu weiteren Angriffen auf Einrichtungen des US-Militärs gekommen. Biden erklärte in einem öffentlichen Brief vergangenen Samstag, die Angriffe zielten darauf ab, "Abschreckung zu schaffen und zivile Opfer zu vermeiden". Das US-Militär griff Ziele von Verbündeten der iranischen Revolutionsgarden an.

Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei diesen Luftangriffen neunzehn Menschen getötet. Der Iran bestreitet eine Verwicklung in den Drohnenangriff und verurteilt die Angriffe der USA auf militärische Einrichtungen im Nordosten Syriens.

Grund für die Truppenpräsenz in der Gegend ist Kampf der kurdischen Miliz YPG gegen den IS. Zur Unterstützung ihrer kurdischen Verbündeten schickten die USA 2015 Soldaten nach Syrien, von denen heute noch 900 vor Ort stationiert sind.

Der Drohnenangriff ereignete sich kurz nach einem Besuch des US-Generalstabschefs Mark Milley. Der Chairman of the Joint Chiefs of Staff (CJCS) war in den Nordosten Syriens gereist, um den Einsatz gegen den "Islamischen Staat" (IS) zu bewerten und das Risiko für das US-Militär einzuschätzen.

Schwelender Dauerkonflikt

Den schwelenden Konflikt zwischen den USA und Iran, das dort als Regionalmacht aktiv ist, kann man als Teil in einer längeren Reihe von Stellvertreterkriegen im syrischen Krieg sehen, in dem die USA dem IS und Al-Qaida nahestehende aufständische Gruppen im Kampf gegen das repressive System der Assad-Regierung unterstützte.

Der Iran hingegen ist neben Russland der wichtigste Verbündete des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Von Teheran unterstützte Milizen haben sich in Syrien über Jahre hinweg eine Präsenz aufgebaut, die mit einem wachsenden Einfluss in der Region einhergeht. Die stetig wachsende militärische Macht des Irans beunruhigen Washington.

General Erik Kurilla, Kommandeur der US-Truppen in der Region, sagte am vergangenen Donnerstag vor einem Kongress-Ausschuss aus, dass US-Truppen in Syrien und dem Irak seit Anfang 2021 etwa 78 Mal von mit dem Iran verbündeten Kräften angegriffen worden seien.

Biden: Direkter Konfrontation aus dem Weg gehen

Kurilla erklärte weiterhin, der Iran sei heute militärisch weitaus fähiger als vor fünf Jahren und verfüge über das größte und vielfältigste Raketenarsenal in der Region. Wenn man in Betracht zieht, dass sich der Iran schon kurz nach der Revolution gegenüber Feinden wie Saddam Hussein überraschend wehrhaft zeigte, ist verständlich, dass die USA, laut Biden, einer direkten Konfrontation aus dem Weg geht.

Diese Einstellung teilt auch das US-Militär, was allerdings niemanden in Langley von gelegentlichem Säbelrasseln abhält.

Auch auf dem regionalen diplomatischen Paket konnte der Iran in letzter Zeit eindeutige Erfolge erzielen. So führten Versöhnungsgespräche zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, unter dem strengen Auge Chinas, zu einer Entspannung in der Beziehung der beiden Staaten.

Einige Experten haben die Beteiligung Chinas an den Gesprächen als Herausforderung für den schwindenden Einfluss der USA im Nahen Osten gewertet. Einige Vertreter Saudi-Arabiens hatten zuvor verlauten lassen, sich im Hinblick auf Sicherheit nicht mehr ausschließlich auf die USA verlassen zu können.

Saudi-Arabien: Die USA unter Druck setzen

Man wolle nun China um Unterstützung bitten, das die nötigen Sicherheiten ihrer Meinung nach, ohne jegliche Bedingungen gewähren könne. Hierbei handelt es sich weniger um einen definitiven Kurswechsel, sondern eher um den Versuch, die USA unter Druck zu setzen, den Verkauf von immer neuen Waffensystemen zu ermöglichen, ohne den Golfstaat allzu oft mit Vorwürfen der Missachtung von Krieg und Menschenrechten zu konzentrieren.

Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass es sich bei den Annäherungen mit dem Iran um die Fortsetzung des jüngsten pragmatischen außenpolitischen Ansatzes des Königshauses handelt, der Saudi-Arabien auch schon Israel ein Stück nähergebracht hat.

