Ukraine-Krieg: Es drohen Armuts- und Hungerrevolten in Afrika

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat Folgen für die gesamte Welt. Insbesondere afrikanische Länder geraten in die Krise – mit weiter ansteigendem Hunger und Armut.

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat Folgen für die gesamte Welt. Insbesondere Niedrigeinkommensländer geraten in die Krise. Nach den Folgen der Pandemie und der Klimakrise wird Afrika erneut in einen von außen verursachten Krisenmodus reingezogen – mit weiter ansteigendem Hunger und Armut.

Russlands Agenda auf dem Kontinent

Eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele Russlands für das Jahr 2022 war es, den Beziehungen zu Afrika Priorität einzuräumen. Präsident Putin hatte vor dem Gipfel in Sotschi 2019 dargelegt, dass Russland bereit sei, den Reichtum des Kontinents nicht neu aufzuteilen, sondern mit Afrika zu kooperieren. Die Strategie wurde auf dem Russland-Afrika-Gipfel im Jahr 2019 veröffentlicht.1

Erstens will Russland die Kooperation mit afrikanischen Staaten nutzen, um seine globale Macht auszuweiten. Die afrikanischen Länder stellen die größte Stimmrechtsgruppe in der UNO dar und bieten Russland einen Pool von Verbündeten gegen die anhaltende Dominanz der Vereinigten Staaten und anderer westlicher Mächte. Das Stimmverhalten der afrikanischen Staaten in der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 24. März 2022 zeigt, dass die russische Regierung einen gewissen Rückhalt auf dem Kontinent hat.

Zweitens ist Russland bestrebt, sich Zugang zu den natürlichen Ressourcen der afrikanischen Länder zu verschaffen. Russische Bergbauunternehmen fördern bspw. Diamanten in Angola und Platin in Simbabwe. Der Aluminiumhersteller Rusal besitzt Minen in Guinea, das über die größten Bauxitvorkommen der Welt verfügt. Russische Unternehmen haben auch in der Zentralafrikanischen Republik (Gold, Diamanten, Uran) und der DR Kongo (Diamanten, Kupfer, Kobalt und Coltan) investiert.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Monatszeitschrift Welttrends.

Drittens ist Russland bestrebt, seine Sicherheitsstrategie mit afrikanischen Ländern zu koordinieren. Mit insgesamt vierzig afrikanischen Ländern unterhält Russland Militärabkommen. So sind beispielsweise die Streitkräfte von Algerien, Angola und Äthiopien fast vollständig mit Waffen und militärischen Instrumenten aus russischer Produktion ausgestattet. Russische Waffen sind für afrikanische Staaten attraktiv, da sie billiger als amerikanische Waffen sind. Russland ist im letzten Jahrzehnt zum größten Waffenlieferant Afrikas geworden.

Viertens will Russland die Entwicklung der Energie- und Stromversorgung Afrikas unterstützen. Unternehmen wie Gazprom, Lukoil, Rostec und Rosatom haben auf dem Kontinent investiert. So unterzeichnete Rosneft im Jahr 2018 einen Vertrag über die Belieferung Ghanas mit verflüssigtem Erdgas. Rosneft hat Öl- und Gasprojekte in Algerien, Ägypten und Mosambik, während Lukoil in Kamerun, Ägypten, Ghana und Nigeria tätig ist. Nun könnte das erst mal Makulatur sein. Und ob der geplante Russland-Afrika-Gipfel im Herbst 2022 stattfinden wird, steht in den Sternen.

Russland Krieg gegen die Ukraine bedroht langfristig Afrikas Ernährungssicherheit

Sowohl Russland als auch die Ukraine spielen eine wichtige Rolle auf den globalen Agrarmärkten und bei der Nahrungsmittelversorgung für Afrika. Auf Russland entfallen 10 Prozent der weltweiten Weizenproduktion, auf die Ukraine 4 Prozent.

Als direkte Folgen des Krieges sinken die ukrainischen Getreideexporte. Landwirte können ihre Felder wegen des Konflikts nicht bestellen. Das verknappte Angebot auf dem Weltmarkt lässt die Preise steigen. Afrikanische Länder sind wichtige Abnehmer von landwirtschaftlichen Produkten aus beiden Ländern. So bezieht Südafrika rund 30 Prozent seiner Weizeneinfuhren aus Russland und der Ukraine.

Am stärksten sind nordafrikanische Länder betroffen, weil dort die Abhängigkeit von Getreideimporten aus der Ukraine und aus Russland am höchsten ist. Mehr als 80 Prozent der ostafrikanischen Weizennachfrage wird durch Importe abgedeckt. Eritrea, Kenia, Somalia und der Sudan beziehen fast ihre gesamten Weizenimporte aus Russland und der Ukraine.

Auch andere Länder in der Region sind direkt (durch höhere Preise für Weizenprodukte) oder indirekt (durch den Verbrauch von Ersatzprodukten, die sich ebenfalls verteuern) betroffen. Darüber hinaus sind vor allem Äthiopien, Sudan und Südsudan von möglichen Schocks bei den Weizenpreisen betroffen, da sie mit klimatischen Krisen konfrontiert sind, die bereits zu hohen Lebensmittelpreisen geführt haben.

Das Horn von Afrika befindet sich bereits seit längerem inmitten einer Ernährungskrise. Mehrere Millionen Menschen sind von Hunger betroffen. Am vulnerabelsten sind Länder, in denen große Teile der Bevölkerung ihr Einkommen vor allem für Nahrungsmittel ausgeben müssen.

Nicht zuletzt hat China die globale Versorgungskrise bei Getreide, Ölsaaten und pflanzlichen Ölen verschärft, weil die Volksrepublik sich seit dem Jahr 2020 mehr als die Hälfte der weltweiten Getreidelagerbestände sicherte. Der chinesische Staatsrat befürchtete ein großflächiges Wiederauftreten von Armut in China, weshalb das Land im Jahr 2021 eine Rekordmenge von 164,5 Mio. Tonnen Getreide importierte. Die chinesische Nachfrage auf den Weltmärkten trug dazu bei, dass die weltweiten Getreidepreise bereits vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine in die Höhe schnellten.