Überraschungssieg bei Pakistan-Wahlen: Imran Khans PTI trotzt Prognosen und der Armee
Ungeachtet massiver Einschüchterungen gewinnt seine Partei die meisten Sitze. Nie zuvor erteilten die Wähler den Drahtziehern der gelenkten Demokratie eine solche Abfuhr.
Praktisch sämtliche Beobachter, eingeschlossen der Autor dieses Beitrags, lagen falsch: Bei den Parlamentswahlen in Pakistan am vergangenen Donnerstag wurden die Kandidaten des inhaftierten Ex-Premierministers Imran Khan nicht etwa aus Furcht oder wegen angeblicher Chancenlosigkeit von den Wählern fallengelassen.
Stattdessen werden sie wie bei den letzten Wahlen 2018 stärkste Kraft. So viel ist sicher, nachdem die Wahllokale vor mehr als 48 Stunden geschlossen wurden und das Endergebnis noch immer nicht feststeht. Bisher ausgezählt sind 253 von 266 Sitzen.
Stand 15:15 Uhr deutscher Zeit entfallen laut der pakistanischen Zeitung The Dawn auf die Khan-Partei PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) 92 Sitze, Sharif-PML-N 71, Bhutto-PPP 54, ur-Rehman JUI-F 3 und auf die unabhängigen Kandidaten 33 Sitze.
Die irrigen Prognosen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass seit Juni letzten Jahres – also seit acht Monaten – keine Umfragen mehr durchgeführt werden durften. Nicht davon beeindrucken ließen sich die Wähler.
Ebenso wenig von anderen massiven Benachteiligungen der PTI, deren Kandidaten als "Unabhängige" (in Anführungszeichen gesetzt, weil es auch richtige Unabhängige gibt) antreten mussten, weil ihre Partei einige Wochen vor der Wahl wegen fehlender demokratischer Kandidatenkür ausgeschlossen worden war.
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Benachteiligung der PTI
Wahlbeeinflussung findet in Pakistan in der Regel vor der Wahl statt und das Ausmaß in diesem Jahr machte besonders dem Westen große Sorgen. Parteichef Khan sitzt seit 6. August in Haft.
Den Parteivorsitz hat er abgegeben. In der Woche vor der Wahl wurde er in drei Verfahren zu mehr als 30 Jahren weiterer Haft verurteilt. Schlimmeres erlebten viele seiner Anhänger.
Die Armee greift hart durch
Nachdem am 9. Mai 2023 aufgrund Khans erster Verhaftung schwerste Unruhen ausbrachen und zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Einrichtungen der Armee von PTI Sympathisanten angegriffen wurden, hatte sich der Sicherheitsapparat der Streitkräfte für ein hartes, unrechtstaatliches Durchgreifen entschieden.
Unbekannte in Zivilkleidung holten Khan-Anhänger ohne Angabe von Gründen ab und ließen sie zum Teil für Wochen verschwinden, selbst Gerichte konnten die Freilassung nicht erzwingen. Hunderte sitzen offiziell in Haft, noch ist in der Diskussion, die Prozesse vor Militärgerichten durchzuführen.
Bei Demonstrationen wurden mehrere Anhänger getötet und Hunderte zum Teil schwer verletzt. Der Entzug des Parteisymbols "Cricketschläger" war zwar harmlos, könnte aber viele Stimmen kosten.
Das Einzige, was sich der Apparat nicht traute, war ein radikales Verbot der PTI. In Anbetracht solcher Schikanen ist es eine dicke Überraschung, wenn sich so viele Wähler weiter zu Imran Khan bekannten und vor allem so viele Kandidaten den Mut hatten, sich aufstellen zu lassen.
Die Wahlen: Dutzende Tote in Unruheprovinzen
Im Vorfeld und am Wahltag – zum nationalen Parlament und allen vier Provinzparlamenten – kam es zu vergleichsweise wenig Gewalt, jedoch gab es einige Dutzend Tote in den Unruheprovinzen Balochistan und Khyber-Pakhtunkhwa.
Internet und Mobilnetze waren den ganzen 8. Februar außer Betrieb, was nicht angekündigt und von allen Seiten aufs Heftigste kritisiert wurde. Genauso zog die Wahlkommission den Zorn auf sich.
Unerklärliche Verzögerungen
Sie war nicht nur mitverantwortlich für die endlose Verzögerung der Wahl; nach einer katastrophalen Wahlpanne 2018 versprach sie dieses Mal einen reibungslosen Ablauf und blieb wieder den Beweis schuldig.
Die ersten Ergebnisse wurden erst nach neun Stunden veröffentlicht, nach über 48 Stunden steht das Endergebnis bisher nicht fest … auch in Pakistan wird man Mühe haben, das zu erklären.
Das träge Vorgehen der Wahlkommission war schuld daran, dass sich Nawaz Sharif, der im Vorfeld allgemein als aussichtsreichster Kandidat gehandelt wurde, sich verfrüht zum Sieger erklärte.
Aktuell kommt seine PML-N mit den früheren Koalitionären PPP und JUI-F auf 128 Sitze, Khan zusammen mit den echten Unabhängigen auf 125 (wobei die "Echten" nicht zwangsläufig zum Khan-Lager gehören).
Wie geht es weiter?
Die nächsten Tage sind völlig offen – abgesehen von einem: Politische Stabilität, was sich fast alle Beteiligten von dieser Wahl erhofften, wird es nicht geben. Die Zukunft könnte sogar noch turbulenter werden als das, was man schon gewohnt ist.
Die Homepage des Pakistan Stock Exchange war am Samstagabend nicht zu erreichen.
Als sicher darf auch vermutet werden, dass militärische Teil des "Hybriden Systems" diesen Ausgang nicht vermutet und schon gar nicht erwünscht hat. Offenbar haben die "massiven Unterdrückungsversuche durch das pakistanische Militär und dessen Verbündete", von denen das US-amerikanische Portal The Intercept berichtet, gegen Khan und seine Partei nichts ausrichten können.
Eine historische hohe Wahlbeteiligung und der Wahlausgang für die PTI sprechen eine Sprache, die den Militärs nicht gefallen wird.
Zur gleichen Zeit lassen die Khan-Anhänger mithilfe von KI ihren Leader eine Siegesrede wie im richtigen Leben halten.