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Übersterblichkeit bei Corona unerklärlich? Das sagen unsere Leser

Redaktion Telepolis

Mathematiker hatte Entwicklung der Sterbezahlen hinterfragt. Beitrag sorgte für viele Reaktionen. Welche Anmerkungen es dazu im Telepolis-Forum gab.

Ein Artikel von Telepolis-Autor Günter Eder über die Entwicklung der Sterblichkeit während und nach der Corona-Pandemie [1] hat zahlreiche Reaktionen provoziert. Eder ist promovierter Mathematiker und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit statistischen Fragestellungen. Für Telepolis hat er drei Artikel zu statistischen Themen rund um die Coronapandemie [2] verfasst.

Der jüngste Artikel beschäftigte sich mit der Frage, warum die Übersterblichkeit gegen Ende der Pandemie signifikant anstieg. Eder stellt fest, dass die höchste wöchentliche Übersterblichkeit mit 40,2 Prozent nicht 2020 oder 2021, als die Corona-Pandemie ihren Höhepunkt erreichte, sondern erst Ende 2022 auftrat.

"Und wie der Zufall es will, ruft Christian Drosten ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt das Ende der Pandemie aus", fügte er an.

Der Autor merkt an, dass die Übersterblichkeit im Jahr 2022 dreimal massiv angestiegen ist: zweimal sprunghaft auf Werte von etwa dreitausend Verstorbenen pro Woche. In der 51. Woche des Jahres 2002 seien sogar achttausend Menschen mehr gestorben, als unter normalen Umständen zu erwarten gewesen wäre. Dies sei die höchste Übersterblichkeit der gesamten Pandemie gewesen.

Eder kritisiert, dass es keine wissenschaftliche Untersuchung zu den Spitzen gebe. So könne niemand sagen, "ob der beobachtete Anstieg der Atemwegserkrankungen ausreicht, um die extreme Übersterblichkeit im dritten Peak vollständig zu erklären. Hier besteht dringender Forschungsbedarf".

Seine Thesen und Schlussfolgerungen wurden kontrovers diskutiert. Wir dokumentieren eine Auswahl von Leserbeiträgen aus dem Telepolis-Forum. Die Kommentare sind redaktionell bearbeitet und teilweise gekürzt. Links zum Forum finden sich jeweils am Anfang des Kommentars.

2022 kaum mehr Beschränkungen

User "kivan" hält die Sachlage indes für "ziemlich einfach" [3].

2020 habe es massive Kontaktbeschränkungen gegeben und die Zahl der Infizierten sei relativ gering gewesen. So sei es zu 43.000 Corona-Toten gekommen. Dafür seien rund fünf Millionen Infizierte notwendig gewesen.

2022 waren fast alle geimpft, es gab kaum mehr Beschränkungen. Man kann davon ausgehen, dass sich ein Großteil der Deutschen da angesteckt hat. Nehmen wir mal an, dass sich 50 Millionen angesteckt haben, die meisten unbemerkt. Bei einer Effektivität des Impfstoffs von 90 Prozent kommen wir dann trotzdem auf die circa 43.000 Tote. Halt bei zehn Prozent mehr Infizierten. (Gemeint ist offensichtlich zehnmal mehr. d. Red.) Sieht man ganz deutlich in den Grafiken in der Wikipedia.

"kivan"

Übersterblichkeit muss untersucht werden

Für eine "statistisch recht saubere Aufbereitung", hält User "DcPS" den Artikel von Eder [4]:

Der zweite Buckel und der dritte 2022 liegen in einer recht warmen Zeit, in der trotzdem Virenlast vorhanden war. Viele Erkrankungen unter Schülern im September 2022 waren auffällig, obwohl kaum schwere Erkrankungen gemeldet wurden. Da könnte ein Erfassungsdefizit vorliegen – wegen des proklamierten Endes der Pandemie (die scheint das nicht akzeptiert zu haben, die Böse).

Was die Interpretationen angeht, muss man vorsichtig sein. Sicherheit ist ja nicht gegeben, man verspekuliert sich mit höherer Wahrscheinlichkeit als erwünscht.

