Üble Rosen
Kann (un)natürliche Selektion Gedichte hervorbringen?
Unter der nicht Gutes verheißenden Überschrift Poetry website goes from bad to verse stellt der New Scientist ein Online-Projekt namens Darwininan Poetry vor.
Die Software für Darwinistische Poesie beruht hauptsächlich auf einem Mechanismus, der "Crossover" genannt wird und bei dem in der biologischen Evolution die passenden Chromosomenpaare von Mutter und Vater Teile austauschen. Die genetischen Einheiten sind jedoch Worte statt Nukleinsäuren
David Rea
David Rea aus Connecticut ist mit seiner Idee, Wortgebilde so lange einer (un)natürlichen Selektion zu unterwerfen, bis als Krone der Schöpfung Gedichte daraus werden, auch schon "geslashdoddet" worden. Publicity (und viel Zeit) braucht er allerdings dringend, wenn es etwas werden soll mit seinem Projekt.
Am Anfang war das Wort, in diesem Fall sogar die Wortgruppe: tausend zufällig generierte Wortgruppen werden einer durch den Internetuser gelenkten Evolution unterworfen, in deren Verlauf sie im "best case scenario" irgendwann Gedichte gebären. Der New Scientist rechnet jedoch offensichtlich eher mit einem "verse case scenario", was ihm nicht ganz zu verdenken ist.
Jedem Besucher von Reas Website werden jeweils zwei "Gedichte" vorgelegt, von denen er eines auswählen kann, welches zunächst "überlebt". Dann kommen die nächsten zwei usw. Durch diesen Auswahlprozess kann er sich so oft klicken, wie er Lust bzw. Nerven hat, denn die Zufallskreationen, zwischen denen er die Wahl hat, sind naturgemäß recht zermürbend. Man solle sich davon nicht schrecken lassen, bittet Rea, und einfach nur jenes "Gedicht" auswählen, an dem einem auch nur ein kleines winziges Etwas gefalle und wenn es nur ein hübsches Wort sei. Das selektierte Werk überlebt zunächst und wird in der nächsten Generation mit einem, ebenfalls durch "evolutionären Druck" erzeugten Produkt vereint, um einem dritten als "Eltern" zu dienen usw. In diesem "usw." liegt übrigens wohl der Trick des Ganzen - wenn es denn funktionieren kann.
Der Nobelpreisträger George Wald hat geschrieben: "Die Zeit ist die Heldin der Geschichte. Mit genügend Zeit kann alles passieren. - Das Unmögliche wird wahrscheinlich, das Unwahrscheinliche wird sicher." Gedankenspiele, welche die Evolution durch natürliche Selektion plausibler machen sollen, sind beliebt.
Dazu gehört auch die These, dass Affen, vorausgesetzt sie hätten unendlich viel Zeit und unendliche viele Freunde und Tastaturen, Shakespeares gesamte Werke runtertippen würden. Leicht gesagt ist dies jedoch eine Behauptung, die nur dann irgendwann aufgehen könnte, wenn man von einer unvorstellbaren großen Zahl von Universen ausgeht, die alle mit Affen bevölkert sind.
Erst kürzlich haben Wissenschaftler (vgl. Gib dem Shakespeare Zucker) in einem Experiment, welches auch als Perfomance gedacht war, gezeigt, was dabei herauskommt, wenn man sechs Affen mit einer Tastatur alleine lässt: Elmo, Gum, Heather, Holly, Mistletoe und Rowan haben in vier Wochen die "Notes towards the Complete Works of Shakespeare" geschaffen: Das Werk hat fünf Seiten, die fast ausschließlich mit dem Buchstaben S bedruckt sind, erst am Schluss kamen einige kreative Wagnisse in Form der Buchstaben A, J, L und M hinzu.
Wenn jedes Proton im beobachtbaren Universum ein tippender Affe wäre (etwa 10 hoch 80 insgesamt) und sie würden 500 Buchstaben in der Minute tippen (schneller als die schnellste Stenotypistin) und das 20 Milliarden Jahre lang, dann würden alle Affen zusammen 5mal 10 hoch 96 Versuche starten, die richtigen Buchstaben zu finden. Man bräuchte zusätzlich 3mal 10 hoch 46 Universen, um überhaupt eine Chance auf Erfolg zu haben.
W.J. ReMine (1993), "The Biotic Message: Evolution verses Message Theory"
David Rea drückt sich eher vage aus: "Nach genügend Generationen dürften wir allmählich interessante Gedichte erhalten, wenn der genetische Pool reichhaltig genug ist". Wie reichhaltig der sein müsste und wie viele Generationen das dauern kann - vielleicht sogar menschliche Generationen bis zu David junior junior usw. - diese Rechenarbeit überlässt er den Mathematikern.
of evil roses insolently trusty this voice held beheld
women covered of old to revile footprints
but infest lost people lies
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eyes closed lyrist fought
toiling horses
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Zwei aktuelle Kandidaten aus der Darwinistischen Poesie