Wahrscheinlich bereitet man sich schon auf eine Zeit vor, in der nicht allein die Gunst der USA über den Ausgang von Konflikten entscheiden wird. Die USA selbst können bei dieser neuen rationalen Außenpolitik aufgrund der eigenen Verstrickung in die örtlichen Machtkämpfe wohl kaum als unparteiischer Vermittler dienen.

Iran steht auf der falschen Seite

Das gilt besonders, wenn es um Verhandlungen mit dem Erzfeind der USA geht, wie die vergangenen Tage abermals bewiesen haben. Die Spannungen zwischen dem Iran und dem Westen hatten sich schon zuvor weiter verschärft, nachdem die Regierungen der USA und Europas die gewaltsame Niederschlagung der landesweiten Proteste im Iran im vergangenen Jahr scharf verurteilt hatten.

Auch im Ukrainekrieg steht der Iran, aus westlicher Sicht, auf der falschen Seite. Besondere Aufregung verursachte die Entscheidung des Irans, bewaffnete Drohnen für den Einsatz im Ukrainekrieg an Moskau zu verkaufen. Die iranischen Machthaber wiesen, die Vorwürfe in beiden Fällen entschieden zurück.

Neue Aufmerksamkeit gab es auch für das "alte Schreckgespenst" von einem Iran mit Atomwaffen. Die Internationale Atomenergie-Organisation fand im Januar in einer iranischen Nuklearanlage Uran, das auf einen Anreicherungsgrad von 84 Prozent schließen ließ. Es ist jedoch unklar, ob die Anreicherung vorsätzlich oder versehentlich erfolgte.

Solche Funde verursachen Beunruhigung beim Nachbar Israel. Unter Obama hatte die US-Regierung das letzte Mal einen echten Versuch unternommen, der nuklearen Bedrohung durch diplomatische Mittel Herr zu werden, mit einigem Erfolg. Doch während Trumps Regierungszeit wurde diese neue Annäherung in Form des "Iran Nuclear Deal" zunichtegemacht.

Seither hat die Biden Regierung überraschend wenig Anstrengung unternommen, um den "Nuklear Deal" an dem Biden zu seinem Stolz in seiner Eigenschaft als Vize-Präsident mitgewirkt hatte, neues Leben einzuhauchen.

Es wirkt so, als hätte der Ukrainekrieg dem außenpolitischen Establishment in Washington endgültig jeglichen Raum für eine weniger parteiische Politik genommen. Doch diese Weltsicht kostet die USA Einfluss in Gegenden, die immer mehr zu Chinas Wirkungsbereich werden.

Was bleibt ist die Möglichkeit, mit militärischer Gewalt zu reagieren, wenn die eigenen Truppen oder Interessen gefährdet sind. Diese Einstellung gilt besonders gegenüber dem Iran und resultiert in einer unversöhnlichen Politik, die nur von Obamas diplomatischen Bemühungen unterbrochen wurde.

Die Demütigung

Zweifellos fällt es den Mächtigen der US-Außenpolitik schwer, die von Ajatollah Khomeini während der "Geiselkrise" von 1979 bis 81 erlittene Demütigung zu verzeihen, geschweige denn zu vergessen.

Dieser Groll fordert, bei jedem den Iranern zugerechneten Aggression ein Blutzoll, dass unweigerlich die Stellung des US-Präsidenten gegenüber dem Außenministerium und den Militärs gefestigt wird. Diese politische Einseitigkeit trägt aber nicht unbedingt zum Ansehen der USA im Nahen Osten bei.

Besonders da der Iran bei seinen Nachbarn längst nicht mehr so unbeliebt ist, wie er einst war, wie die erneuten Annäherungen mit US-Verbündeten wie Saudi-Arabien zeigen. Politisch würde es Türen für pragmatische Lösungen öffnen, wenn die Biden-Regierung zur Einsicht käme, dass der bisherige Kurs der Unversöhnlichkeit den eigenen Interessen in der Region abträglich ist.

Washington sollte weiter klare Grenzen gegenüber Iran und dessen Politik ziehen – mit einer Abkehr von einer Iran-Politik, die weiter von später Rache motiviert ist. Das würde einen neuen Möglichkeitsraum eröffnen. Nur dann kann die USA ihrem eigenen Anspruch gerecht werden, den russischen und chinesischen Einfluss in der kriegsgebeutelten Region im Zaum zu halten.