USA und Russland: Neue Freunde, alte Feinde?

Das Hotel Bayerischer Hof, Tagungsort der MĂŒnchner Sicherheitskonferenz
(Bild: MacroEcon/Shutterstock.com)
Nach jahrelanger Eiszeit nĂ€hern sich die USA und Russland wieder an. Intensive GesprĂ€che auf höchster Ebene finden statt. Doch die EU könnte der groĂe Verlierer sein.
Vom 14. bis 16. Februar fand die 61. MĂŒnchner Sicherheitskonferenz (MSC) in der bayerischen Landeshauptstadt statt; wie seit Jahren ohne die Beteiligung Russlands.
Mit Spannung und breiter öffentlicher Aufmerksamkeit wurde am Freitagnachmittag das Statement des US-VizeprÀsidenten J.D. Vance zum Thema "The U.S. in the World" erwartet.
MĂŒnchner Konferenz und Verhandlungen
Nach dem aufsehenerregenden Telefonat zwischen dem US-PrĂ€sidenten Trump und dem russischen Staatsoberhaupt Putin am 12. Februar ĂŒber die Beilegung des Kriegs in der Ukraine (Telepolis berichtete [1]) hatte Vance dem Wall Street Journal ein Interview [2] zum Thema gegeben.
Darin gab er an, dass Washington bereit sei, Truppen in die Ukraine zu entsenden sowie zusĂ€tzliche Sanktionen gegen Moskau zu verhĂ€ngen, sollte sich die russische Seite nicht zu einem Friedensabkommen bewegen lassen. Washington könne dann "wirtschaftliche und natĂŒrlich auch militĂ€rische Druckmittel" gegen Russland einsetzen.
Damit vertrat er eine hĂ€rtere Position gegenĂŒber Russland als US-Verteidigungsminister Pete Hegseth. Dieser deutete am 12. Februar bei einem Treffen der Kontaktgruppe zur Ukraine in BrĂŒssel gegenĂŒber den europĂ€ischen VerbĂŒndeten ZugestĂ€ndnisse an, die im Zuge einer friedlichen Beilegung des russisch-ukrainischen Krieges gemacht werden könnten.
Die von Kiew angestrebte Nato-Mitgliedschaft bezeichnete er als unrealistisch und nannte es unwahrscheinlich, das die Ukraine ihre seit 2014 verlorenen Gebiete zurĂŒckerlangen könne. Auch schloss er die Entsendung von US-Truppen in die Ukraine als Teil jeglicher Sicherheitsgarantien aus.
Ferner sprach sich Vance dafĂŒr aus, die Beziehungen zwischen den westlichen LĂ€ndern und Russland nach Beendigung des Krieges in der Ukraine wiederherzustellen. Seines Erachtens befinde sich Russland derzeit in der Position des "kleinen Bruders" in der Beziehung zu China.
Statt auf der MSC wie erwartet auf seine Aussagen einzugehen und Worte der UnterstĂŒtzung fĂŒr Washingtons VerbĂŒndete auszusprechen, brĂŒskierte er die nach den vorangegangenen Ereignissen im Alleingang der USA bereits schmollende EU einmal mehr.
Vance konstatierte, dass die Hauptbedrohung fĂŒr Europa beziehungsweise fĂŒr die LĂ€nder der EU nicht von Russland und China ausgehe, sondern in Europa selbst lauere. Als Beispiele nannte er das Problem der Zensur in europĂ€ischen LĂ€ndern oder die Annullierung der PrĂ€sidentschaftswahl in RumĂ€nien.
Trump-Vance-Doktrin und der Westen
Aus der russischen Politik kamen verschiedene Reaktionen auf die Ereignisse. So stellte [3] der russische Senator Alexej Puschkow auf seinem Telegram-Kanal fest, dass die "Trump-Vance-Doktrin" grundsÀtzlich im Widerspruch zu den Werten des liberalen Europas stehe. Zwischen den Vereinigten Staaten unter Trump auf der einen Seite und den europÀischen Liberalen auf der anderen Seite bestehe "eine ideologische Kluft von betrÀchtlicher Tiefe".
