Ukraine-Krieg: Es drohen Armuts- und Hungerrevolten in Afrika
Seite 2: Ägypten in besonderer Abhängigkeit
- Ukraine-Krieg: Es drohen Armuts- und Hungerrevolten in Afrika
- Ägypten in besonderer Abhängigkeit
- Auf einer Seite lesen
Die prekäre Lage der Versorgung mit Nahrungsmitteln ist in Ägypten darauf zurückzuführen, dass der Agrarsektor nicht in der Lage ist, genügend Getreide zu produzieren. Nicht einmal die Hälfte des Inlandsbedarfs von 21 Mio. Tonnen kann durch die nationale Produktion gedeckt werden.
Ägypten ist daher auf Importe angewiesen, um die Versorgung seiner 105 Millionen Bürger mit Brot und Pflanzenöl sicherzustellen. Der Krieg trifft Ägypten durch die Preissteigerungen besonders hart, da 85 Prozent des Weizens und 73 Prozent des Sonnenblumenöls aus Russland und der Ukraine stammen.
Schon vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine lagen die Preise für diese Importe auf Rekordniveau. Der Preis für Weichweizen, der für die Brotherstellung verwendet wird, lag am Ende des dritten Quartals 2021 bei 271 US-Dollar pro Tonne.
Im vierten Quartal 2021 stieg der Preis weiter an, da die weltweiten Lagerbestände sanken, nachdem die Erzeuger in den USA, Kanada, Russland und der Ukraine Ernteschäden durch Dürre, Frost und starke Regenfälle erlitten. Ein paar Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine stieg der Preis für Weichweizen an der Chicago Board of Trade 389 US-Dollar pro Tonne.
Die Weizenimporte Ägyptens werden durch den weit verbreiteten Verzehr des Fladenbrots Eish Baladi angetrieben, das bei den Armen das Hauptnahrungsmittel ist. Die Ägypter verbrauchen 150-180 Kilogramm Brot pro Kopf. Mehr als 88 Prozent der ägyptischen Bevölkerung sind vom Brotrationssystem abhängig. Die Regierung stellt im vergangenen Jahr 3,3 Mrd. US-Dollar für Brotsubventionen bereit. Ägyptens neue Weizenkäufe und Subventionen werden nun eine noch größere finanzielle Belastung für den Staatshaushalt darstellen.
Nigerias Nahrungsmittelkrise
Nigeria ist auf Lebensmittelimporte im Wert von 10 Milliarden Dollar angewiesen, um seine Nachfrage nach Lebensmitteln und Agrarprodukten zu sichern. Die Abhängigkeit Nigerias von ausländischen Importen zur Deckung des steigenden Weizenverbrauchs ist wegen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine zu einer großen Herausforderung geworden.
Brot, Nudeln, Teigwaren und Grieß, die in Nigeria aus Weizenmehl hergestellt werden, gehören zu den wichtigsten Lebensmitteln. Diese Produkte haben sich zwischen Ende 2020 und Januar 2022 um mehr als 50 Prozent.
Zusätzlicher Preisdruck entstand durch die mehrfachen Abwertungen der Landeswährung Naira. Russland gehört nach den USA zu den wichtigen Lieferanten von Getreide nach Nigeria, d.h. der Krieg wirkt sich auch in Nigeria aus.
Nigeria kann über Maßnahmen der Importsubstitution die Weizenlücke von über 6 Millionen Tonnen mittelfristig nicht schließen. Nigeria ist weiterhin auf Nahrungsmittelimporte angewiesen. Zentral ist allerdings, dass einerseits die Importabhängigkeit reduziert wird, aber zugleich die längst überfälligen Maßnahmen zur Entwicklung der Landwirtschaft in Angriff genommen werden müssen – ein lang stark vernachlässigter Sektor der Wirtschaft, in dem ein großer Teil der Menschen lebt und arbeitet.
Fazit
Viele afrikanische Länder sind durch den von Krieg in eine wirtschaftliche und soziale Krise geraten. Sie haben nun Inflation, soziale Notlagen, mehr Hunger und Armut zu verzeichnen.
Es ist absehbar, dass neue Armutsrevolten oder Brot- und Weizenunruhen aufbrechen. In der globalen Nahrungsmittelkrise wird die Schieflage, in die sich viele Länder durch ihre hohe Importabhängigkeit von Nahrungsmitteln hineinmanövriert haben, deutlich. Die Bauern und die ländlichen Bevölkerungen leiden, weil die Regierungen nur wenig für die Entwicklung der nationalen Landwirtschaft getan haben.
Prof. Dr. Robert Kappel, emeritierter Professor am Institut für Afrikastudien, Universität Leipzig. Er unterrichtet im Postgraduiertenprogramm "Small Enterprise Promotion and Training" an der Universität Leipzig. Von 2004-2011 Präsident des German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Monatszeitschrift Welttrends.