Völlig sicher ist, dass die Übersterblichkeit untersucht werden muss. Im Nachhinein schwierig.

"DcPS"

Basisannahmen des Autors falsch

Der Forenteilnehmer geht davon aus, dass bei der pauschalen Berechnung der 'Übersterblichkeit'‘ übers gesamte Jahr 2020 und auch 2021 kaum etwas Sinnvolles herauskommen kann [5], wenn man die Prognose der Sterblichkeit pro 100.000 Einwohner als Basis ansetze und die Alterung der Bevölkerung einbeziehe.

Doch dies fehle bei der Darstellung von Destatis und dem Vergleich der Vorjahre: "Hier wird schlicht von der Annahme ausgegangen, dass die Sterblichkeit sich so entwickeln muss wie im Durchschnitt der Vorjahre, was schlicht falsch ist." Er schreibt weiter:

Maßnahmen, die ganz besonders den Gesundheitssektor betreffen, also Pflegeheime und Krankenhäuser, sind natürlich Kandidaten, wenn es um die Frage geht, warum sich das zeitliche Profil der Sterblichkeit sowie ab 2020 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verschiebt. Kontaktverbote, Maskenzirkus und rund drei Millionen weniger Krankenhausbehandlungen als 2019 beispielsweise.

Die zweite, offiziell immer noch unbeantwortete Frage ist, welchen Sinn die Corona-Tests im Großen und Ganzen überhaupt gemacht haben.

Wissenschaftlich begründete Zweifel an der medizinischen Relevanz gab es spätestens ab Frühjahr 2021. Die Verfahren der Zuordnung der Sterbefälle mit/ohne Corona waren ebenfalls in der Kritik. Hinzu kommen über die Zeit eine ganze Reihe von fundamentalen Änderungen der Teststrategie und -häufigkeit, die eine Vergleichbarkeit der jeweiligen Zeiträume erschweren oder sogar verhindern.

Aus fehlerhaften Daten Erkenntnisse ableiten zu wollen, halte ich für wenig sinnvoll.

"M.O.I Abt. Wiederbeschaffung"

2022 ein Drittel mit Corona-Kontakt

Anders als der Autor hält es User "Emrymer" keineswegs für ungewöhnlich, dass die Zahl der Coronatoten im Sommer 2002 nicht auf Werte nahe null zurückgegangen ist [6], wie dies noch in den Vorjahren der Fall gewesen sei.

Es wird der "neue Normalfall" werden, der allenfalls deswegen in der Wahrnehmungsversenkung verschwindet, weil keine Tests mehr gemacht werden.

Aber: Welcher Anteil an Personen waren 2020 absolut bereits mindestens einmal infiziert? Bis Ende Januar 1,8 Milliarden, wobei man vermutlich Doppelinfektionen abziehen müsste, also eher weniger. Und welcher Anteil war es 2022? Am 3. Januar bereits sieben Milliarden, Ende Dezember 37 Milliarden. (Richtig ist hier Millionen. d. Red.) Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1102667/umfrage/erkrankungs-und-todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-in-deutschland/

Es waren also Ende 2020 gerade mal 1/40 der Bevölkerung mit Corona in "Hautkontakt" getreten, Ende 2022 schon weit über 1⁄3. Natürlich sind dann auch ständig absolut mehr Todesfälle "an oder mit" Corona zu erwarten, weil der "Mit"-Anteil von 1/40 auf 1⁄3 gestiegen ist und weiterhin gegen 1 tendiert.

"Emrymer"

Erhebung von Daten in Pandemie versäumt

User "ich_habs_nicht_bestellt" verweist auf das seiner Meinung nach größte Problem: dass man es im Rahmen der Corona-Pandemie versäumt hat, entsprechende Daten zu erheben [7].

Dann bräuchte man auch keine Spekulationen, sondern könnte einen Zusammenhang zwischen Übersterblichkeit und Impfung entweder bestätigen oder klar dementieren.