SchlieĂlich stimmte der Senator den Worten von Vance zu, wonach China und Russland nicht die Demokratie in Europa bedrohten. Ihm zufolge verdecke das Gerede ĂŒber dieses Thema die Errichtung einer "liberalen Diktatur in Europa mit der EinschrĂ€nkung der Meinungsfreiheit (...)".
Dmitrij Medwedjew, stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates und fĂŒr gewaltige, ĂŒberzogene Formulierungen bekannt, erklĂ€rte [4] am 15. Februar in Reaktion auf die Rede von Vance, dass Europa zu einer schwachen und fast nutzlosen Region geworden sei, dessen Zeit unwiderruflich vorbei sei.
"Das heutige Europa innerhalb der EU-Grenzen ist eine böse, gebrechliche alte Frau, die versucht, sich als junge und spektakulÀre Schönheit zu verkleiden", schrieb er im sozialen Netzwerk Vkontakte.
Mögliche Entsendung von Truppen
Hinsichtlich der von Vance ins Spiel gebrachten und oben erwÀhnten Entsendung von US-Truppen in die Ukraine erwartete der Kreml eine Klarstellung [5].
"Was die Interviews in der amerikanischen Presse betrifft, so sind dies neue Elemente der Position. Zuvor haben wir solche Formulierungen nicht gehört, sie wurden nicht geĂ€uĂert. Daher erwarten wir natĂŒrlich, dass wir im Zuge der Kontakte, ĂŒber die wir gesprochen haben, einige zusĂ€tzliche Klarstellungen erhalten werden", sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow am vergangenen Freitag gegenĂŒber Reportern.
Tags darauf bemerkte [6] er dann gegenĂŒber der Nachrichtenagentur TASS, dass man eine ErklĂ€rung von Vance bereits berĂŒcksichtigt habe. Darin erklĂ€rte dieser, dass seine Worte ĂŒber die Entsendung von MilitĂ€r in die Ukraine vom Wall Street Journal verzerrt worden seien.
Aktuelle Entwicklung und Ausblick
Berichten des russischen AuĂenministeriums zufolge [7] habe es am 15. Februar auf Initiative der USA ein GesprĂ€ch zwischen dem US-AuĂenminister Marco Rubio und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow gegeben.
Beide bekrÀftigten wÀhrend des TelefongesprÀchs unter anderem ihre Bereitschaft, an der Wiederherstellung eines beiderseitig respektvollen Dialogs zu arbeiten.
Sie vereinbarten regelmĂ€Ăige Kontakte, auch zur Vorbereitung des Treffens zwischen Putin und Trump sowie die Aufrechterhaltung eines Kommunikationskanals, um die Probleme in den Beziehungen zwischen beiden LĂ€ndern zu lösen.
Zudem einigten sie sich darauf, ein Expertentreffen zu organisieren, um Schritte zur Beseitigung gegenseitiger Hindernisse fĂŒr die Arbeit der russischen und amerikanischen Auslandsvertretungen zu vereinbaren.
FĂŒr Russland und insbesondere Teile der Eliten des Landes sind Angebote besonders wirtschaftlicher Art aus den USA verlockend. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die FĂŒhrung des Landes auf diese eingeht und in welcher Weise sie sich gleichzeitig von den Brics-Staaten sowie einer Reihe anderer LĂ€nder des Globalen SĂŒdens abwenden könnte.
URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-10284337
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.telepolis.de/features/Kellogg-Plan-in-Umsetzung-Trump-und-Putin-am-Telefon-EU-im-Abseits-10283379.html
[2] https://www.wsj.com/world/europe/vance-wields-threat-of-sanctions-military-action-to-push-putin-into-ukraine-deal-da9c18ac
[3] https://ria.ru/20250215/pushki-1999512094.html?ysclid=m77bvrjqj6970480731
[4] https://regnum.ru/news/3947780
[5] https://newdaynews.ru/politics/847380.html
[6] https://tvzvezda.ru/news/20252151823-I8XVH.html
[7] https://ria.ru/20250215/mid-1999619187.html
Copyright © 2025 Heise Medien