Überraschung: Döpfner ist FDP-Fan, verachtet Ossis und nimmt Klimakrise nicht ernst
Der Vorwurf der Intransparenz über seine politische Haltung kann Mathias Döpfner nicht wirklich gemacht werden. Foto: Axel Springer SE / CC BY-SA 4.0
Kritische Bild-Leser wissen mehr: Propaganda gibt es nicht nur im Ausland und in anderen Systemen. Warum die geleakten Aussagen des Springer-Chefs kein Schock sein sollten.
Nein, "massiv verstörend", wie das Branchenportal Meedia.de sie beschreibt, kann eigentlich niemand die von der Zeit geleakten Mail-, SMS und Chatnachrichten des Springer-Chefs Mathias Döpfner finden, der weiß, was Springer-Medien regelmäßig nach außen verbreiten – und dass die interne Wortwahl von Journalisten auch nicht immer druckreif und manchmal etwas deftiger ist.
Verschwörungstheoretische Gedanken schreiben wir etwa besser nicht als Tatsachenbehauptungen auf, solange es keine handfesten Beweise gibt. Nun finde ich es allerdings schade, im Nachhinein nicht beweisen zu können, dass ich mir die interne Kommunikation beim Springer-Verlag ziemlich genau so vorgestellt hatte. Aber in diesem Fall war es ja auch nicht schwer, eine treffsichere Verschwörungstheoretikerin zu sein.
Lesen Sie hierzu auch den Telepolis-Text '"Radikalisiert' und 'schamlos': Skandal um Springer-Chef Döpfner wirft Fragen auf" von unserem Autor Timo Rieg.
Nichts, was da geleakt wurde, ist inhaltlich überraschend – im Gegenteil. Überraschend wäre es, wenn sich ein Döpfner intern kritisch über die marktradikale Haltung der FDP oder gar besorgt über den menschengemachten Klimawandel geäußert hätte. Dann hätte er wohl anschließend betont, dass dies nur seine persönliche Meinung sei und seine Mitarbeitenden natürlich schreiben könnten, was sie wollen – ohne Rücksicht auf seine heimlichen linken Flausen.
Aber natürlich denkt Döpfner so, wie es die öffentlich bekannte Linie der Springer-Medien vermuten lässt. Die FDP wollte er laut Zeit-Enthüllung auf "mindestens 16 Prozent" bei der letzten Bundestagswahl hochschreiben lassen: "Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert." Zwei Tage vor der Wahl soll Döpfner an den damaligen Bild-Chef Julian Reichelt geschrieben haben:
Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert.
Mathias Döpfner, zitiert von der Zeit
Daran ist nicht viel zu deuten. Inwieweit es "aus dem Zusammenhang gerissen" ist, kann Döpfner nicht wirklich erklären. Der Kollege Timo Rieg fand den Kontext unklar, den Kernvorwurf anderer Medien "schwammig" und fragte an dieser Stelle: "Ist es wirklich von Relevanz gedeckt, wenn nun wieder Hunderte Journalisten ein paar - auf für die Öffentlichkeit unbekannte Weise 'geleakte' - Sätze einer von vielen offenbar verachteten Person durchs mediale Dorf zerren?"
Offenbar schon, denn für manche Kollegen etablierter Medien scheint es tatsächlich ein Schock zu sein, dass Propaganda nicht nur im Ausland und von anderen politischen Systemen betrieben wird, sondern auch von deutschen Konzernmedien, die Konzerninteressen vertreten.
Letztere vertritt eben auch die FDP. Deren Gewinner-Image steht im Gegensatz zum Verlierer-Image der Ostdeutschen, von denen Döpfner meint, sie seien "entweder Kommunisten oder Faschisten", was er – ganz im Sinne der Extremismusdoktrin – beides "eklig" findet.
Sozialismus pfui, Klimakrise hui
All diese Äußerungen hat er laut einem Spiegel-Online-Bericht inzwischen verteidigt, bezeichnet sie aber zum Teil als "aus dem Zusammenhang gerissene Text- und Gesprächsschnipsel". Er streite gern im Sinne der Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit – gerade auch mit den Chefredakteurinnen und Chefredakteuren des Verlags, meinte Döpfner.
Das gelte ausdrücklich auch für die mutmaßliche Einflussnahme in Hinblick auf die FDP: "Ich bin den Werten dieser Partei sehr nah. Aber unsere Journalistinnen und Journalisten lassen sich davon Gott sei Dank nicht beeinflussen."
Dass die Bild als auflagenstärkstes Medium des Springer-Verlags nicht unbedingt journalistische Ethik großschreibt, sondern auf populistische Meinungsmache im Sinne des Eigentümerblocks und der Großkonzerne setzt, ist ein offenes Geheimnis. Die Sängerin Judith Holofernes befand schon vor Jahren:
Die Bild-Zeitung ist ein gefährliches politisches Instrument– nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.
Judith Holofernes 2011 in einer Absage an eine Werbeagentur, die sie für eine Bild-Kampagne einspannen wollte.
Feindbild "Sozialismus"
Mit dem Berliner Mietendeckel sei "der Sozialismus" zum zweiten Mal gescheitert, frohlockte die Bild vor zwei Jahren. In diesem Fall hatte das Bundesverfassungsgericht mal ein Urteil gefällt, das der Redaktion in den Kram passte – im Gegensatz zum Klima-Urteil, auf das sich verschiedene Gruppen bei Aktionen des zivilen Ungehorsams berufen. Dieses Urteil zählt in der Berichterstattung von Bild, Welt und BZ kaum – da wird lieber das Feindbild von den "Klima-Chaoten" geschürt, als sich inhaltlich mit dem Anliegen zu befassen und die Methoden gegebenenfalls sachlich zu kritisieren.
Das einfache Volk soll also gefälligst "marktgerecht" hohe Mieten zahlen, aber Angst vor teurem Klimaschutz und nervigen Straßenblockaden haben. Da interessiert auch nicht, dass die als "Klima-Chaoten" geschmähten Protestgruppen gerade keine Teuerungen für Normal- und Geringverdienende fordern, sondern eher soziale Klimaschutzmaßnahmen wie ein dauerhaftes Neun-Euro-Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr und ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung.
Klimakatastrophe? Ja, bitte!
Intern soll Döpfner geäußert haben: "Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen."
Das ist natürlich starker Tobak angesichts der Warnungen des Weltklimarats gerade in Bezug auf arme Länder, die besonders hart getroffen werden und gar nicht die Mittel dazu haben. Aber natürlich ist das die Denkweise eines Menschen, dessen Verlag sich angesichts der Katastrophe für populistische Hetze gegen die Klimabewegung entschieden hat. Was denn sonst?
Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass der Springer-Verlag Politik macht. Die Welt ist auf ein gebildeteres Publikum zugeschnitten, tönt aber regelmäßig wie ein PR-Journal der deutschen Autoindustrie, die nach Kräften versucht, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Autos müssen laut WeltN24-Chef Ulf Poschardt sogar eine Seele haben, die er bei E-Autos nicht erkennen kann. Derartige Schwurbeleien äußert er nicht nur intern, sondern öffentlich.
Natürlich hat dann auch ein Verkehrsminister mit FDP-Parteibuch, der sich nach Kräften gegen ein Verbrenner-Verbot ab 2035 stemmt, seine Sympathie. Das fällt natürlich unter Meinungsfreiheit. Das strukturelle Problem ist nur die politische Macht der Konzernmedien. Aber Konzerne haben eben im Kapitalismus Macht. Und der Axel-Springer-Verlag sieht seine Aufgabe offensichtlich darin, dass dies so bleibt.