Hat man aber nicht gemacht. Ob das jetzt an Unfähigkeit oder Absicht liegt, kann ich nicht beurteilen. Eine gewisse Absicht dahinter ist auf jeden Fall nicht von der Hand zu weisen.

PS: Datenschutz sehe ich nicht als Grund denn für die relevanten Auswertungen hätten auch anonymisierte Daten vollkommen ausgereicht.

User "ich_habs_nicht_bestellt"

Ursachensuche nicht einfach

Einfach sei es leider nicht, die Gründe der Sterbedaten zu klären, glaubt User "Asus" [8]. Er spekuliert über "Nebenwirkungen der Impfung" und "die Kontaktbeschränkungen und deren Folgen".

So wurden während Corona die Arzt- und Spitalbesuche auf ein Minimum reduziert. Dadurch könnten bestimme Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu spät entdeckt worden sein. Durch weniger Kontakte hatten auch andere Viren weniger freie Bahn, dadurch wurde unser Immunsystem weniger trainiert.

Es wurde in dieser Zeit auch weniger sportliche Aktivitäten gemacht, was sich auch nicht unbedingt einer guten Gesundheit zuträglich ist.

Dass die Impfung nicht für alle das Gelbe vom Ei war, kommt dann einfach noch dazu.

Was wie viel zu der Übersterblichkeit beigetragen hat, ist sicher eine Frage, die man ohne Vorbehalte aufklären sollte.

User "Asus"

Rasch wachsender Bevölkerungsteil über 80 Jahre

In störe an solchen Artikeln extrem, "dass hier immer nur absolute Zahlen verglichen werden, ohne in diesem Fall auf die veränderten Grundlagen der Berechnung zurückzukommen, oder diese bewusst zu verschweigen [9]", schreibt User "WiduWillsWissen".

Sobald die Zahlen der Gesamtbevölkerung mit der Bevölkerungszusammensetzung der Altersgruppen in Relation zu den tatsächlichen Todesfällen gesetzt wird, lässt sich wie unten erkennen, dass es bei der Todesfallrate keine expliziten Sprünge gibt und dass sich steigende Todeszahlen mit schnell steigenden Anteilen der Bevölkerung im Alter 80 und älter erklären lassen. (…)

Dadurch ergibt sich eine eher wahrscheinliche Todesrate in dieser Altersgruppe: 641.773: 6.322.000 → 0,1015

"WiduWillsWissen"

URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9182762

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.telepolis.de/features/Corona-Unerklaerliche-Effekte-bei-der-Uebersterblichkeit-9179193.html
[2] https://tinyurl.com/ycynyu5p
[3] https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Corona-Unerklaerliche-Effekte-bei-der-Uebersterblichkeit/Da-ist-gar-nichts-unerklaerlich/posting-42718676/show/
[4] https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Corona-Unerklaerliche-Effekte-bei-der-Uebersterblichkeit/Differentielle-Betrachtung/posting-42718454/show/
[5] https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Corona-Unerklaerliche-Effekte-bei-der-Uebersterblichkeit/Bereits-die-Basisannahmen-sind-falsch/posting-42719960/show/
[6] https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Corona-Unerklaerliche-Effekte-bei-der-Uebersterblichkeit/Wenn-mehr-Leute-krank-sind-sterben-auch-mehr-ist-das-unerklaerlich/posting-42719840/show/
[7] https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Corona-Unerklaerliche-Effekte-bei-der-Uebersterblichkeit/Dabei-waere-es-so-einfach-gewesen/posting-42717595/show/
[8] https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Corona-Unerklaerliche-Effekte-bei-der-Uebersterblichkeit/Die-Frage-stellt-sich-schon-was-die-Ursache-ist/posting-42721534/show/
[9] https://www.telepolis.de/forum/Telepolis/Kommentare/Corona-Unerklaerliche-Effekte-bei-der-Uebersterblichkeit/Glueckwunsch-Sie-haben-den-Demographischen-Wandel-beschrieben/posting-42723489/show/